Grosse Königslibelle (Anax imperator) im Flug © shutterstock

Fliegende Edelsteine

Libellen sorgen mit ihren Flugkünsten, ihrer Farbenpracht und der eleganten Erscheinung an manchem Teich für Abwechslung und Freude. Sie sind überaus geschickte Luftjägerinnen und erbeuten andere Insekten.   

Text: Esther Wullschleger Schättin

An einem sonnigen Sommertag herrscht rege Aktivität über dem Gartenteich. ­Grosse Libellen mit abgeplattetem blauem Körper patrouillieren über dem Wasser und verteidigen ihr Territorium gegen Konkurrenten. Manchmal kommt es zu kurzen Luftkämpfen, wenn zwei Männchen dieser Libellenart aufeinandertreffen. Nahe beim Ufer lässt sich zudem ein Weibchen des Plattbauchs beobachten, das seine Eier mit wippenden Bewegungen ganz einfach über dem Wasser abwirft. Es hat eine gold­braune Körperfärbung und unterscheidet sich damit deutlich vom blauen Männchen.

Derweil sucht eine farbenprächtige Königs­libelle knapp über dem Wasser nach einer ­geeigneten Stelle, wo sie ihre Eier ablegen könnte. Findet das Weibchen der Grossen ­Königslibelle ein Schwimmpflanzenblatt, so setzt es sich darauf und hält den Legestachel ins Wasser. Mit heftigen Flügelschlägen erzeugt es daraufhin genügend Gegendruck, um den Legestachel in Pflanzenteile unter dem Wasserspiegel einzustechen.

Unterwegs für die nächste Generation: Ein Weibchen 
der Grossen Königslibelle beim Eierlegen.
Unterwegs für die nächste Generation: Ein Weibchen der Grossen Königslibelle beim Eierlegen. © shutterstock

Zwischen der Ufervegetation schweben grazile, leuchtend blaue Azurjungfern. Viele von ihnen befinden sich mit dem etwas unscheinbarer gefärbten Weibchen im Tandemflug, ­indem sie dieses im Kopfbereich umklammert halten. Das Männchen fliegt vorn, das Weibchen hinten, und so suchen die Paare dieser zarten Kleinlibellen einen geeigneten Platz zur Eiablage. Manchmal kann man mitverfolgen, wie sich ein solches Pärchen niedersetzt – das Weibchen krümmt dabei den Hinterleib zur Eiablage, und das Männchen ragt von seinem Kopf aus steil in die Höhe. Letzteres sorgt durch diese «Bewachung» ganz einfach dafür, dass sich kein weiteres Männchen mit seiner Partnerin paaren und die Eier befruchten kann. Mit etwas Glück lassen sich zwei Kleinlibellen auch bei der eigentlichen Paarung beobachten. Dazu bilden sie ein sogenanntes Paarungsrad, indem das Weibchen seinen Hinterleib zum unteren Vorderkörper des Männchens hinkrümmt, um die Spermien zu empfangen.

Libellen: Azurjungern bei der Paarung
Azurjungfern bei der Paarung. © shutterstock

Die Libellen gehören zu den ältesten flug­fähigen Insekten der Erde und haben sich in ihrem Grundbauplan über Jahrmillionen hinweg kaum verändert. Es gibt zwei Verwandtschaftsgruppen dieser urtümlichen Insekten, die als Grosslibellen und Kleinlibellen bezeichnet werden und sich in mancher Hinsicht klar voneinander unterscheiden. Kleinlibellen sind besonders zierlich gebaut und halten ihre Flügel beim Ruhen über dem Rücken zusammengelegt. Ihre grossen Augen liegen weit auseinander, was dem Kopf ein hammerartiges Aussehen verleiht. Grosslibellen dagegen halten ihre Flügel im Ruhezustand seitlich aus­gestreckt, und ihre Augen sind so gross, dass sie fast den gesamten Kopf einnehmen, wodurch dieser eher kugelig wirkt.

Auge einer Königslibelle in Nahaufnahme
© shutterstock

Die riesigen Komplexaugen, die aus Tausenden von Einzelaugen zusammengesetzt sind, verraten, dass Libellen ausgeprägte Augen­tiere sind. Sie zählen zu den am besten sehenden Insekten und sollen auch Farben wahrnehmen können. Dank ihrer voluminösen Augen haben sie eine gute Rundumsicht, und sie können ­ihren Kopf bis 90 Grad drehen, um noch weiter nach hinten zu blicken. Nähert man sich vorsichtig einer ruhenden Grosslibelle von hinten, so kann man manchmal sehen, wie sie plötzlich ruckartig den Kopf bewegt und die sich ­nähernde Gestalt anschaut. Auch das zeitliche Auflösungsvermögen der Libellenaugen ist sehr ausgeprägt, denn als gewandte und wendige Luftjäger müssen die Tiere rasche Bewegungsfolgen erfassen können.

Ihre beeindruckenden Flugkünste haben die Libellen dem Aufbau ihrer mächtigen Flugmuskulatur zu verdanken. Diese erlaubt es ihnen, die beiden Flügelpaare unabhängig voneinander zu schwingen. Dadurch sind sehr präzise Flugmanöver möglich. Libellen können abrupte Wendungen im Flug machen, aus voller Geschwindigkeit heraus abbremsen und scheinbar in der Luft stehen bleiben, senkrecht hochsteigen oder aus dem Stillstand rasend schnell beschleunigen. Manche Arten beherrschen sogar den Rückwärtsflug, was im Insektenreich einmalig ist. Wie bei einem Helikopter dient der lange Hinterleib der Libelle im Flug als eine Art Stabilisator. Besonders ausdauernd und schnell fliegen die etwas kräftiger ge­bauten Grosslibellen. Sie können stundenlang in der Luft bleiben und erreichen Geschwindigkeiten von bis zu 40 Kilometern pro Stunde.

Mit grossem Geschick jagen die Luftjägerinnen nach anderen, meist weniger wendigen Fluginsekten. Diese greifen sie häufig von unten her kommend an und überwältigen sie durch einen festen Zugriff mit ihren Beinen. Diese sind mit kleinen Dornen versehen, die das Festhalten ­erleichtern, und setzen sehr weit vorne am Körper an. So ist es Libellen möglich, mit ihren sechs Beinen eine Art Fangkorb zu bilden, aus dem sich die Beute kaum mehr befreien kann. Kleinere Beuteinsekten wie Fliegen oder ­Mücken werden meist noch im Flug verspeist. Hat sie einen grösseren Falter erwischt, setzt sich die Libelle eher zum Fressen nieder.

Überwältigt werden verschiedene Insekten bis ungefähr zur eigenen Körpergrösse, wobei auch andere Libellen nicht verschmäht werden. Natürlich haben die Libellen ihrerseits Feinde, etwa den Baumfalken oder andere ­Vögel, die in der Luft nach Insekten haschen. Sie sind gegenüber Beutegreifern praktisch wehrlos und tun auch dem Menschen nichts. Entgegen einer verbreiteten Legende tragen ­Libellen nämlich keinen Stachel und können deshalb nicht stechen. Trotzdem wurden die schönen Insekten früher als «Augenstecher» oder «Teufelsnadeln» bezeichnet.

Ein feuchter Start ins Leben

Ihr Leben beginnen die Libellen als unscheinbare Larven im Wasser, wo sie aus dem Ei ­geschlüpft sind. Als Lauerjäger warten sie im Schlamm oder zwischen Wasserpflanzen versteckt auf kleinere Beutetiere. Nähert sich ein kleines Wasserinsekt oder eine Kaulquappe, so lässt die Libellenlarve ihre mit spitzen End­haken versehene Fangmaske (eigentlich die umgebildete Unterlippe) blitzschnell hervorschiessen und ergreift das Beutetier.

Der Beginn eines Libellenlebens: Eine blaugrüne Mosaikjungfer schlüpft aus ihrer Larvenhülle.
Der Beginn eines Libellenlebens: Eine blaugrüne Mosaikjungfer schlüpft aus ihrer Larvenhülle. © shutterstock

Einige Larven von Kleinlibellen sind bereits nach wenigen Monaten ausgewachsen und begeben sich zum Schlüpfen an Land, während die Larven anderer Arten bis fünf Jahre im Wasser verbringen. Schlupfbereite Larven klettern an einem Pflanzenstängel ein Stück weit an die Luft empor. Langsam befreit sich das vollständig entwickelte Insekt aus der am Rücken auf­brechenden Larvenhaut. Dann dauert es einige Stunden, bis Flügel und Körper ausgehärtet sind und das Tier zum Jungfernflug starten kann.

Es ist schön, wenn sich viele farbenprächtige Libellen am naturnahen Gartenteich ein­finden. Doch tun dies nur relativ wenige der 65 in der Schweiz heimischen Libellenarten. Weitere Arten mit teils ganz bestimmten Lebensraumansprüchen besiedeln kleine Bäche, unverbaute Flüsse, natürliche Seeufer, Moore, Sümpfe, Flachgewässer oder Quellriede. Et­liche von ihnen sind wegen des Verschwindens ihrer Lebensräume sehr gefährdet.

Beitrag vom 05.07.2023

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