© SRF/ Gian Vaitl Bildmontage

Kick it like Trudi

In der 5-teiligen SRF-Serie blicken Schweizer Fussballpionierinnen und Expertinnen zurück auf die Zeiten, als der Ball ins Rollen kam. Mit über siebzig kehren die Spielerinnen für einen letzten Match mit aktiven Juniorinnen auf den Rasen zurück – eine gelungene Hommage an couragierte Frauen.

Text: Annegret Honegger

Nun hat sie also begonnen, die Frauenfussball-Europameisterschaft 2025 in der Schweiz. Wie damals alles begann mit dem Frauenfussball, zeigt die fünfteilige Serie «Kick it like Trudi». Wagen sich die über siebzigjährigen Pionierinnen von anno dazumal nochmals auf den Rasen? wollte SRF wissen. «In meinem Alter? Sicher nicht, das ist vorbei!» Trudi Streit, Madeleine Boll, Käthi Vollmer, Theres Rüsch, Daniela Camponovo und Marie-Theres-Nadig winken erst ab. Und nehmen das Aufgebot für eine ganz spezielle Trainingswoche dann trotzdem an.

Szene aus "Kick it like Trudi": ehemalige Fussballerinnen trainieren im Trikot in einer Turnhalle.
© Media Press

Dabei geht es nicht nur um körperliche Herausforderungen, sondern auch um Erinnerungen. «Tore hatten wir keine, der Goalie stellte sich einfach zwischen die Reckstangen», erzählt eine Teilnehmerin. Die Mädchen spielten auf Schulwiesen, Pausen- und Quartierplätzen, auf Rasen, der diesen Namen kaum verdiente. Auch als erste Clubs entstanden, teilte man den Frauen stets die schlechtesten Plätze und Spielzeiten zu.

Vorurteile und Widerstände

Am Spielfeldrand standen ein paar wenige Unterstützer und ganz viele Gaffer, die sie mit Spott und sexistischen Sprüchen eindeckten. Berichteten die Medien über fussballspielende Frauen – meist im Unterhaltungs- und nicht im Sportteil einer Zeitung – so ging es nicht um ihre sportliche Leistung, sondern um ihre Figur, ihre Frisur oder ihre Kleider. Das Resultat war Nebensache und wurde oft gar nicht erwähnt.

Doch Trudi Streit und Co. liessen sich weder beirren noch entmutigen. Dass sie Pionierinnen waren, mit ihrem Mut Rollenbilder durchbrachen und damit das Fundament für den heutigen Frauenfussball legten, realisierten sie erst viel später. Sie verstanden ihr Hobby weder als politisch noch als feministisch, sondern wollten einfach das tun, was sie liebten: Fussballspielen.

Emotionales Comeback

Die damalige Leidenschaft ist sofort wieder da, wenn die Frauen nach Jahrzehnten wieder Fussballschuhe schnüren, Trikots überziehen und sich ins Training fürs grosse Finale stürzen. Auch wenn Ballgefühl und Beweglichkeit etwas fehlen: Es wird mit vollem Körpereinsatz gedribbelt, gesprintet und geschwitzt. Und ebenso viel gelacht, geplaudert und erzählt. «Zu meiner Zeit spielten die Buben Fussball und die Mädchen sangen im Chor», erinnert sich Madeleine Boll, die erste lizenzierte Spielerin der Schweiz. «Am ersten Länderspiel trugen wir Frauen ausgediente Trikots der B-Junioren – und schämten uns darin», empört sich Trudi Streit bis heute.

Madeleine Boll schiesst aufs Tor
© Media Press

Umso grösser ist die Genugtuung über die Entwicklung des Frauenfussballs in den letzten Jahren. Dass etwa das Länderspiel Schweiz gegen Frankreich, das die Teilnehmerinnen in Folge 4 besuchen, heute 10‘000 Fans ins Stadion lockt. Auch die Anerkennung der jungen Nati-Spielerinnen, mit denen die Pionierinnen in Folge 3 trainieren, tut gut. Diese bewundern nicht nur den heutigen Einsatz ihrer Vorgängerinnen, sondern sind sich bewusst: «Ohne euch wären wir wohl gar nicht hier.»

Junge und alte Fussballerinnen sitzen auf der Ersatzbank am Fussballplatz.
© Media Press

Die fünfte und letzte Folge bringt dann ein emotionales Comeback: Pionierinnen des Schweizer Frauenfussballs stehen Seite an Seite mit Nachwuchstalenten der U15-Nati auf dem Feld. Der Match zeigt, dass die Leidenschaft für den Fussball nicht nur kein Geschlecht, sondern auch kein Alter kennt. Man spielt miteinander, lernt voneinander. Manche punkten mit schnellen Beinen, andere dafür mit Erfahrung. Das Resultat ist hier für einmal tatsächlich Nebensache.


«Kick it like Trudi» auf Play SRF

Die Serie überzeugt mit zahlreichen historischen Archivaufnahmen sowie mit Gesprächen mit vielen Zeitzeuginnen aus den Anfängen des Schweizer Frauenfussballs. Die Expertinnen Marianne Meier, Sarah Akanji und Seraina Degen zeichnen dessen Geschichte nach und verdeutlichen die Bedeutung derjenigen, die den Weg für kommende Generationen ebneten.

Buch-Tipp

Das Recht zu kickenBuchcover: Das Recht zu kicken

Frauen und Fussball? Das galt lange als «unästhetisch» und gar als «unsittlich». Marianne Meier und Monika Hofmann erzählen die Geschichte des Schweizer Frauenfussballs, die in den 1920er-Jahren beginnt. Sie erläutern rechtliche Grundlagen und beleuchten grössere internationale Zusammenhänge. Und sie zeigen auf, mit welchen gesellschaftlichen Vorurteilen und Widerständen kickende Frauen und Mädchen lange zu kämpfen hatten. Aktuelle Interviews mit Schweizer Fussballpionierinnen geben lebhafte persönliche Einblicke in ein spannendes Stück Schweizer Sportgeschichte. Die Autorinnen sind am Interdisziplinären Zentrum für Geschlechterforschung der Universität Bern tätig.

Marianne Meier, Monika Hofmann: Das Recht zu kicken. Die Geschichte des Schweizer Frauenfussballs. Hier und Jetzt Verlag 2025, 336 Seiten, ca. CHF 39.-

Podcast-Tipp

«Spielmacherinnen»

Der Podcast Geschichte von SRF Wissen dreht sich um die Anfänge, Widerstände und Wendepunkte des Schweizer Frauenfussballs. Pionierinnen sprechen über Erfolge auf und neben dem Platz, über Vorurteile und volle Stadien. Der Podcast ordnet die Entwicklungen in drei Episoden historisch ein und beleuchtet die Hintergründe der zunehmenden gesellschaftlichen Anerkennung.

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Beitrag vom 02.07.2025

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