Leben auf dem Bauernhof

Regelmässig erreichen uns Geschichten, Texte und Zuschriften unserer Leserinnen und Leser. Diese wollen wir Ihnen nicht vorenthalten. Heute: Erinnerungen an ein Leben voller Arbeit von Hanni Bieri-Jost.

Schule in Galmiz, 1960: Hanni Bieri ist die Dritte von rechts, ganz links sitzt ihre Schwester.
Schule in Galmiz, 1960: Hanni Bieri ist die Dritte von rechts, ganz links sitzt ihre Schwester.

Mir gefallen die alten Bilder aus der frühen Kindheit. Meine Eltern aus dem Emmental kauften sich nach dem Krieg ein Häuschen im Berner Seeland. Wir Kinder wuchsen in sehr bescheidenen Verhältnissen auf. In der Küche standen ein Holzherd und ein Abwaschtrog. Fliessend Wasser gab es noch nicht, nur draussen am Brunnen. 

Ein Kachelofen heizte die zwei Zimmer notdürftig. Im oberen Stock, dem «Gaden», war nur ein Zimmer. Meine drei Geschwister und ich teilten uns das Zimmer zum Schlafen. Im Winter nahmen wir unsere Kleider mit ins Bett, denn es gab keine Heizung. Natürlich trugen wir Mädchen nur Röcke und die Strümpfe kratzen mich noch immer, wenn ich an sie denke! Ein Plumpsklo gab es nur draussen beim Stall.

Schwarzweissfoto: sechs Kinder sitzen in einer Reihe auf dem Brunnenrand.
Auf dem Brunnenrand: Hanni Bieri ist die Zweite von rechts. 

Mit 16 Jahren ging ich für ein Jahr ins Welschland, um Französisch zu lernen. Ich wollte zu einer Bauernfamilie, denn ich wollte später unbedingt Bäuerin werden. Mit 19 Jahren ging ich nach London, um dort Englisch zu lernen. Wieder zurück, arbeitete ich in verschiedenen Restaurationsbetrieben. Zwölf Jahre war ich beim Schweizerischen Volksdienst angestellt, der Grosskantinen für Bundesangestellte betrieb. 

Mit 36 Jahren suchte ich mir einen Bauern in der Glückspost – «Bauer sucht Frau» gab es damals noch nicht. Und so kam ich ins Emmental, wo ich meinen jetzigen Mann mit zwei kleinen Kindern heiratete. Mit drei Kindern arbeiteten wir nun über zwanzig Jahre auf dem Betrieb, bis wir den Hof an unseren ältesten Sohn übergeben konnten. Ich arbeitete dann noch fünf Jahre in einem Altersheim, bis ich die Rente bezog. 

Von nun an erwachte in mir die Reise- und Leselust. Ich kaufte mir ein GA und lernte endlich die Schweiz kennen. Plötzlich wollte ich alles wissen über Geschichte, Länder und auch über Spirituelles. Ich lernte Zitherspielen, sang in einem Chor. Ich nahm einen Malkurs, seither habe ich etliche Bilder verkauft. 

Der Sonntag war ihr Maltag: Hanni Bieri malt seit zwanzig Jahren.

Mein Vater sagte immer: «Du brauchst keine Lehre, du heiratest ja doch.» Heute bin ich 74 und denke, was ich mir alles selbst beigebracht habe. Eine Bäuerin lernt fast alles, was es im Leben braucht. Wenn ich an die Buchhaltung denke und an den ganzen Papierkrieg, den die Bauern heute haben, dann müssen die Bauern von heute supergescheit sein. 

Spannende Geschichten von anno dazumal finden Sie auch in der Zeitlupe-Buchreihe «Das waren noch Zeiten …».

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Beitrag vom 24.02.2021
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