Der älteste junge Mann der Welt ist tot
Am 5. Oktober starb der Italiener Sammy Basso mit 28 Jahren. Er litt an einer seltenen Genmutation, die ihn vorschnell altern liess. Doch Basso kämpfte mit Humor gegen sein Schicksal an und kostete das Leben voll aus.
Text: Claudia Senn
Bei seiner Geburt schien noch alles in Ordnung zu sein. Doch kurze Zeit später nahm Sammy Basso kaum noch an Gewicht zu und hörte auf zu wachsen. Als er zwei Jahre alt war, kam schliesslich die Diagnose: Progerie. Die Krankheit wird durch eine spontane Genmutation verursacht, die die Betroffenen vorschnell altern lässt. Wie im Zeitraffer verkalken ihre Blutgefässe, die Haare fallen aus, die Haut bekommt Falten und wird so papierdünn, dass die Venen blau durchschimmern. Schon Babys sehen aus wie zu klein geratene Greise.
Die Krankheit ist sehr selten, weltweit gibt es nur wenige hundert Fälle. Meist sterben die Betroffenen an typischen Altersgebrechen wie Herzinfarkten oder Schlaganfällen. Die durchschnittliche Lebenserwartung beträgt 14 Jahre, doch Sammy Basso hielt doppelt so lange durch. Das lag auch an der Art, wie er sein Leben meisterte.
Verdienstorden der Republik
In einem Porträt, das im Februar im Magazin «Der Spiegel» erschien, sprach Basso über die riesige Unterstützung, die er von seinen Eltern erfahren hatte. Niemals hätten sie die Hoffnung auf Hilfe aufgegeben, niemals sperrten sie ihr schwer krankes Kind ein. Basso ging zur Schule, scharte einen grossen Freundeskreis um sich, sorgte dafür, dass er keine Party verpasste, studierte Naturwissenschaften und Molekularbiologie, um über seine Krankheit zu forschen. Er sprach an Schulen und Unis, engagierte sich während der Corona-Pandemie für Aufklärungs-Kampagnen, bekam vom italienischen Staatspräsidenten den Verdienstorden der Republik verliehen. Ein paarmal sei er sogar verliebt gewesen, sagte Basso, leider erfolglos. Doch auch davon liess er sich nicht unterkriegen. «Verliebtsein ist schön, selbst, wenn es weh tun kann.»
Nach der Matura spendierten ihm seine Eltern eine Reise entlang der berühmten Route 66 in den USA. Sein Schulfreund Riccardo war mit von der Partie. Auch ein Fernsehteam von National Geographic begleitete die Familie. Es filmte, wie Basso in Chicago mit einem Gospelchor sang, wie er in St. Louis den ersten Baseball des Spiels der Cardinals gegen die Milwaukee Brewers warf, wie er in Los Angeles seine zwei grössten Idole traf: Matt Groening, den Erfinder der Zeichentrickserie «Die Simpsons», und James Cameron, den Regisseur seines Lieblingsfilms «Avatar».
Am lustigsten aber sei es in Roswell gewesen, sagte Riccardo gegenüber dem «Spiegel». Das Städtchen in New Mexiko gilt als Wallfahrts-Ort für UFO-Gläubige, weil dort angeblich einmal eine fliegende Untertasse abgestürzt ist. Sammy habe seine Eltern angebettelt, in Roswell Halt zu machen. Er wollte im örtlichen UFO-Museum unbedingt die Besucher erschrecken, schliesslich sehe er aus wie ein Alien.
Humor als Wunderwaffe
«Eine Krankheit zu haben, ist kein Grund, nicht lustig zu sein», sagte Basso. Auf dem Profilbild seines Instagram-Accounts trug er eine froschgrüne Alien-Brille, die er in Roswell erstanden hatte. An Halloween verkleidete er sich einmal als Dobby, der Hauself aus «Harry Potter». Humor war seine Wunderwaffe gegen all die Steine, die ihm das Leben in den Weg legte.
Am 5. Oktober ist Sammy Basso gestorben. Er ass gerade mit Familie und Freunden in einem Restaurant zu Abend, als ihm plötzlich unwohl wurde. Die herbeigerufenen Sanitäter konnten nur noch den Tod feststellen. Basso war der am längsten überlebende Progerie-Patient der Welt – und ein Mann, der mit seiner trotzigen Lebenslust viele Menschen inspirierte.