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Heilige Corona 15. März 2021

Zeitlupe-Redaktorin Usch Vollenwyder (69) erzählt seit Beginn der Corona-Krise jede Woche aus ihrem Alltag im bernischen Gürbetal. Heute: vom Kapellenweg, einem Kirchenbesuch und einem Storchenpaar. 

Usch Vollenwyder
Usch Vollenwyder,
Zeitlupe-Redaktorin

«Memento Mori» heisst das Dossier, das die Redaktion noch bis Ende März auf zeitlupe.ch präsentiert. Jeden Tag wird ein neuer Beitrag zu Sterben und Tod aufgeschaltet – von Online-Bestattungen über Filmtipps bis zu Ausstellungen und Beerdigungssongs. Ob ich meine Notizen in diesem Monat ebenfalls zum Thema schreiben würde? Ja, das kann ich.

Für einen Zeitlupe-Artikel erkunde ich mit meiner früheren Arbeitsfreundin den neu eröffneten Kapellenweg im Luzerner Seetal. Ausgangspunkt und erste der zehn Kirchen und Kapellen auf dem Weg ist das Kloster Baldegg, heute Stadtkirche, Kantonsschule und Klosterherberge. Vor dem Kircheneingang wartet das in der Zwischenzeit schon gewohnte Prozedere: Maske und Desinfektionsmittel statt Weihwasser. In den Kirchenbänken liegen Singbücher und Textblätter auf: «Gebet in der Zeit des Corona-Virus» lautet der Titel. 

Den persönlichen Gott meiner Kindheit habe ich längst hinter mir gelassen. Trotzdem beginne ich zu lesen: Für alle wird gebetet, für die Ärzte und Forscherinnen, die Pfleger und Politikerinnen. Für alle, die in Panik sind, materiellen Schaden erleiden, für die Einsamen, diejenigen in Quarantäne, für die Sterbenden. Die Fürbitten wenden sich an Josef, an Bruder Klaus, an Maria. Der Pestheilige Rochus und die Heilige Corona werden angefleht «…dass diese Epidemie abschwillt, dass die Zahlen zurückgehen und dass Normalität wieder einkehren kann.» 

Die Heilige Corona? Ich konsultiere das Handy: Nach katholischer Überlieferung ist sie die Patronin des Geldes, der Metzger und der Schatzsucher, laut ökumenischem Heiligenlexikon hilft sie gegen Seuchen und Unwetter. Wie immer, wenn wir auf einer Wanderung an einer Kirche vorbei kommen, zünden wir eine Kerze an: Diesmal für unsere Verstorbenen, für die mehr als neuntausend Corona-Toten in der Schweiz, für die über zweieinhalb Millionen weltweit. 

Die östliche Längsmauer der Kirche begrenzt den einstigen Friedhof des Klosters. 2010 wurde er umgestaltet, nachdem dort schon seit über dreissig Jahren keine Ordensschwestern mehr beerdigt wurden. Im Kreuzgang, der das frühere Gräberfeld umschliesst, stehen auf grossen Tafeln die Namen aller verstorbenen Schwestern bis 1976. Es sind viele. Sie waren als Krankenschwestern, Hebammen oder Lehrerinnen in Afrika und im fernen Osten tätig. Sie haben Krankheiten und Epidemien kennengelernt, längst bevor wir Corona begegneten. 

Als wir das Klostergelände verlassen, stupst mich meine frühere Arbeitsfreundin in die Seite: «Schau mal, auf dem Kirchturm!» Ein Storch zieht einen weiten Kreis durch die Luft und landet neben seinem Gefährten, der mit dem Nestbau beschäftigt ist. Zweige ragen über das flache Turmdach hinaus. Man hört lautes Klappern. Fasziniert schauen wir dem Storchenpaar zu – Frühlingsbote und Symbol für neues Leben


Beitrag vom 15.03.2021

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