Die strahlenden Himmelskörper haben sich im Verlauf der Zeit auch auf der Erde etabliert – als Sinnbild für alles Mögliche.
Text: Ruth Brüderlin
«Der Weltraum, unendliche Weiten», so beginnt das Intro der Kult-Fernsehserie «Raumschiff Enterprise» aus den 1960er- und 70er-Jahren. Es war die Blütezeit der Raumfahrt, und nie vorher waren Menschen den Sternen näher. Dabei weiss jedes Kind, dass bereits «Der kleine Prinz» von einem Stern zum nächsten reisen konnte. Oder wohl eher von einem Planeten zum anderen. Denn Sterne leuchten von selbst, Planeten nur, wenn sie von einem Stern angestrahlt werden. Im Sprachgebrauch hat sich «Stern» aber für beide eingebürgert. Von blossem Auge ist der Unterschied sowieso nicht zu sehen, und Verliebten auf der Erde ist die Differenzierung egal. Sie schmachten ihren Augenstern an und versprechen, ihm oder ihr die Sterne vom Himmel zu holen.
Sterne erstrahlen in unzähligen Gedichten und existieren im musikalischen Genre geradezu inflationär. Ob als Volkslied «Weisst du, wie viel Sternlein stehen» oder Schlager wie Katja Ebsteins «Stern von Mykonos» über DJ Ötzis «Ein Stern, der deinen Namen trägt» bis zu «A Sky Full of Stars» der britischen Band Coldplay.
Sterne werden gerne in Schimpftiraden herangezogen («Sterneföifi nomal!»), sie bezeichnen Betrunkene («sternhagelvoll») und Automarken mit Sinn für Prestige («Mercedes») oder Praktisches: In Japan beschreibt «Subaru» den Sternhaufen der Plejaden. Wir sehen Sterne, wenn wir den Kopf am offenen Küchentürli stossen, das so ein «Sternstubel» wieder offen gelassen hat, essen zu Weihnachten Zimtstern-Guetzli und erleben Sternstunden auf der Snowboardpiste in der Outdoorbekleidung der Marke Zimtstern.
«In vielen Kulturen ist der Stern ein Symbol für gutes Gelingen.»
Vor Sternen gibt es kein Entrinnen. Nur schon, weil wir selber welche sind. Der Mensch besteht aus Sternenstaub. Konkret aus 63 Prozent Sauerstoff, den einst eine Supernova ins All spuckte, Kohlenstoff von kleineren Sternen sowie Wasserstoff, der laut Astrophysikern direkt auf den Urknall zurückgeht. Das könnte erklären, warum der Mensch von heute begeistert an Sternwanderungen teilnimmt oder sich mit allerlei fahrbaren Untersätzen auf Sternfahrten begibt.
Der Stern als Symbol ist grundsätzlich positiv besetzt. Primär wohl, weil man dunkle Sterne schlicht nicht sieht. Was wir am Himmelszelt aber sehen, strahlt hell und erhaben. Darum ist der Stern in vielen Kulturen von alters her ein Symbol für gutes Gelingen: Ein Unterfangen möge unter einem guten Stern stehen. Die griechische Mythologie wies dem himmlischen Sternenmeer sogar eine eigene Göttin zu: Asteria. Daraus leiten sich Wörter wie Asterix (der Gallier) oder Asteroide ab. Bis zur Erfindung des Sextanten mussten Seeleute anhand der Sterne navigieren, und sie waren oft das einzige Licht in dunkler Nacht.
Seit der Antike hält sich der Glaube, der Stern halte böse Mächte fern. Als fünfzackiges Pentagramm bekam er im europäischen Volksglauben eine wichtige Bedeutung als Schutzsymbol, in der Zentralschweiz haben viele alte Häuser ein Pentagramm im Türrahmen eingeritzt, das Blitz, Krankheit und den Teufel fernhalten soll.
Sterne stehen in der Bibel, im Koran und im Duden, Asterisk genannt. Als Anmerkungszeichen in einem Text weist ein kleines Sternchen auf Erläuterungen und Quellenangaben hin.
Besonders hell leuchten einige Stars unter den Sternen: die Venus als Morgen- und Abendstern, der rot schimmernde Mars und die Sternbilder kleiner und grosser Bär. Im Winterhalbjahr taucht jeweils Orion am Firmament auf. Er ist gut erkennbar an den drei Sternen, die seinen Gürtel darstellen: zwei grosse und leicht versetzt ein kleinerer. Es gibt sogar die Hypothese, dass der Gürtel des Orions Vorbild war für die Ausrichtung der drei Pyramiden von Gizeh.
Nicht vergessen dürfen wir die Sternenkinder. Das sind Bébés, die noch im Mutterleib oder kurz nach der Geburt sterben. Von ihnen heisst es, dass sie wie der kleine Prinz als Sternchen am Himmel leuchten, um jenen Trost zu spenden, die auf der Erde traurig sind.
Sterne im Gesicht, auf Fahnen, in Bewertungssystemen, manchmal fünf-, dann wieder sechszackig – so vielseitig ihr Einsatzgebiet, so unterschiedlich ist ihre Bedeutung.
… IN DER HOTELLERIE
Die offizielle Skala hört bei 5 Sternen auf. Mehr Sterne verleihen sich die Hotels selbst. So das berühmte «7-Sterne-Haus» Burj Al Arab in Dubai. Eine Übernachtung ist zwar schon ab etwa 1200 Franken zu haben. Schnell ins Geld gehen jedoch die Extras, zum Beispiel wenn die Gäste mit dem hauseigenen Rolls-Royce oder dem Helikopter am Flughafen abgeholt werden wollen.
… DER DAVIDSTERN
Seit etwa 700 Jahren verwenden Jüdinnen und Juden weltweit den sechseckigen Stern als Symbol ihres Glaubens. Je nach Quelle stehen die Spitzen für die 6 jüdischen Stämme aus dem Alten Testament. Andere sagen, die beiden übereinanderliegenden Dreiecke stünden für Gott und für die Menschen – und symbolisieren als Kombination die Verbindung von beiden.
… ALS BEIZ
Laut dem elektronischen Telefonbuch Telsearch.ch gibt es in der Schweiz 231 Restaurants, die «Sternen» heissen. Selbst in der kleinen Ortschaft Sternenberg im Zürcher Tösstal steht ein «Sternen». Damit ist er nach «Post» bzw. «Pöstli» mit 454 Einträgen der zweithäufigste Restaurantname in der Schweiz und schlägt «Rössli», «Löwen» und «Bären» deutlich.
… ALS BELIEBTER KÖRPERSCHMUCK
Sterne stehen hoch im Kurs als Körperschmuck. Traditionell dürfen sich in russischen Gefängnissen nur Leitwölfe der Mafia mit Sternen auf den Schultern schmücken. Westliche Frauen lieben kleine Sternchen hinter dem Ohr, am Hand- oder Fussgelenk. Pech hatte 2009 eine 18-jährige Belgierin. Der Tätowierer verzierte ihr Gesicht mit 52 Sternchen. Sie habe nur drei gewollt, aber sei eingeschlafen, beteuerte sie. Das stimme nicht, widersprach der Tätowierer. Er übernahm trotzdem die Kosten für das Weglasern des Sternenmeers, um seinen Ruf zu retten. Der Fall hatte weltweit für Schlagzeilen gesorgt.
… KRIEG DER GOOGLE-STERNE
Zufrieden mit Essen, Service, Preis und Freundlichkeit des Personals? Gute Google-Kritiken sind für viele Betriebe überlebenswichtig. Dennoch gibt es Gäste, die in jeder Suppe irgendein Haar finden. Zuweilen ist jedoch auch die Replik der Wirtsleute auf Kritik nicht angebracht. Zum Glück sind die meisten Gäste schlau genug, um sich anhand der Wortwahl hüben und drüben selbst ein Bild zu machen.
… AUF FAHNEN UND FLAGGEN
Das Sternenbanner der USA zieren 50 Sterne. Einen für jeden Bundesstaat. Auf Chinas roter Flagge prangt ein grosser Stern für die Partei und vier kleine für die Klassen des Volkes, nämlich Arbeiter, Kleinbürger, Bauern und patriotische Kapitalisten. Der Stern als Emblem islamischer Staaten geht auf die osmanische Armee zurück und hat sich seit dem 19. Jahrhundert zum Symbol des sunnitischen Islams entwickelt. Die 13 Sterne im Wappen des Kantons Wallis hingegen stehen schlicht für die 13 Bezirke des Kantons, und der Kreis aus zwölf goldenen Sternen der Europaflagge ist Symbol für Einheit, Solidarität und Harmonie der europäischen Völker – unabhängig von der Zahl der Mitgliedsländer.
… AN WEIHNACHTEN
Was mit dem Ur-Weihnachtsstern von Bethlehem begann, entwickelte sich über die Jahrhunderte zum opulenten Sternenmeer, wie wir es heute kennen. Der Lichterzauber in Shoppingmeilen, an Gebäuden und Privathäusern erhellt die dunkelste Zeit des Jahres. Nach dem kürzesten Tag am 21. Dezember werden die Tage zaghaft wieder länger, und am Drei-Königs-Tag verglühen auch die letzten Weihnachtssterne.
… ALS NAME
Beliebt sind für Mädchen Stella (Latein) oder Estelle (Französisch). Aber auch Astrid (Schwedisch), Britney (Keltisch), Csilla (Ungarisch), Dara (Thailändisch), Dori (Persisch) und ja, Esther (Hebräisch) bedeuten Stern. Die bekanntesten Sternnamen für Buben sind Siro (Italienisch), Ilir (Albanisch), Tarik/Tariq (arabisch) oder Clint (Altenglisch).
… DIE ROTEN KREML-STERNE
Vor bald neunzig Jahren setzten die Bolschewiken fünfzackige, rote Sterne auf die Türme des Moskauer Kreml. Rot ist die Farbe der Revolution, und die fünf Zacken stehen für die Einheit des Proletariats auf allen fünf Kontinenten. Der Rote Stern war Namensgeber etlicher Sportvereine im ehemaligen Ostblock. Die bekannteste Vereiningung besteht bis heute: der Fussballclub Roter Stern Belgrad.
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