Wie der Vater, so der Sohn? Die familiäre Beziehung ist geprägt von Nähe, Abgrenzung und Verbundenheit. Wir beleuchten sie am Beispiel von drei Vätern und ihren Söhnen – und mit einem Psychologen, der den gesellschaftlichen Wandel einordnet.
Dass Väter von Geburt an eine emotionale Bindung zu ihren Kindern aufbauen, war bis vor wenigen Jahrzehnten die Ausnahme. Dies beeinflusse Vater-Sohn-Beziehungen bis heute, sagt Markus Theunert, Psychologe, Publizist und Leiter von männer.ch, dem Dachverband der Schweizer Männer- und Väterorganisationen.
Was hat sich in der Vater-Sohn-Beziehung gesellschaftlich am stärksten verändert? Die Idee, dass Väter eine emotionale Bindung und Beziehung zu ihren Kindern aufbauen, ist relativ neu. Noch bis vor etwa 50 Jahren galten Väter als Statthalter von Recht und Ordnung in der Familie. Eine emotionale Zuwendung auch schon im Säuglingsalter schien nicht notwendig. Der Vater brachte dem Sohn zwar Dinge bei, damit er in der Aussenwelt besteht, aber das war eher technisch gedacht. Viele ältere Männer erleben das im Rückblick als Versäumnis. Sie haben getan, was man damals für richtig hielt. Es kann jedoch helfen, sich mit seiner damaligen Rolle auseinanderzusetzen – und den Sohn zu fragen, was er vermisst hat.
Was, wenn dieser Austausch als Sohn ausbleibt Dann sollte man nicht im Kreislauf von Sehnsucht und Enttäuschung steckenbleiben, sondern tun, was in der eigenen Macht liegt. Man kann sich eine innere Vaterfigur schaffen. Dazu braucht es den realen Vater nicht. Das ist jedoch mit Arbeit verbunden. Professionelle Unterstützung kann helfen.
Was zeichnet einen guten Vater aus? Ein guter Vater ist verfügbar, verlässlich und verfügt im Minimum über die Basiskompetenzen, um sein Kind auch 24 Stunden allein betreuen zu können. Er ist im Alltag des Kindes präsent, geht auf die Bedürfnisse des Kindes ein und kann sie von den eigenen unterscheiden. Was wir zudem als Dachorganisation vermitteln: Junge Väter sollten nicht anstreben, Superdads zu sein. Gut genug reicht.
Und was kann ein erwachsener Sohn für seinen älteren Vater tun? Ihm etwas zumuten – auch offene Kritik, auf eine respektvolle Art. Damit nimmt er seinen Vater ernst und gibt ihm die Chance, zu wachsen. Zudem kann er ihm helfen, am Puls der Zeit zu bleiben und eine Brücke zur Gegenwart zu bilden.
Wo stehen wir heute bei der Vaterrolle? In einem Orientierungsvakuum. Der autoritäre Vater hat ausgedient, aber neue Leitbilder sind Mangelware. Die Vater-Kind-Beziehung ist nun mal per Definition eine hierarchische, intergenerationelle. Da ist es unpassend, Vaterschaft als eine Art Freundschaft zu denken. Auch der Versuch, sie als geschlechtsneutrale Elternschaft zu denken, ist für Väter nicht attraktiv. Sie haben das Bedürfnis nach einer unverwechselbaren Aufgabe, das stellen wir in unseren Geburtsvorbereitungskursen für Väter deutlich fest. Die Frage, was Väterlichkeit heute ausmacht, haben wir als Gesellschaft noch nicht beantwortet. Unser Impuls: Der Vater ist der Dritte im Bunde, der das Kind in seiner natürlichen Autonomiebewegung aus der Mutter-Kind-Symbiose unterstützt.
Markus Theunert ist der Leiter von männer.ch, dem Dachverband der Schweizer Männer- und Väterorganisationen.
Filmtipps
Hinweise auf drei sehenswerte Dokumentarfilme zum Thema Vater-Sohn-Beziehungen finden Sie auf zeitlupe.ch/vater-sohn-filme.
«Mein Sohn ist mein bester Freund»
Der 55-jährige Markus Back aus der deutschen Grenzstadt Bad Säckingen über seinen Sohn Thomas.
«Thomas war knapp fünf Jahre alt, als meine Ehe zerbrach. Keine Beziehung sollte fortan wichtiger sein als unsere. Ob Schwimmbad, Playmobil, später Playstation: Wir haben viel unternommen an den gemeinsamen Wochenenden. Später, als er bei mir wohnte, teilten wir denselben Geschmack bei Fernsehserien. Wir sind beide sportlich und probieren gerne technische Neuheiten aus. Dieses Interesse, aber auch ein ähnlicher Sinn für Humor, verbindet uns. Wir haben ein sehr offenes Verhältnis.
«Durch meinen Sohn wurde ich zu einem besseren Menschen.»
Seit er aus unserer WG in seine eigene Wohnung gezogen ist, hat er sich enorm entwickelt. Er putzt weit vorbildlicher als ich! Mit seiner Unpünktlichkeit habe ich mich abgefunden. Was mir manchmal noch schwer fällt: Ihn loszulassen und darauf zu vertrauen, dass es das Leben gut mit ihm meint.it
Ich bin eher verschlossen und meide Anlässe. Thomas ist ähnlich. Vielleicht kommen wir auch deshalb so gut miteinander aus. Er weiss genau, wann er mich in Ruhe lassen muss. Er ist auch mein bester Freund. Er akzeptiert mich so, wie ich bin, und hat mich auch schon stolz in seiner Stammbar seinen Freunden vorgestellt. Thomas ist sehr freundlich und zuvorkommend. Ich schätze auch seine ruhige Art. Während ich in meiner Jugend auf-brausend und impulsiv war, ist er ausgeglichen – obwohl er genauso viel grübelt wie ich damals – und mich damit runterzog. Er hingegen zerbricht sich dabei nicht den Kopf. Durch ihn wurde ich ausbalancierter und zu einem besseren Menschen.»
«Er hat sich viel Zeit für mich genommen»
Der 30-jährige Thomas Back aus Bad Säckingen über seinen Vater Markus
«Weil ich als Kind bei meiner Mutter wohnte, erhielt die gemeinsame Zeit mit meinem Vater eine andere Qualität. Sie war etwas Besonderes. Nicht nur deshalb, weil wir zusammen tolle Dinge unternahmen, sondern auch, weil er sich viel Zeit für mich genommen hat. Ich war es nicht gewohnt, dass man sich so intensiv mit mir beschäftigt. Das hat mir gutgetan und mich sicherlich auch geprägt. Daraus ist ein freundschaftliches Verhältnis entstanden.
«Mein Vater ist mein Freund, bei dem ich so sein kann, wie ich bin.»
Ich würde es nicht anders haben wollen. Mein Vater ist auch mein Freund, bei dem ich so sein kann, wie ich bin. Ich schätze es sehr, dass er offen und nie voreingenommen ist. Und dass er sich nie von mir abgewendet hat, auch wenn ich ihn mitunter gestresst habe. Insbesondere in meiner draufgängerischen Teenagerzeit ging es manchmal heiss zu und her, doch wir konnten immealles besprechen und fanden wieder zueinander.
Mein Vater ist ehrgeizig und erreicht seine Ziele. Ich nehme alles so, wie es kommt. Meine Devise: Viele Wege führen zum Ziel. Wie er mir half, mich für einen Studienplatz als Elektriker für Energie- und Gebäudetechnik zu bewerben, war schon cool. Auch wenn er manchmal etwas viel plaudert und zum Stubenhocker geworden ist: Wir sind uns nicht nur äusserlich ähnlich. Wenn wir Spass haben, geraten wir in eine Art Flowzustand. Wenn er sich jedoch mal wieder unnötig über eine Kleinigkeit aufregt, denke ich: ‹Chill mal, Alter!›»
«Auf Andreas konnte ich mich immer verlassen »
Der 85-jährige Pedro Künzler aus Ehrendingen AG über seinen Sohn Andreas
«Andreas hat mich nie enttäuscht. Dafür bin ich ihm ebenso dankbar wie dafür, dass ich mich immer auf ihn verlassen konnte. Er ist hilfsbereit, zuvorkommend und rücksichtsvoll. Schon als Kind war er früh selbstständig, hat sich nie unterkriegen lassen und wusste genau, was er will. Er war in allem konsequent – bis heute. Ich bewundere ihn für seinen Willen und seinen sportlichen Ehrgeiz. Im Tennis konnten wir früher bei manchem Vater-Sohn-Turnier – ja, das gab es damals noch! – Gegner schlagen, die uns spielerisch überlegen waren. Unsere Siege verdankten wir Andys Talent und seinen starken Nerven.
«Mein Sohn und mich vereint ein starker Wille – mit all seinen Vor- und Nachteilen.»
Im Erfolg, sei es beim Spielen zu Hause oder mit guten Schulnoten, holte er sich schon als Bub mit viel Ehrgeiz eine Selbstsicherheit, an deren Ursprung vielleicht sein angeborener Herzfehler steht. Er war kleiner und dünner als Gleichaltrige, musste oft ins Spital. Als ihm mit sechs Jahren eine riskante Operation bevorstand, sagte er zu uns, es komme schon gut, wir müssten keine Angst haben.
Uns vereint ein starker Wille – mit all seinen Vor- und Nachteilen. Ehrlichkeit ist uns ebenso wichtig wie die christlichen Werte, nach denen wir leben. Mit meinem Alter und seinen eigenen Kindern hat sich unsere Beziehung etwas gewandelt. Wir sehen uns seltener, sind uns aber nicht weniger verbunden. Und gemeinsame Golfrunden liegen immer noch drin.»
«Pedro ist sparsam und äusserst grosszügig »
Der 57-jährige Andreas Künzler aus Baden AG über seinen Vater Pedro
«Mein Vater wuchs in Chile in einfachen Verhältnissen auf und kam für die Ausbildung in die Schweiz. Wenn er sich als Schüler etwas am Kiosk kaufen durfte, hat er seine Süssigkeiten immer geteilt – obwohl er damit der Einzige war. Pedro ist sich darin bis heute treu geblieben: Er lebt sparsam. Gegenüber Familie und Freunden jedoch ist er äusserst grosszügig. Eine Eigenschaft, die mich geprägt hat und die ich weiterzugeben versuche. Ebenso seine Hilfsbereitschaft, Zuverlässigkeit und Pünktlichkeit. Und ja, auch das Sparsamsein hat auf mich abgefärbt.
«Ich schätze die freundschaftliche Beziehung zu meinem Vater sehr.»
Er hat sich in meiner Kindheit immer viel Zeit für mich genommen, hat viel mit mir und meinem Bruder unternommen – oder mir Handwerkliches beigebracht, das mir heute nützlich ist. Ich schätze unsere freundschaftliche und respektvolle Beziehung sehr. Er war für mich immer ein Vorbild dabei, wie liebevoll er mit meiner Mutter umgegangen ist. Es ist schön, wie sie ihr Leben im Pensionsalter gemeinsam gestalten.
Ich bewundere meinen Vater dafür, wie er auf seine Gesundheit und Fitness achtet. Er spielt noch mit 85 Jahren Tennis! Auch eine gewisse südamerikanische Lockerheit und eine positive Grundeinstellung hat er sich bewahrt. Ehrgeizig ist er trotzdem – da erkenne ich mich auch in ihm wieder. Er war ein eher strenger, aber immer liebevoller und fairer Vater. Nachdem ich und meine Frau selbst drei Kinder grossgezogen haben, weiss ich, wie wichtig eine konsequente, aber herzliche Erziehung ist.»
Nach zehn Jahren hoben sie ab
Eduard Fischer und sein Sohn Roman haben nichts Verrückteres getan, als ein Flugzeug zu bauen.
«Dank ihm habe ich verinnerlicht, dass nichts unmöglich ist», sagte Roman Fischer 2019 in der Zeitlupe über seinen Vater Eduard Fischer. Nach sechs Jahren Bauzeit hatten die beiden Luzerner aus Udligenswil damals gerade den Motor in ihr eigenes Flugzeug eingebaut. Ein Meilenstein. Dank finaler Fluggenehmigung des Bundes hebt ihre «Votec 322» seit Oktober 2024 fleissig vom aargauischen Flugplatz Birrfeld ab.
Der 74- und 43-Jährige haben den Zweiplätzer komplett selbst gebaut – zehn Jahre lang. Vater und Sohn ergänzten sich, vertrauten einander, und wenn der eine kurz vor dem Aufgeben war, machte ihm der andere Mut. Das Projekt hat sie zusammengeschweisst. Vater Edi staunte, «wie unglaublich präzise» Roman arbeitete, und dieser wiederum war froh, wie ruhig sein Vater als ehemaliger Schwertransportfahrer blieb, als es galt, den Flieger in den Hangar zu bringen. EineUnachtsamkeit, und schon wäre alles umsonst gewesen. Unvergessen bleibt der erste Testflug im Herbst 2023: «Der Flieger hob ab, als hätte er nie etwas anderes gemacht», sagt Pilot Roman. Vater Eduard sah gebannt zu – und durfte auf der zweiten Runde mit an Bord. «Dieser Glücksmoment ist kaum zu beschreiben», sagt er. Sie tauften ihr Flugzeug «Lucky13», weil die Zahl immer wieder für glückliche Zufälle sorgte, und widmeten die Maschine mit einer Aufschrift am Heck ihren Partnerinnen. «Lucky13» scheint auch in Zukunft in guten Hände zu sein: Romans Sohn Jack ist verrückt nach Flugzeugen.
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