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Digital abgehängt 6. November 2023

Die langjährige Zeitlupe-Redaktorin Usch Vollenwyder erzählt alle zwei Wochen aus ihrem Alltag im bernischen Gürbetal. Heute: vom vergeblichen Versuch, auf Airbnb ein Zimmer zu buchen. 

Usch Vollenwyder
© Jessica Prinz

Ich freue mich! Im Februar findet ein Singwochenende auf der Musikinsel Rheinau statt. Unser Chor probt zusammen mit einem Innerschweizer Chor für die Aufführung von Händels Messias. Über hundert Sängerinnen und Sänger unter der Leitung unseres kompetenten Dirigenten – es wird ein grossartiges Musikerlebnis sein! Für die Übernachtung brauche ich mich nicht anzumelden. Unsere Tochter wohnt in der Nähe und ich werde mich bei ihr einquartierten. Doch dann zieht die Tochter um, die Zimmer auf der Rheinau sind bereits alle ausgebucht, und ich stehe ohne Übernachtungsmöglichkeit da. Versuchs doch auf AirBnB, rät mir ein Chormitglied. 

Was für eine gute Idee! Ich gehe auf die Plattform von Airbnb.ch – mit Sitz in Irland –, gebe Rheinau ein und werde sofort fündig: Ein charmantes Zimmer bei «Superhost» Beatrice. Über die Plattform nehme ich mit der Gastgeberin Kontakt auf, und umgehend schreibt sie mir, ihre Unterkunft sei nur wenige Gehminuten von der Musikinsel entfernt. Ich fühle mich als Glückspilz und will das Zimmer gleich buchen. Dafür muss ich mich zunächst bei Airbnb registrieren. In den nächsten paar Minuten klappt alles reibungslos. Ich gebe meine Daten ein, samt Kreditkartennummer und Personalausweis, Vorder- und Rückseite. Doch dann scheitere ich am Hochladen eines Live-Fotos via Webcam. 

Zwar kann ich die Webcam einschalten und sehe mich mir aus dem Bildschirm entgegenlächeln – doch wie schaffe ich den Zugriff von der Airbnb-Plattform aus direkt auf die Kamera? Ich wähle den Helpdesk an und schildere mein Anliegen. Ein freundlicher Daniel gibt Auskunft und bestätigt, was ich auch schon weiss: Es gäbe ein Problem mit der Verifizierung meiner Identität. Die nächste halbe Stunde, resp. anderthalb ausgedruckte Seiten lang, verstehe ich nur Bahnhof. Nachdem ich mich siebenmal entschuldigt habe, ich sei halt eine PC-Banausin, meldet sich eine weitere «Community-Expertin» und schreibt: «Das tut mir leid. Können sie das Live-Foto nicht mittels der App und einem Smartphone machen?» Ich kann es nicht.

Noch einmal eine halbe Stunde später bekomme ich die Aufforderung, meine aktuelle Anfrage zurückzuziehen und im Anschluss den Prozess erneut zu starten. Ich klicke auf das entsprechende Kästchen klicke und muss bestätigen, dass ich kein Roboter bin. Dazu ploppt ein kleines Fenster auf, darauf ist ein Labyrinth mit einer Ratte und Käsestückchen zu sehen, die ich einer bestimmten Zahl zuordnen sollte. Nach zwei vergeblichen Versuchen schreibe ich: «Liebes Airbnb-Team, ich bin zweimal durch den Käsetest gerasselt. Ich kann die gelbe Mini-Ratte kaum von den gelben Mini-Käsestückchen unterscheiden. Es scheint, dass meine digitalen Kompetenzen Airbnb nicht gewachsen sind.» Die Antwort kommt sofort: «Das tut mir äusserst leid. Vielleicht haben sie ja jemanden, der ihnen hierbei behilflich sein kann?»

Ja, ich habe jemanden. Danke, meine liebe Redaktionsfreundin! Sie bucht mir in Minutenschnelle das Zimmer. Und ich muss damit fertigwerden, dass ich einen Vorgeschmack auf meine Zukunft bekommen habe: Ich bin abgehängt bereits in alltäglichen Dingen. Die Welt dreht sich ohne mich weiter.


  • Wie ergeht es Ihnen mit der digitalen Technik? Haben Sie ab und zu auch Probleme damit? Wir würden uns freuen, wenn Sie uns davon erzählen oder die Kolumne mit anderen teilen würden. Herzlichen Dank im Voraus.
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Beitrag vom 06.11.2023
  • Liebe Usch, DANKE für den Lachkrampf des Tages! Ich mag dieses Roboter-Gedudel auch nicht und wenn technische Sachen nicht funktionieren, obwohl sie das eigentlich sollten, ist das meist nicht die Schuld des Users. Fürchtete schon, das Zimmer sei in der Zwischenzeit anderweitig vermietet worden. Mein Frisör sagte immer: Spitex beginnt beim Brauenzupfen, aber letzteres ist nichts im Vergleich zum digitalen Chaos. Ich hätte mich in so einem Fall eventuell an meine 7jährige Grossnichte gewandt. Die Kiddies sind ja heute unglaublich digital unterwegs. Jedenfalls kenne ich Dein Problem… meins ist, wie man sagt, «fototypähnlich», kann es aber grad nicht raufladen 🤣. Herzliche Grüsse 💝 Annemarie

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