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«Fever» von Peggy Lee Songs und ihre Geschichten

Ein Fingerschnippen und dazu eine zwischen Hingabe und Abweisung changierende Stimme. «Fever» hiess Peggy Lees grosser Hit von 1958. Den Song gab es vorher schon. Aber die Jazzsängerin Peggy Lee machte ihn berühmt – mit sparsamen Klängen und einem einfachen, aber ansteckenden Rhythmus.

Text: Urs Musfeld

Die Karriere von Peggy Lee, geboren 1920 als Norma Egstrom in North Dakota, kann als Paradebeispiel herhalten für den sogenannten amerikanischen Traum: Nach einer unglücklichen Kindheit, misshandelt von der Stiefmutter, flüchtet sie nach Hollywood. Dort wird die 20-Jährige von Benny Goodman, dem «King of Swing», entdeckt und engagiert.

Ihren Erfolg als Sängerin verdankt Lee nicht nur ihrer sanften, fesselnden Stimme, sondern auch ihrer Fähigkeit, Inhalte und Gefühle subtil zu vermitteln. Sie hat ein ausgeprägtes Verständnis für Rhythmus und eine spezielle Fähigkeit, sich auf das Wesentliche eines bestimmten Songs zu konzentrieren. Ungewöhnlich für ihre Zeit schreibt Lee auch eigene Lieder und Texte, darunter «I don’t know enough about you» (1946), «It’s a good day» (1947) und «Mañana (is soon enough for me)» (1947). Sie gehört zu den Wegbereiterinnen der Singer/Songwriter-Schule. 

Der Klassiker «Fever», die Geschichte einer leidenschaftlichen Liebe, stammt aus der Feder von Eddie Cooley und dem späteren Elvis Presley-Songschreiber Otis Blackwell («Don’t be cruel», «All shook up»).

Aufgenommen wird die ursprüngliche Fassung 1956 vom R&B-Sänger Little Willie John, aber es ist Peggy Lee, die das Lied 1958 zu einem Welthit macht.

Peggy überarbeitet das Original von «Fever» und verleiht ihm einen sinnlichen Jazz-Sound und eine rauchige Note. Little Willie Johns Rhythm and Blues und die Bläsersätze verschwinden. Lees kühl-erotische Stimme, die minimalistische, jazzige Begleitung mit Kontrabass und Schlagzeug, das Fingerschnippen, alles passt perfekt. 

Plötzlich klingt die Melodie so, wie sich Verliebtheit anfühlt: erotisch, fixiert, obsessiv – ein glühender Kraftakt. 

Lee spielt auch mit dem Text, um die sexuellen Andeutungen und Metaphern zu unterstreichen.

Never know how much I love you
Never know how much I care
When you put your arms around me
I get a fever that’s so hard to bear
You give me fever

Du wirst nie wissen, wie sehr ich dich liebe,
Du wirst nie wissen, wieviel du mir bedeutest
Wenn du mich umarmst
Bekomme ich ein Fieber, dass schwer zu ertragen ist
Du gibst mir Fieber

Die Vorstellung von der Liebe als Krankheit ist in der Literatur und Musik weit verbreitet. Wie Shakespeare in Sonnet 147 bemerkt: «Meine Liebe ist wie ein Fieber, das sich nach dem sehnt, der die Krankheit länger pflegt». 

When you kiss me, fever when you hold me tight
Fever! In the mornin›, a-fever all through the night

Wenn du mich küsst, Fieber wenn du mich festhältst
Fieber! Am Morgen, Fieber die ganze Nacht hindurch

Sun lights up the daytime
Moon lights up the night
I light up when you call my name
And you know I’m gonna treat you right
You give me fever

Die Sonne erleuchtet den Tag,
Der Mond erleuchtet die Nacht
Ich strahle, wenn du meinen Namen rufst
Und du weisst, ich behandle dich gut
Du gibst mir Fieber

Everybody’s got the fever
That is something you all know
Fever isn’t such a new thing
Fever started long ago

Alle haben das Fieber
Das ist etwas, dass ihr alle kennt
Fieber ist nicht neu,
Fieber gab es schon lange zuvor

Romeo loved Juliet
Juliet, she felt the same
When he put his arms around her
He said, «Julie, baby, you’re my flame»
Thou giveth fever

Romeo liebte Julia,
Julia fühlte das Gleiche
Als er sie umarmte
Sagte er, 
«Julia, Baby, du bist meine Flamme»
Du gibst mir Fieber

When we kisseth, fever with thy flaming youth
Fever! I’m a fire, fever, yeah, I burn forsooth

Wenn wir küssten, Fieber mit deiner jungen Flamme
Fieber! Ich brenne, Fieber, ja, ich brenne fürwahr

Neben der sexuellen Komponente verleiht Peggy Lee dem Song auch eine witzige Seite. Neckische Anspielungen auf Romeo & Julia und Pocahontas, die sie in eine exquisite Affäre verwandelt. 

Captain Smith and Pocahontas
Had a very mad affair
When her daddy tried to kill him
She said, «Daddy, oh, don’t you dare
He gives me fever»

Captain Smith und Pocahontas
Hatten eine verrückte Affäre
Als ihr Vater ihn umbringen wollte 
Sagte sie, 
«Vater bitte nicht,
Er gibt mir Fieber
»

With his kisses, fever when he holds me tight
Fever! I’m his missus, daddy, won’t you treat him right?
Es geht auch um Abhängigkeit, darum, dass die Protagonistin von etwas besessen ist, das sie nicht kontrollieren kann. Sie ist süchtig nach dem Gefühl, das ihr Liebhaber ihr gibt, und es ist ein Gefühl, dem sie nicht entkommen kann.

Mit seinen Küssen, Fieber, wenn er mich fest umschlingt
Fieber! Ich bin sein Mädchen, Vater, willst du ihn nicht korrekt behandeln?

Now you’ve listened to my story
Here’s the point that I have made
Chicks were born to give you fever
Be it Fahrenheit or Centigrade
They give you fever

Jetzt hast du meine Geschichte gehört
Und ich habe es auf den Punkt gebracht
Mädchen sind geboren, um dir Fieber zu geben
Egal, ob es Fahrenheit oder Celsius sind
Sie geben dir Fieber

«Fever» von Peggy Lee wird auf Anhieb zu einem Hit und zur Blaupause für weitere, zahlreiche Coverversionen, u.a. von Elvis Presley (1960), Tom Jones, Madonna (1992) und Beyoncé (2010). Der Song ist in mehreren Filmen, Fernsehsendungen und Werbespots zu hören.

Nach einer sieben Jahrzehnte dauernden Karriere stirbt die mit vielen hohen Preisen geehrte Sängerin und Songschreiberin Peggy Lee 2002 im Alter von 81.


Urs Musfeld alias Musi

Portrait von Urs Musfeld

© Claudia Herzog

Urs Musfeld alias MUSI, Jahrgang 1952, war während 39 Jahren Musikredaktor bei Schweizer Radio SRF (DRS 2, DRS 3, DRS Virus und SRF 3) und dabei hauptsächlich für die Sendung «Sounds!» verantwortlich. Seine Neugier für Musik ausserhalb des Mainstreams ist auch nach Beendigung der Radio-Laufbahn nicht nur Beruf, sondern Berufung.

Auf seiner Website «MUSI-C» gibt’s wöchentlich Musik entdecken ohne Scheuklappen zu entdecken: https://www.musi-c.ch/

Beitrag vom 16.10.2023

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