
Warum sterben wir, Grosi?
Der deutsche Bestatter und Trauerbegleiter Eric Wrede hat eine sorgfältige Annäherung für Kinder über den Tod verfasst. Das Buch zeigt einfache Wege auf, um über Schwieriges zu sprechen.
Text: Fabian Rottmeier
Kinder sind neugierig. Sie wollen Dinge verstehen, die sie nicht verstehen. Weshalb man jemanden zum Beispiel nicht sagen sollte, dass er grosse Ohren hat. Manchmal wird die Situation jedoch etwas schwieriger. Etwa wenn die Enkelin fragt: «Grosi, warum sterben wir?» Gibt es darauf eine einfache Antwort? Wohl nicht.
Seit kurzem jedoch hilft das Buch «Wenn wir ins Gras beissen – Das Buch vom Tod für grosse und kleine Menschen» die passenden Worte zu finden. Wie der Autor Eric Wrede darin schreibt, hätten Erwachsene beim Thema Tod einen «oft ungelenken Umgang mit den jüngsten Trauernden». Sie würden merkwürdige Ausdrücke benutzen statt klare und ehrliche Worte. Er rät denn auch davon ab, Sprachbilder zu wählen wie «Mama ist in den Himmel geflogen».
Alles ist sorgfältig formuliert
Der reich illustrierte Bildband ist in Kapitel gegliedert, die meist eine Frage als Titel tragen. Zum Beispiel «Was passiert, wenn der Körper natürlich stirbt?» Schon der erste Satz im Anfangskapitel zeigt die sprachliche Sorgfalt auf, die Eric Wrede pflegt: «Alles, was lebt, wird sterben.» Sowohl die Worte, aber auch die Bilder sprechen die Leserinnen und Leser an. Es sind einfach verständliche Sätze, die weder werten noch beschönigen oder verharmlosen. Damit verblüfft der Schreibende wohl manchmal auch erwachsene Menschen, die das Buch lesen. Es klingt alles so einleuchtend und einfach in seinen Worten.
Zum Autor von «Wenn wir ins Gras beissen»
Eric Wrede ist Deutschlands bekanntester Bestatter und Trauerbegleiter – und heute auch Autor und Kolumnist. Seine Radiosendung «The End» zum Thema Trauer und Tod, die es mittlerweile auch als Podcast zu hören gibt, hat viel Aufmerksamkeit erhalten. Mit «The End – Das Buch vom Tod» gelang dem heute 44-Jährigen ein erster Bestseller. Der frühere DJ und Musikmanager hat im vergangenen Herbst mit «Auf Leben und Tod – Gespräche über das, was am Ende zählt» auch Interviews aus seinem Podcast als Buch veröffentlicht.
Selbstverständlich beinhalten viele kapitelgebende Fragen das von Kindern gern benutzte «Warum». Warum sterben nicht nur alte Menschen? Warum bestatten wir unsere Toten? Warum trauern wir? Ziel des Buches, so der deutsche Bestatter und Trauerbegleiter, sei es, sich zusammen mit dem Kind dem Tod und dem Trauern zu nähern.
Tipps erleichtern die Gespräche
Kleine Tippkästchen sollen den Erwachsenen den Umgang mit Kindern dabei erleichtern. So helfe etwa bei einem Gespräch, bei dem man ein Kind über einen Unfall oder einen Todesfall informieren muss, sich an die vier W zu halten: Was, Wann, Wie und Warum. Es sind auch Tipps darunter, die zum Nachdenken anregen: «Im Vordergrund der Trauerbewältigung sollte nicht die eigene Traurigkeit stehen, sondern das, worum man trauert.»

Weil Kinder auch an Fakten grosses Interesse zeigen, kommen diese ebenfalls nicht zu kurz. So erfährt man, dass das älteste Lebewesen ein Schwamm in der Arktis ist, der bis zu 10’000 Jahre alt werden kann. Oder dass ein toter Körper bald nach dem Tod einen süss-säuerlichen Geruch entwickelt, um Aasfresser den Weg zu weisen – weshalb man heute die Toten bis zur Bestattung in Kühlräumen aufbewahrt. Auch der Blick in andere Kulturen offenbart Spannendes: So stellen etwa türkische Familien die Schuhe der verstorbenen Person für Bedürftige vor die Haustüre. Im Himalaya wiederum legt man die Toten unter den freien Himmel, weil Holz für ein Feuer oft zu knapp ist oder fehlt. Die aasfressenden Tiere sollen die Seele der Verstorbenen ins nächste Leben tragen. Ein Bild, das für uns in Europa vielleicht gemischte Gefühle hervorruft – aber auch das Verständnis fördert, dass es beim Umgang mit dem Tod nicht nur Schwarz und Weiss gibt.
Eric Wrede und Emily Claire Völker: «Wenn wir ins Gras beissen – Das Buch vom Tod für grosse und kleine Menschen», EMF Verlag, CHF ca. 26.–
Ein zweites, humorvolles Kinderbuch zum Tod

© Hanser Verlag
Kann man ein Kinderbuch über den Tod machen, das auch lustig ist? Für die Norwegerin Anna Fiske ist klar: und ob! Die 60-jährige Autorin und Illustratorin hat sich mit Werken einen Namen gemacht, die etwas gewagter und frecher daherkommen als andere Kinderbücher. Zwei ihrer früheren Veröffentlichungen hiessen etwa «Alle haben einen Po» oder «Wie macht man eigentlich ein Baby?». Im neusten widmet sie sich dem Tod. Es heisst: «Wie spricht man eigentlich über den Tod?» Es ist eine wilde, temporeiche Fahrt mit unzähligen Illustrationen, Fakten und Einordnungen zum Tod. Das ist einerseits ein wenig ermüdend beim Lesen, andererseits aber auch ein unterhaltsames Vergnügen, dem jedoch die leisen, feinen Töne nicht abgehen. Die Zeichnungen sind manchmal sehr lustig, dann aber auf der nächsten Seite auch ernst und berührend. Fiske mag es unkonventionell, lässt auch zu, dass jemand von einem herabfallenden Pflanzentopf erschlagen wird, oder stellt dem erstaunten Menschen, der sagt, dass er in sich Organe habe, einen Kaktus gegenüber, der entgegnet: «Ich habe keine Organe!» Ein liebevolles, erfrischendes Buch. (fro)
Anna Fiske: «Wie spricht man eigentlich über den Tod?», Hanser Verlag, CHF ca. 27.–. Hier gehts zur Leseprobe.
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