Ewigi Liäbi

Auf dem Zürcher Friedhof Nordheim kann man sich nun gemeinsam mit seinen Haustieren bestatten lassen, ganz offiziell. Nicht nur Hunde und Katzen dürfen mit ins Grab, sondern auch Vogelspinnen, Würgeschlangen und sogar der kostspielige Araberhengst.

Text: Claudia Senn

Als Bruno Bekowies noch ein Kind war, starb seine Katze Schnurrli eines Tages einen brutalen Tod auf der Strasse. Niemals hätte Brunos Vater Geld ausgegeben, um das von seinem Sohn so innig geliebte Haustier zu bestatten oder gar kremieren zu lassen. Also schickte er seinen Sohn zur Kadaversammelstelle, wo Schnurrli auf Nimmerwiedersehen in einem stinkenden Loch verschwand. So machte man das damals. So machen manche es noch heute. Doch es gibt jetzt auch andere Möglichkeiten. 

Zum Beispiel das «Themen-Mietgrab Mensch-Tier» auf dem Zürcher Friedhof Nordheim, wo sich seit einigen Monaten Zürcherinnen und Zürcher, aber auch Auswärtige, gemeinsam mit ihren Haustieren bestatten lassen können, ganz offiziell. Maximal drei Tierurnen ruhen dort mit jener des Frauchens oder Herrchens, umgeben von blühenden Stauden und den Gräbern anderer Tierfreunde. Ein friedlicher Ort für alle, die ihre geliebten Gefährten auch nach dem Tod an ihrer Seite wissen wollen. An den Menschen erinnert eine grosse, braune Holzstele mit seinem Namen, an Simba, Snoopy oder Strolchi eine etwas kleinere. 

Mitgestaltet hat das neue Grab Bruno Bekowies, Leiter Kompetenzzentrum des Zürcher Bestattungs- und Friedhofamts – ein jugendlich wirkender Mitfünfziger mit Ostschweizer Dialekt, der etwas Spitzbübisches an sich hat, aber stets den richtigen Ton trifft, wenn es heikel wird. Und wenn es um den Tod geht, wird es ja bekanntlich meistens kompliziert.

Gut zu wissen, wo man dereinst liegen wird

Fünf solcher Gräber habe sein Amt bisher vermietet, so erzählt Bekowies, für 20 Jahre, wie üblich. Zwei Verstorbene sind mit ihren Katzen beigesetzt. Die drei anderen Mieter leben noch und lassen erst einmal ihre Tiere bestatten, bis sie ihnen dereinst nachfolgen werden. Eine Dame konnte sich von ihren drei Katzen-Urnen bisher nicht trennen, obwohl alles bereit wäre für deren Bestattung. «Sie möchte sie über den Winter noch bei sich behalten und in Ruhe Abschied nehmen.» Ähnlich geht es einem Herrn mit bereits kremiertem Büsi. Im dritten Fall leben beide noch, Mensch und Tier. Der Hundefreund mag jedoch den Gedanken, schon zu Lebzeiten ein besonders hübsches Plätzchen für sich und seinen Gefährten reserviert zu haben. Gut zu wissen, wo man dereinst liegen wird. 

Grab auf dem Mensch-Tier-Friedhof in Zürich
© Sonja Ruckstuhl

Nur kremierte Tiere dürfen mit ins Grab, zu gross sei die Gefahr, dass sonst Füchse oder andere Wildtiere den Kadaver wieder ausbuddeln. «Bei Goldfischen, Vogelspinnen oder kleineren Amphibien würden wir selbstverständlich eine Ausnahme machen, weil nach einer Kremation kaum Asche übrigbliebe», sagt Bekowies. Solches Kleingetier darf der Einfachheit halber also unkremiert in die Urne. 

Sehr grosse Tiere scheinen ebenfalls niemandem Kopfzerbrechen zu bereiten. Ein exzentrischer Oligarch möchte mit seinem Hauslöwen bestattet werden? Kein Problem. Selbst Nilpferde, Würgeschlangen oder der kostspielige Araberhengst dürfen mit ins Mensch-Tier-Grab. «In diesem Fall würden wir dann bloss einen Teil der Asche verwenden», sagt Bruno Bekowies. Eine Tierurne fasst etwa ein Kilo. 

Haustiere sind Teil der Familie

Wer möchte, kann für sein Haustier eine kurze Abschiedszeremonie am Grab abhalten lassen oder sogar eine richtige Abdankungsfeier in der Kirche. In diesem Fall wird ein Mann aufgeboten, der in Zürich schon verschiedentlich mit unkonventionellen Gottesdiensten aufgefallen ist: Christoph Ammann, reformierter Pfarrer in Zürich-Witikon. Auch er wirkt jünger als seine fünfzig Jahre, zum Zoom-Interview erscheint er im schwarzen Kapuzen-Pulli. Ammann ist Präsident des «Arbeitskreises Kirche und Tiere», der sich dafür einsetzt, «Tiere als Geschöpfe ernster zu nehmen». 

Schon bevor es das Mensch-Tier-Grab gab, hat Ammann in der Zürcher City-Kirche St. Jakob Gottesdienste für trauernde Tierhalter und Tierhalterinnen abgehalten. Es gab Musik, Rituale, man konnte im Gedenken an sein Tier etwas in ein Trauerbuch schreiben. Die Gottesdienste seien kein Publikumsrenner gewesen, «doch jene Leute, die kamen, waren sehr dankbar dafür», sagt Christoph Ammann.

Trauer um ein Tier sei bei manchen Menschen noch immer verpönt. «Da heisst es schnell: Mach doch nicht so ein Büro auf, es ist ja nur ein Tier.» Zwischen dem Menschen und seinen Haustieren bestehe heute jedoch eine viel innigere Beziehung als früher, sagt Ammann, das habe sogar die Wissenschaft belegt. Häufig werden Haustiere als Teil der Familie empfunden. Ammann weiss auch von Schwerkranken im Spital, die erst sterben können, wenn ihr Hund noch einmal zu Besuch gekommen ist. Zwar hätten sich mächtige Herrscher schon früher gern mit ihrem Lieblingspferd bestatten lassen, und auch von Richard Wagner sei überliefert, dass sein Neufundländer ein richtiges Begräbnis bekam, samt Gedenkstein. «Doch Herrn und Frau Müller hat man soviel Gefühl nicht zugestanden.» 

Das ändert sich nun. Glücklicherweise, wie Christoph Ammann findet. Um sein Haustier zu trauern sei nichts, wofür man sich zu schämen brauche, sagt er, «und es sollte auch einen Ort geben, wo man seiner Trauer Ausdruck verleihen kann.» Christoph Ammann war es, der beim Bestattungsamt mit der Idee vorstellig wurde, auf Zürcher Friedhöfen künftig auch Haustiere zu beerdigen. Er stiess dort auf offene Ohren. Gemeinsam mit Bruno Bekowies dachte er über die konkrete Ausgestaltung nach. Eine Abteilung nur für Tiere, so wie es Ammann ursprünglich angeregt hatte, erlaubt die städtische Friedhofsverordnung nicht. Wenn ein Mensch im selben Grab beigesetzt wird, sieht die Sache jedoch anders aus. So entstand das Themen-Mietgrab Mensch-Tier, ein Pilotprojekt, das im Erfolgsfall bald auch an anderen Friedhöfen eingeführt werden soll. 

Tierurnen als Grabbeigabe

Eigentlich, so verrät uns Bruno Bekowies zum Schluss hinter vorgehaltener Hand, durfte man Tierurnen in Zürich schon immer mit beisetzen, als sogenannte Grabbeigabe. «Wir haben das bloss nicht an die grosse Glocke gehängt, damit sich die Angehörigen des Nachbargrabes nicht daran stören, wenn nebenan ein Schäferhund liegt.» Deshalb durfte man ein solches Tiergrab auch nicht kennzeichnen – kein Kreuz, kein Grabstein, kein noch so winziges Namenstäfelchen für Mizzi oder Fido. Für eine besonders aufwändige Mensch-Tier-Beerdigung seien sogar einmal mehrere Katzenurnen extra aus Kanada eingeflogen worden. Der Flug hatte Verspätung, am Ende wartete eine ganze Trauergemeinde, bis die kostbare Luftfracht endlich vor Ort war. 

Wer also ein Problem damit hat, dereinst vielleicht auf demselben Friedhof zu liegen wie der Fiffi der Nachbarin oder die Mieze, die täglich unterm Rosenbusch ihr Geschäft verrichtet, sollte sich vielleicht besser daran gewöhnen. In unseren Gräbern sind nämlich jetzt schon eine ganze Menge Kuscheltiere zur ewigen Ruhe gebettet.

Mehr Informationen zum Themen-Mietgrab «Mensch-Tier» finden Sie bei der Friedhofverwaltung Nordheim: Tel. 044 415 35 05 oder  im Zürcher Stadthaus bei der Gräberadministration: Tel. 044 412 40 00 oder im Internet: www.stadt-zuerich.ch/menschtiergrab


Beitrag vom 24.02.2022

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