© Warner Music Australia

«Sign o’ the times» von Prince Songs und ihre Geschichten

Prince, war einer der erfolgreichsten Popmusiker der Welt. Bereits mit 17 begann er seine Karriere – und wurde mit seinem androgynen Auftreten, seiner Sexyness und seiner Mischung aus schwarzen und weissen Musiktraditionen zum Idol. Mit dem Doppelalbum «1999» gelang ihm 1982 der Durchbruch, und mit dem Soundtrack-Album zum Film «Purple Rain» zwei Jahre später der Aufstieg zum Superstar.

Text: Urs Musfeld

Der 1958 in Minneapolis unter dem Namen Prince Rogers Nelson geborene Künstler, Sohn eines schwarzen Jazz-Musikers und einer weissen Sängerin, gilt seit seiner ersten LP «For You» (1978) als musikalisches Wunderkind. Er singt darauf alle Stimmen, spielt mehr als 20 Instrumente und hat das Cover selbst gestaltet. 

Prince Cover "1999"
© Warner Bros.

Er ist der jüngste Künstler, dem das Label Warner Bros. gestattet, ein Album in völliger Eigenregie zu produzieren. Den eigenen Willen, die eigene Vision stellt er zeit seines Lebens über alles andere.

«Stevie Wonder war meine Inspiration. Ich habe ihn dafür bewundert, wie er Musik mit Handwerk und Seele gefertigt hat. Er war mein Vorbild dafür, all diese Instrumente zu spielen, selbstgenügsam zu sein und eine klare Vision zu haben. Vor allem aber das begnadete Genie in all seinen Facetten: als Sänger, Gitarrist und Keyboarder, als Arrangeur und Komponist.»

Am 5. Januar 1979 gibt Prince in seiner Heimatstadt Minneapolis sein erstes Konzert. Nach den erfolgreichen Alben «Purple Rain» (1984), «Around The World In A Day» (1985) und «Parade», erscheint 1987 sein Album «Sign O’ The Times».

Die Entstehung von «Sign O’ The Times» fällt in eine Phase des Umbruchs für den Sänger, Songschreiber und Multiinstrumentalisten. Der Abschied von der langjährigen Begleitband The Revolution und die Trennung von seiner Verlobten, der Sängerin Susannah Melvoin.

Im starken Kontrast zu den Werken seit «Purple Rain» arbeitet Prince allein an den Songs, spielt allein und bekommt lediglich im Studio Unterstützung von Ton-Ingenieurin Susan Rogers, die mit ihm in Minneapolis und Paris aufnimmt. Eine künstlerische Neuorientierung quasi.

Haben frühere Platten musikalisch-thematische Kontinuität, steht das Doppelalbum für stilistische Vielfalt und Vielschichtigkeit, verteilt auf 16 Songs: Rock, Pop, Jazz, Funk, Soul, Hip Hop, Klavier-Nonsense, Balladen – alles auf das Nötigste und Wichtigste reduziert, alles sehr perfekt. Von der Abwechslung und der Bedeutung her etwa vergleichbar mit dem «White Album» der Beatles. 

Prince› Fähigkeit, sich zwischen den Genres zu bewegen, macht ihn zu einem einzigartigen musikalischen Chamäleon. 

Der Titelsong «Sign o’ the times», die erste Single des Albums, ist einer seiner stärksten sozialen Kommentare. Prince beschreibt die amerikanische Gesellschaft der späten 1980er-Jahre als kurz vor der Apokalypse stehend. AIDS, Drogen, Bandenkriminalität und das Raketenabwehrprogramm der USA finden Eingang in diese unterkühlte Nummer. Prince macht deutlich, dass das Amerika von Ronald Reagan eine dunkle Seite hat.

In France, a skinny man died of a big disease with a little name
By chance his girlfriend came across a needle and soon she did the same
At home there are seventeen-year-old boys and their idea of fun
Is being in a gang called ‹The Disciples›
High on crack and totin› a machine gun

In Frankreich starb ein abgemagerter Mann
an einer grossen Krankheit mit einem kleinen Namen
Seine Freundin geriet zufällig an die Spritze
und schon kurz darauf erlitt sie das gleiche Schicksal
Hier bei uns gibt es siebzehnjährige Jungs
deren Vorstellung von Vergnügen
Ist es, in einer Gang namens «Die Jünger» zu sein
Die sind voll auf Crack und fuchteln mit einer Maschinepistole herum

Was sind das nur für Zeiten…….

Bei The Disciples («Die Jünger») handelt es sich um eine Gang aus Chicago, die in den 1980er- und 1990er-Jahren in der Stadt ihr Unwesen trieb und Chicago für viele Jahre zur Mordhauptstadt der USA machte.

Hurricane Annie ripped the ceiling of a church and killed everyone inside
You turn on the telly and every other story is tellin› you somebody died
A sister killed her baby ‹cause she couldn’t afford to feed it
And yet we’re sending people to the moon
In September, my cousin tried reefer for the very first time
Now he’s doing horse, it’s June

Hurrikan Annie riss die Decke einer Kirche auf
und tötete alle darin 
Man schaltet den Fernseher an und in jedem zweiten Bericht
ist die Rede davon, wie wieder jemand gestorben ist
Eine junge Frau hat ihr Baby umgebracht, weil sie sich nicht leisten konnte, es zu ernähren
Und noch immer schicken wir Menschen auf den Mond
Im September hat mein Cousin zum ersten Mal Cannabis ausprobiert
Heute nimmt er Heroin, und es ist gerade mal Juni

It’s silly, no?
When a rocket ship explodes and everybody still wants to fly
But some say a man ain’t happy unless a man truly dies
Oh why?

Ist doch verrückt, oder?
Wenn eine Rakete explodiert
und alle immer noch fliegen möchten
Aber manche sagen, der Mensch ist nicht glücklich
bis ein anderer Mensch tatsächlich stirbt
Warum nur?

Die Anspielung auf die explodierende Rakete bezieht sich auf die Space-Shuttle-Katastrophe vom 28. Januar 1986, als die Raumfähre Challenger nach dem Start explodierte. Prince ist überrascht, dass sich die Menschen nach diesem Vorfall immer noch für die Raumfahrt interessieren, zumal es in den USA so viele Probleme gab und Gelder an anderer Stelle fehlten.

Baby make a speech, Star Wars fly
Neighbors just shine it on
But if a night falls and a bomb falls
Will anybody see the dawn?

Baby, mach den Mund auf, der «Krieg der Sterne» geht los
Den Nachbarn scheint es egal zu sein
Doch wenn die Nacht hereinbricht und eine Bombe fällt
Wird dann noch jemand da sein, der die Morgendämmerung sieht?

Mit einem Weltraum-Raketenabwehrschild wollte US-Präsident Ronald Reagan während des Kalten Krieges Star-Wars-Fantasien ins reale Leben holen. Es stellte sich als grosser Bluff heraus. 

Die letzte Strophe ist nur der Wunsch, das Leben zu geniessen, solange man kann, und die schlechten Zeiten einfach zu ignorieren.

Sign o′ the times, mess with your mind
Hurry before it’s too late
Let′s fall in love, get married, have a baby
We’ll call him Nate, if it′s a boy

Die Zeichen der Zeit verwirren dich
Beeil dich, bevor es zu spät ist
Lass uns verlieben, heiraten, ein Kind haben
Wir werden ihn Nate nennen… wenn es ein Junge wird

Bemerkenswert auch die Sprache von «Sign o’ the times»: Prince verwendet eine Mischung aus Slang und poetischen Bildern, die die Dringlichkeit und die Botschaft des Songs unterstreichen.

Anfang der 1990er-Jahre entscheidet er, fortan nicht mehr Prince heissen zu wollen. Er ändert seinen Namen in ein unaussprechliches Symbol. In den Medien wird er nur noch The Artist Formerly Known As Prince (TAFKAP) oder einfach The Artist genannt. Hintergrund sind Streitigkeiten mit der Plattenfirma über das Besitzrecht an den eigenen Aufnahmen.

Prince hat nicht nur 39 Studioalben in 37 Jahren veröffentlicht und fünf Nummer 1-Hits in den USA gelandet, er erhält für seine Arbeit insgesamt sieben Grammys und verkauft mehr als 100 Millionen Tonträger. Darunter viele, die nie im Radio gelaufen sind.

Prince ist praktisch jedes Jahr live unterwegs. Seine Konzerte führen ihn auch mehrmals in die Schweiz: das erste 1987 im Hallenstadion in Zürich, das letzte 2013 am Montreux Jazz Festival.

Der begnadete Musiker, Tänzer und Komponist stirbt am 21. April 2016 im Alter von 57 an einer versehentlichen Überdosis Schmerzmittel.


Urs Musfeld alias Musi

Portrait von Urs Musfeld

© Claudia Herzog

Urs Musfeld alias MUSI, Jahrgang 1952, war während 39 Jahren Musikredaktor bei Schweizer Radio SRF (DRS 2, DRS 3, DRS Virus und SRF 3) und dabei hauptsächlich für die Sendung «Sounds!» verantwortlich. Seine Neugier für Musik ausserhalb des Mainstreams ist auch nach Beendigung der Radio-Laufbahn nicht nur Beruf, sondern Berufung.

Auf seiner Website «MUSI-C» gibt’s wöchentlich Musik entdecken ohne Scheuklappen zu entdecken: https://www.musi-c.ch/

Beitrag vom 18.01.2024

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