Vier Gründe für ein Halleluja
Weihnachten, so schön, wie es früher einmal war? Wir sind uns da nicht ganz sicher. Die Zeitlupe-Redaktion erinnert sich an Klassiker und Kuriositäten der Weihnachtszeit. Bei Redaktor Roland Grüter gibt es noch heute die vier weihnachtlichen Grundpfeiler, die sich nur wenig verändert haben.
Text: Roland Grüter
Weihnachten ohne Glanz und Gloria? Ohne das Zusammensein mit meinen Liebsten? Für mich undenkbar, obwohl ich mein Leben weit weg vom Katholizismus lebe. Wahrscheinlich geht meine Liebe zu Heiligabend auf meine Kindheit zurück. Folgende vier Punkte besiegelten schon früh das Bündnis zwischen mir und dem Christkind:
Die Weihnachtsgeschichte
Märchen, Fabeln und Erzählungen öffneten mir die Türe zur Welt, kaum konnte ich lesen. Denn in meiner Jugend konnte man noch nicht auf die Schnelle nach London jetten oder Ferien am Meer machen. Folglich mussten wir uns mit dem Umfeld begnügen, in dem wir lebten – und uns ausmalen, wie das Leben jenseits davon aussieht. Deshalb reiste ich willig mit Jim Knopf und Lukas dem Lokomotivführer durchs Lummerland, mit Karl May durch das Wilde Kurdistan und mit Pippi Langstrumpf ins Taka-Tuka-Land. Auch die Weihnachtsgeschichte mit ihren Engeln, Hirten und Schafen waren Zunder für meine Fantasie. Also zog ich mit Maria und Josef und den heiligen drei Königen über die staubigen Strassen Bethlehems und fror mit ihnen im Stall. Ich war lange felsenfest überzeugt: Der Schweif des himmlischen Wegweisers, dem die drei Weisen aus dem Morgenland folgten, ist sogar in Hochdorf zu sehen. Die Faszination an der Familiensaga war riesig und ist es noch immer. Denn die darin enthaltene Prophezeiung, dass sich die Welt in eine bessere umkehrt, ist zeitlos und wunderschön. Auch jenseits des kirchlichen Glaubens.
Die Bescherung
Jüngeren Leserinnen und Lesern mag es seltsam erscheinen – aber es gab hierzulande tatsächlich Zeiten, in denen die allermeisten Wünsche der Kinder unerfüllt blieben. Daran erinnere ich mich nur allzu gut. So sehr ich mir ein ferngesteuertes Auto, einen ledernen Fussball herbeiwünschte: Ich musste bis Weihnachten darauf warten. Und oft genug war das Auto dann doch bloss eine selbstgestrickte Mütze. Denn das Geld war in vielen Familien knapp, und Eltern mussten sich ordentlich zur Decke strecken, wollten sie ihre Kinder vor dem geschmückten Weihnachtsbaum glücklich machen. Fanden wir dann doch das herbeigesehnte Spielzeug unter dem Tannenbaum, hallte ein lauter Juchzer durch die Stube. Noch heute verbinde ich die Heilige Nacht mit diesen raren Glücksmomenten – obwohl ich auf Geschenke mittlerweile freiwillig verzichte.
«Drei Haselnüsse für Aschenbrödel»
Der Märchenklassiker um das arme Aschenbrödel und den schönen Prinzen läuft seit 1973 im Weihnachts-Fernsehen rauf und runter – und erzielt ungebrochen hohe Einschaltquoten. Auch Kinder der 1970er kamen daran nicht vorbei. Nicht nur, weil uns die Geschichte des verwaisten Mädchens ans Herz gegangen ist – es gab an der Story kein Vorbeikommen. Denn damals war die Welt noch monolog und kein bisschen digital. Und Möglichkeiten, sich abzulenken, waren entsprechend rar. Zwischen den 1960er- und 1980er-Jahren strahlten höchstens zwei, drei TV-Stationen in unsere Stuben – die Auswahl der Sendungen war folglich stark limitiert, und Aschenbrödel gehörte an Heiligabend zum Standardrepertoire. Also schauten wir nachmittags willig der bösen Stiefmutter, Schimmel Niklaus und Eule Rosalie zu, gerne auch mehrfach. Hauptsache, das Geläut des Glöckens beendete endlich unsere Wartezeit. Denn das Bimmeln signalisierte: Das Christkind war da, jetzt gibt es Bescherung. Das Glockengebimmel ist mittlerweile zwar verstummt, aber die Faszination an Aschenbrödel ist geblieben.
Der Kartoffelsalat meiner Mutter
Seit ich denken kann, tischte meine Mutter an Heiligabend das immergleiche Menü auf: Kartoffelsalat und Schüfeli. Denn das Fest-Fast-Food-Menü liess sich gut vorbereiten – damit hatte Mamme beide Hände frei, um den Baum zu schmücken, die Geschenke herbeizutragen und die Fensterbank mit Mehl zu bestäuben und darin kleine Fusstritte zu malen – als Beweis, dass die geflügelte Himmelsbotin höchstselbst zu Besuch war. Später, als ich und meine Geschwister aus- und weitergezogen waren, verzichtete Mutter auf das Mehl und andere Traditionen. Am Kartoffelsalat aber hielt sie beharrlich fest. Ganz zum Gefallen meiner Geschwister und mir, denn wir waren überzeugt: der Salat hat Gourmet-Format. Er war derart schmatzig und schmelzig, dass unsere Augen heller strahlten als die Kerzen auf dem Adventskranz. Zwiebeln und Schnittlauch liessen sich darin gut ausmachen, aus welchen Zutaten Mutter aber ihre Sauce mischte, darüber schwieg sie sich beharrlich aus. So sehr wir auch um das Rezept bettelten und mutmassten, was darin zu finden ist – Stille Nacht.
Später konnten wir das Geheimnis dann doch lüften. Als Mutter ins Altersheim umzog und wir ihre Wohnung räumen mussten, fanden wir in einem Schrank – gut verborgen – ein paar Fertigsauce-Flaschen eines Discounters.
Auch das spricht für Weihnachten: Der Lamettaglanz lässt manches schöner erscheinen, als es ist. Halleluja.
So feierten die anderen Redaktorinnen und Redaktoren
- Fabian Rottmeier feierte Weihnachten mit Snoopy und den Peanuts
- Claudia Senn flüchtete fürs Fest schon mal in den warmen Süden
- Jessica Prinz freute sich auf die Ruhe nach dem Weihnachtssturm