Warum Fremde bei ihr zu Hause einkehrten, verstand Elvira Notari als kleines Mädchen noch nicht. Sie wuchs im Restaurant Traube in Siebnen SZ auf.
Aufgezeichnet von Annegret Honegger
Bei uns sassen immer viele Leute am Mittagstisch. Die Serviertöchter und Gastarbeiter gehörten fast ebenso zur Familie wie Grossvater und Nonno. Auf dem Foto von 1958 sieht man meine ältere Schwester und mich mit Serviertochter Marieli. Wie viele andere arbeitete sie ein, zwei Jahre bei uns, lernte im Restaurant einen Mann kennen und heiratete. Eine andere Serviertochter lehrte mich tanzen: der Anfang meiner lebenslangen Liebe zum Tanz.
Mein Vater führte mit seinem Bruder das Baugeschäft, meine Mutter das Restaurant. So war immer jemand da, wenn ich heimkam, das gefiel mir. Am Nachmittag kamen oft Nachbarskinder zu uns zum Spielen oder für die Hausaufgaben. Wir besassen eine Musikbox und gehörten zu den ersten mit einem Fernseher.
Selbstverständlich mussten wir Geschwister mithelfen, wenn Mama viel zu tun hatte. Bügeln und kochen lernte ich früh. Neben unseren Aufgaben genossen wir viel Freiheit. Dass die Erwachsenen uns etwas zutrauten, lehrte uns Verantwortung und machte uns stolz.
Da ich sehr scheu war, musste ich mich überwinden, ab und zu die Gäste zu bedienen. Umso besser gefiel mir das Trinkgeld. Für zwanzig Rappen kaufte ich mir eine Vanilleglace oder sparte für Pfirsiche. Damit belohne ich mich bis heute.
Ich erinnere mich gern an meine behütete, glückliche Kindheit mit vielen Gschpänli im Quartier. Das Leben war damals bescheidener und gemächlicher. Auf der Strasse vor dem Haus fuhren wir im Winter Schlittschuh, so wenig Verkehr hatte es. Nach meiner Scheidung kehrte ich in unser Haus zurück, mit dem ich mich sehr verbunden fühle. Die Geschäfte rundherum sind verschwunden und das Restaurant geschlossen, aber bis heute führe ich hier meinen kleinen Coiffeursalon.
Elvira Notaris Erinnerungen «Eine Siebnerin erzählt aus ihrer Kindheit (1954–1958)» ist bei der Autorin für CHF 21.80 erhältlich: Telefon 055 440 37 49.
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