Was das neue Jahr mit sich bringt, ist ungewiss. Eines aber steht fest: 2023 werden uns zuhauf Begriffe begegnen, die schwer zu verstehen sind: Wokeness, Smash, Gamification, Digitaler Detox. Wir erklären, was damit gemeint ist.
Diversity
«Mensch ist Mensch», bilanzierte der deutsche Musiker Herbert Grönemeyer vor 18 Jahren. Er forderte auf seinem damaligen Hit-Album eine Haltung ein, auf die auch das Modewort «diversity» abzielt: Wertschätzung und Respekt gegenüber anderen, unbesehen ihres Geschlechts und ihrer sozialen und ethnischen Herkunft und egal, ob Menschen alt oder jung, dick oder dünn, katholisch oder jüdisch, hetero- oder homosexuell sind. «Diversity» ist sozusagen eine Liebeserklärung an die Vielfalt der Gesellschaft. (rog)
Influencer
Das Wort leitet sich von «to influence» (beeinflussen) ab und bezeichnet Personen, die in sozialen Medien viele Followers haben – Personen also, die einer Nutzerin oder einem Nutzer folgen. Diese Reichweite nutzen sie, um bestimmte Produkte oder Lebensstile populär zu machen. Auch wenn das Wort erst vor gut zwei Jahren Einzug in den Duden fand: Die Sternstunde des Influencertums liegt bereits etwa 15 Jahre zurück. Seither wird das Berufsbild immer beliebter und befindet sich ganz oben auf der Berufswunschliste junger Menschen. Mittlerweile gibt es sogar Ausbildungen und Studiengänge dafür. (jpr)
Wasserstoff
Gehört Wasserstoff die Zukunft? Als Treibstoff, Energie- oder Stromlieferant? Eine Antwort darauf lässt sich aktuell nicht voraussagen. Das Potenzial zur klimafreundlichen Energiequelle ist gross, aber: Stand heute wird das chemische Element vor allem mithilfe nichterneuerbarer Energien gewonnen. Bei ersten Automodellen ermöglicht Wasserstoff zwar eine grosse Reichweite, benötigt dafür aber derzeit doppelt so viel Energie wie der Akku eines Elektroautos. Bemerkenswert: Flugzeughersteller Airbus will bis 2035 einen wasserstoffbetriebenen Passagierflieger bauen. (fro)
Smash
Der Begriff wurde unlängst zum «Jugendwort des Jahres 2022» gewählt. Übersetzt man Smash ins Deutsche, heisst es so viel wie «zerschlagen» oder «zerschmettern» – den Tennis-Fans bestens bekannt, wenn ein hoher Flugball ins gegnerische Feld «gesmasht» wird. Die Jugendlichen benutzen das Wort aber anders: wenn sie «jemanden abschleppen». Der Ausdruck lässt sich als Adjektiv, Verb oder auch als Nomen verwenden. (mdb/ls)
LGBT+
Die Buchstabenreihe lässt vermuten, dass ein Erstklässler das ABC durcheinandergebracht hat. Doch weit gefehlt: Dahinter verbirgt sich eine weltweite Bewegung, die sich für die Akzeptanz sexueller Minderheiten engagiert – und sich gegen deren Diskriminierung einsetzt. Sie wurde von lesbischen, schwulen, bisexuellen und Transgender-Menschen begründet – darauf verweisen die einzelnen Buchstaben, die aus dem Englischen stammen. L steht für Lesbian (lesbisch), G für Gay (schwul), B für bisexual (bisexuell) und T für Transgender (transsexuell). In der Zwischenzeit haben sich zahlreiche andere Gruppierungen dazugesellt, darauf verweist das Pluszeichen. Der Schulterschluss ist so bunt wie die Regenbogenfahne, die für die Anliegen der LGBT+-Gemeinschaft steht. (rog)
Quiet Quitting
Dieser Begriff bedeutet so viel wie «stille Kündigung», was man einst als «innere Emigration» bezeichnete. Damit wird das Phänomen beschrieben, dass sich Arbeitstätige für den Arbeitgeber nicht länger aufreiben und ihre Leistung auf ein Minimum beschränken, ohne dass sie riskieren, gekündigt zu werden. Mittlerweile wird «Quiet Quitting» auch auf Beziehungen und Freundschaften übertragen. Das bedeutet: Es wird kaum mehr Energie ins Miteinander investiert, dieses wird dem Lauf der Zeit überlassen. (jpr)
Lostalgie
Die Welt ist nicht erst seit dem Einzug des Internets komplexer geworden. Vieles hängt zusammen – und erschwert ein Urteil. Das Resultat: Man fühlt sich schnell verloren, sprich «lost», sehnt sich nach einfacheren, früheren Zeiten zurück (aber lieber nicht zu weit!). Im schlimmsten Fall verweigert man sich dem Heute. Das deutsche Zukunftsinstitut hat für diese Gefahr ein Wortspiel kreiert: Lostalgie. (fro)
Klimaneutralität
Zyniker behaupten: Nur ein toter Mensch ist klimaneutral. Denn allein schon durchs Atmen stossen wir das für die Erde schädliche CO2 aus. Hinzu kommt u. a. unser verheerender Mobilitäts- und Konsumdrang. Klimaneutralität heisst, die verursachten Treibhausgase aktiv auszugleichen – mit Kohlenstoffbindung. Etwa durch den Schutz oder Ausbau von Wäldern und natürlichen Böden. Aber auch durch klimaschonendes Handeln. Die EU hat per Gesetz beschlossen, bis 2050 der erste klimaneutrale Kontinent zu werden. (fro)
Digitaler Detox
Ihnen ist aufgefallen, dass Menschen zu viel Zeit am Handy verbringen? Dieser Ansicht sind auch andere. Deswegen wurde ausgerechnet im Zentrum der digitalen Welt, im amerikanischen Silicon Valley, Digital Detox (digitale Entgiftung) erfunden. Dabei verzichtet man für kürzere oder längere Zeit auf Internet, Smartphone und andere digitale Gerätschaften. Die «Entzugskur» ist vielseitig. Man kann bei Yoga auf Bali zum handy losen Leben zurückfinden oder sich in einer Alphütte vom Internet lösen. Was der digitale Detox allerdings fast immer beinhaltet: Man macht seine Gefolgschaft auf Facebook, Instagram und Co. mit Pauken und Trompeten darauf aufmerksam, dass man sie für ein paar Tage nicht auf sich aufmerksam machen wird. (jpr)
Manpliments
Wer testen will, ob ein Mann einen Sinn für Ironie hat, fragt ihn am besten: «Kannst du mir erklären, was Mansplaining heisst?» Das englische Wortspiel beschreibt den männlichen Drang, Frauen die Welt erklären zu müssen. Auf Deutsch gibt es die treffende Übersetzung «Herrklären». Damit nicht genug: Nach «Manspreading» – ein Begriff dafür, dass Männer gerne breitbeinig dasitzen und damit auf vulgäre Art zu viel Platz einnehmen – folgt nun die nächste entlarvende Bezeichnung: «Manpliments». Damit sind männliche «Komplimente» an Frauen gemeint, die chauvinistisch sind: «Toll eingeparkt!», «Du kannst ja gut mit dem Hammer umgehen» oder, auch beliebt: «Du bist aber stark!» (fro)
Wokeness
Klar. Wir alle sollten hellwach sein, damit wir Menschen anderer Kulturen oder Herkunft nicht diskriminieren – und mögliche Diskriminierungen und Ungerechtigkeiten erst überhaupt erkennen. Die «Woke»-Bewegung will uns zur entsprechenden Achtsamkeit anhalten. «Woke» ist die Vergangenheitsform des englischen Verbs «to wake» (aufwachen). Die US-Bürgerrechtsbewegung der Sechzigerjahre machte den Ausdruck erstmals populär, mittlerweile wird er weltweit eingesetzt. Wo aber exakt die Grenzen zur Diskriminierung verlaufen, ist umstritten. Manche sehen es bereits als Verstoss, wenn Ur-Schweizerinnen und Ur-Schweizer Winnetou-Filme schauen oder Japanern generell mathematisches Geschick zusprechen. Das scheint uns etwas weit gegriffen. (rog)
Planted Chicken
Poulets und andere Fleischsorten, die damit gemeint sind, stammen aus dem Labor. Hergestellt werden sie aus Erbsen (genauer aus deren Protein und Fasern), Sonnenblumenöl und Wasser. Mittlerweile bietet der Handel Fleischalternativen in unterschiedlichsten Formen an: ob als Hühnchen, Hamburger, Bratlinge, Pulled Pork (gezupftes Schweinefleisch), Chicken Nuggets oder Lachs (aus Karotten!). Diese sehen nicht nur echt aus wie Originale, sondern schmecken oft ähnlich gut – überdies sind die Vegi-Produkte viel nachhaltiger als Fleisch. (jpr)
UHD
UHD steht weder für eine Partei noch für ein Virus, sondern für den wahr ewordenen Traum von Film- und TV-Fans. UHD bedeutet ausgedeutscht eine «ultrahohe Auflösung» für Videoinhalte, auch «4K» genannt (ein fast identisches Format aus der Kinobranche). Die Auflösung ist im Vergleich zum gängigen HD-Format viermal grösser. UHD wird heute von fast allen neuen Fernsehern, aber auch von vielen Smartphonekameras unterstützt. Streamingdienste wie Netflix oder Disney+ haben bereits eine grosse Auswahl an UHD-Titeln. SRF prüft die Möglichkeit, ab 2024 einzelne Inhalte in UHD anzubieten. (fro)
Hate Speech
Im Schutz der Anonymität, die online vermeintlich gegeben ist, vergessen manche Leute ihren Anstand – und sich selbst. Personen und Gruppen werden auf Grund ihrer Tätigkeit, Religion, Hautfarbe, sexuellen Orientierung oder ihres Aussehens aufs Schärfste angegriffen und manchmal mit dem Tod bedroht. Solche Verstösse nennt man Hate Speech, Hassrede. Organisationen wie Netzcourage haben der Online-Hetze den Kampf angesagt und vor Gericht schon manchen Erfolg errungen. (mdb)
Slow-Fashion
Kann Mode langsam, also slow sein? Durchaus. Denn die Modeindustrie hat das Tempo dermassen verschärft, dass eine Entschleunigung dringend nötig ist. Sie produziert weltweit 150 Milliarden Kleidungsstücke, ein beachtlicher Teil davon wird fabrikneu vernichtet (in Deutschland sind es jährlich 230 Millionen Kleidungsstücke). Die Produktionskosten sollen möglichst niedrig sein, die Arbeitsbedingungen für Näherinnen und Färber sind oft miserabel. Slow-Fashion will diesem Trend Gegensteuer geben. Der Begriff wurde vor 15 Jahren von Kate Fletcher geprägt, einer britischen Professorin für Nachhaltigkeit und Mode. Ihre Idee: Die Produktion von Kleidung soll ökologischer, nachhaltiger und sozial gerechter werden. Zahlreiche Marken verschreiben sich diesen Ansprüchen. (rog)
Gamification
Darin ist das englische Wort für Spiel (game) versteckt. Der Begriff Gamification wird benutzt, wenn komplexe Themen und Inhalte einfacher, eben spielerischer, zugänglich gemacht werden sollen. Dabei kommen Elemente aus Brett- und Videospielen zum Einsatz – Punkte sammeln, Ranglisten oder auch Team-Arbeiten –, welche die Motivation erhöhen, sich mit sperrigen Themen auseinanderzusetzen und vor allem dranzubleiben. (mdb)
Kreislaufwirtschaft
Viele Produkte werden am Ende ihrer Nutzdauer zu Abfall, der zu Sondermüll oder verbrannt wird. Die Einführung von Recycling war ein erster Schritt, diese Verschwendung zu minimieren. Die Kreislaufwirtschaft ist die Vollendung dieses Bestrebens – steckt jedoch noch immer in ihren Anfängen. Ihr Ziel: Rohstoffe sollen effizient und längstmöglich genutzt werden –bis zum Kreislauf, der kaum mehr Abfälle hinterlässt. Oder dann kompostierbare. Dieses Produktionsprinzip wird auch «Cradle to Cradle» genannt, also von der Wiege zur Wiege. Ein biologischer statt technischer Kreislauf. (fro)
Metaverse
Dieses Wort ist in aller Munde. Doch das Metaverse lässt sich nicht so einfach bauen, wie es Facebook-Gründer und Metaverse-Fan Mark Zuckerberg gerne hätte. Es ist mehr ein Konzept für eine digitale Parallelwelt, in der jeder Mensch über einen Avatar, einen virtuellen Stellvertreter, verfügen wird. Dadurch können wir darin in verschiedensten Funktionen und Formen präsent sein: uns schick gekleidet zu einer Geschäftssitzung einloggen und uns danach mit neongrünen Haaren auf einer Online-Party tummeln. Und, und, und … Der Fantasie sind keine Grenzen gesetzt. (mdb)
Gendergerechte Sprache
Die Vorstellung, dass es nur ein weibliches und ein männliches Geschlecht gibt, gilt gemeinhin als veraltet. Jüngere Generationen sind der Meinung, dass es zwischen «Männchen» und «Weibchen» viele andere Geschlechter gibt, die sich bisweilen nur bedingt kategorisieren lassen. Menschen, die sich beispielsweise als nonbinär verstehen, möchten weder als Frau noch als Mann bezeichnet (und folglich nicht mit den Pronomen «sie» oder «er» angesprochen) werden. Deshalb wird mündlich oft auf Pronomen verzichtet und stattdessen der Name der Person verwendet. In der geschriebenen Sprache wiederum nutzt man aus Respekt den Genderstern (bspw. Lehrer*in), um alle Geschlechter abzubilden. Manche sehen den Stern als Verhunzung der deutschen Sprache und weigern sich vehement, diesen zu verwenden. Andere erachten das Zeichen als Notwendigkeit, um das sich wandelnde Bild unserer Gesellschaft sprachlich abzubilden. (jpr)
Virtual und Augmented Reality
Dabei handelt es sich um zwei Technologien, mit denen sich alternative Realitäten (siehe Metaverse) gestalten lassen. Die Voraussetzung dafür sind hohe Rechenleistungen der Computer. Für die Virtual Reality stülpt man sich eine Art Taucherbrille und Kopfhörer über, die mit einem Computer verbunden sind, und taucht so in komplett computergeschaffene Welten ein. Gegenüber der realen Aussenwelt ist man blind und taub. Bei der Augmented Reality werden über ein Handy, eine Brille oder ein anderes Bildschirmmedium Informationen – Bilder, Messwerte, Figuren – eingeblendet und als Zusatzinformationen über die reale Welt gelegt. (mdb
Ghosten
Stahl sich einst jemand ohne Verabschiedung davon, bezeichnete man dieses (Fehl-)Verhalten als französischen Abgang. In der modernen Welt spricht man von «Ghosting». Der Begriff leitet sich von «ghost» (Geist, Gespenst) ab. Er bezeichnet, wenn sich eine Person abrupt von uns abwendet und den Kontakt ganz abbricht, also unsichtbar wird wie ein Gespenst. Vermeintliche Freundinnen und Freunde sind in der Folge per Telefon, E-Mail- oder WhatsApp-Nachrichten nicht länger erreichbar. Der Rest ist Schweigen. Besonders häufig tritt dieses Phänomen bei Internet-Bekanntschaften auf – insbesondere auf sogenannten Dating-Portalen, den digitalen Plattformen des Anbandelns. Wie eine Studie 2021 ergab, wurde dort jeder dritte Online-Nutzer, jede dritte Online-Nutzerin mindestens schon einmal «geghostet». (rog
Accessibility
Der Zugang zu digitalen Medien, aber auch zu sonstigen Bereichen der realen Welt, wird immer wichtiger und sollte allen Menschen gleichermassen möglich sein. In der Schweiz leben gemäss Bundesamt für Statistik über 1,5 Millionen Menschen mit einer Form von Einschränkung. Neuste Technologien erlauben es beispielsweise sehbehinderten Menschen, sich Texte vorlesen zu lassen. Wer gewisse Geräte wie das Handy oder den Computer manuell nicht mehr bedienen kann, kann ihnen mündliche Befehle erteilen. Wer schwerhörig ist, kann bei Videos und Filmbeiträgen Untertitel (sogenannte Closed Captions) zuschalten. Diese Accessibility-Angebote tragen zur Lebensqualität bei. (mdb)
Gendersprache, Antirassismus-Regeln, all die neuen Apps und Geräte – wer kommt da noch mit? Wir auch nicht (immer). Doch das ist gar nicht so schlimm. Hauptsache, wir bleiben trotzdem offen und neugierig.
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