
Lieblingsvogel 2025
Amsel, Drossel, Fink? Nein, der Star unter den Vögeln ist das Rotkehlchen, das die die Herzen der Publikumsjury und den Titel fürs nächste Jahr gewonnen hat.
Es ist eine Premiere für die Schweiz: Erstmals liess die Organisation BirdLife Schweiz den «Vogel des Jahres» nicht von Expertinnen und Experten, sondern durch die Bevölkerung wählen. Über 12‘000 Menschen machten mit. Das Rotkehlchen setze sich mit einem Viertel der Stimmen knapp gegen die Schwanzmeise (23 Prozent), den Grünspecht (20 Prozent) und den Kleiber (19 Prozent) durch.
Das Vögelchen – an seinem orangeroten Brustfleck, der runden Form und den dunklen Knopfaugen auch für Laien leicht zu erkennen – gehört zu den häufigsten Vogelarten in der Schweiz und gilt als nicht gefährdete Art. Etwa 450‘000 bis 650’00 Brutpaare zählt man hierzulande. Von den weltweit 350 Millionen Vögeln leben etwa drei Viertel in Europa. Rotkehlchen gibt es auch in Nordafrika und sogar im Süden Sibiriens.
Der zutrauliche und auf uns Menschen niedlich wirkende Vogel begleitet uns durchs ganze Jahr – allerdings in wechselnder Besetzung. Während im Herbst die hiesigen Rotkehlchen in den Mittelmeerraum an die Wärme ziehen, verbringen Artgenossen aus nördlicheren Gegenden den Winter in der Schweiz.
Unermüdliche Sängerinnen und Sänger
Frühmorgens ist der melodiöse Gesang der Rotkehlchen einer der ersten und abends einer der letzten. Als einer der wenigen Vögel singt das Rotkehlchen das ganze Jahr über – sogar an sonnigen Wintertagen, in mondhellen Nächten oder in der Nähe heller Lampen oder Fenster. Vermutlich nutzen städtische Vögel die Nachtruhe, damit ihre Botschaft besser gehört wird. Nur starker Regen lässt das Rotkehlchen verstummen.
Der Gesang dient zur Partnersuche, zur Revierverteidigung und zur Kommunikation. Bei Gefahr und im Kampf mit Rivalen kann er eine Lautstärke von bis zu 100 Dezibel erreichen – fast Motorsägenniveau! Die Musik ist mit 275 nachgewiesenen Motiven äusserst variabel. Rotkehlchen können auch die Stimmen anderer Vögel nachahmen und diejenigen ihrer Artgenossen individuell erkennen. Die Männchen singen ihren Jungen gezielt vor, um sie auf den Gesang zu prägen.


Die Weibchen legen meist zwei Mal pro Jahr etwa sechs Eier. Ihr Nest aus Moos, Blättern und Halmen bauen die Paare gut getarnt in Bodenvertiefungen, versteckt unter einem Busch oder in einem Wurzelstock. Das Weibchen sitzt 13 bis 15 Tage lang auf der Brut, nur unterbrochen von kurzen Pausen, in denen es vom Männchen gefüttert wird – ausserhalb des Nestes, um dessen Standort nicht zu verraten.
Das Gelege und die in den ersten sechs Tagen blinden Jungvögel sind durch Raubvögel, aber auch Katzen, Mäuse, Ratten, Wiesel, Marder, Dachse, Eichhörnchen, Füchse, Käfer und Schnecken gefährdet. Ab dem zehnten Tag können die Jungvögel das Nest verlassen. Immer noch flugunfähig, verstecken sie sich am Boden und werden von den Eltern mit Nahrung versorgt. Nach rund zwanzig Tagen sind die Kleinen selbstständig und werden aus dem Revier der Altvögel vertrieben.
Nur knapp ein Drittel überleben
Eier und Nestlinge haben eine Überlebensrate von knapp einem Drittel. Sehr strenge Winter steigern den normalen Verlust der Population bis auf 80 Prozent. Die Hauptbedrohung der Rotkehlchen Mitteleuropas geht aber vom Menschen aus. So gibt es immer weniger offene Landschaften, Verbauung und intensive Landwirtschaft mit Insektiziden, Herbiziden und Dünger schaden den Tieren. In Südeuropa werden die Vögel auch immer noch gejagt. Wegen ihrer Zutraulichkeit und ihres schönen Gesangs hielt man Rotkehlchen oft als Käfigvögel.
Wer dem kleinen Sympathieträger helfen möchte, achtet im Garten auf naturbelassene Ecken, auf dichte Hecken, dornenreiche und beerentragende Büsche sowie Laubhaufen und lässt Laub liegen und Gras stehen als Schutz und Nahrungsquelle.
Gemäss alten Mythen haben Rotkehlchen eine Verbindung zum rotbärtigen Gott Thor und schützen vor Blitzschlag und Feuer. Ein Nest in der Nähe eines Hauses bringt Glück und Frieden. Auch in Christuslegenden spielt der Vogel eine wichtige Rolle. So soll ein Rotkehlchen Jesus am Kreuz mit seinem Gesang getröstet und einen Dorn aus seiner Krone gelöst haben. Jesu Blutstropfen sollen dabei die Brust des Vögelchens rot gefärbt haben.