© Fabian Rottmeier

Weihnachten ist … eine Videokassette!

Weihnachten, so schön, wie es früher einmal war? Wir sind uns da nicht ganz sicher. Die Zeitlupe-Redaktion erinnert sich an Klassiker und Kuriositäten der Weihnachtszeit. Redaktor Fabian Rottmeier lernte als Kind Snoopy und die Peanuts lieben – als Erwachsener noch viel mehr.

Fabian Rottmeier, Zeitlupe Redaktor
© Jessica Prinz

Text: Fabian Rottmeier

Weil mein Vater in einem Spezialgeschäft für Unterhaltungselektronik arbeitete, konnte er uns hie und da Filme auf Videokassetten überspielen. Eine davon liess ich als Knirps immer wieder laufen: «Snoopy 23. 1. 87». Meine Mutter hatte sie von Hand so angeschrieben. Was Mütter mit drei Kindern halt so tun. Sie versuchen, mit kleinen Dingen Ordnung in den Alltag zu schaffen. Vielleicht wusste sie aber auch ganz einfach, dass mir diese Jahreszahl einst für einen journalistischen Artikel nützlich sein würde.

Mit der Bezeichnung «Snoopy» war der Weihnachtszeichentrickfilm «A Charlie Brown Christmas» gemeint: Dass ich diesen 25-minütigen Fernsehklassiker aus dem Jahr 1965 mit 42 Jahren noch viel mehr schätze als damals, klingt vielleicht überraschend, hat aber gute Gründe: Der Film ist – wie die Peanuts als Comic-Strips ebenso – vielmehr auf Erwachsene denn auf Kinder zugeschnitten. Die Peanuts leben von Sarkasmus, Ironie, schlecht gelaunten Kindern – und sie sind ebenso witzig wie philosophisch. Hierzulande halten die Peanuts viele für Kinderzeugs. Das finde ich schade, weil man damit als Erwachsener kluge und nachdenklich machende Zeichnungen verpasst. Die Dialoge von Peanuts-Erfinder Charles M. Schulz sind zeitlos.

Eine Peanuts-VHS-kassette liegt auf Tannenästen.
© Fabian Rottmeier

Als Kind ging der Inhalt des Films wohl mehr oder weniger komplett an mir vorbei. Ich freute mich am egoistisch handelnden, arschcoolen Snoopy, der alle in den Senkel stellt und tut, was er will. Zum Ärger seines Besitzers, dem Jungen Charlie Brown. 

Der atypsche Weihnachtsfilm

Vielleicht mag ich «Peanuts: Fröhliche Weihnachten», wie der fürs Fernsehen produzierte amerikanische Film auf Deutsch heisst, heute so sehr, weil er so gar nicht den typischen Weihnachtsfilmen entspricht – erst recht nicht 1965! Die Weihnachtsmusik wird von einer Jazzband gespielt, während Charles M. Schulz darin mit Humor die zunehmende Kommerzialisierung des Weihnachtsfests kritisiert. Der Inhalt überrascht insofern auch, wenn man erfährt, dass Coca-Cola den Film finanziert hat! Er wurde am 9. Dezember 1965 erstmals ausgestrahlt und erzielte traumhafte Einschaltquoten.

Schulz stellt einen tragischen Helden ins Zentrum, der sich vor den Festtagen deprimiert statt glücklich fühlt: Charlie Brown. Er verstehe Weihnachten wohl einfach nicht, sagt er. Und dass er von niemandem eine Weihnachtskarte bekommt, sieht er als weitere Bestätigung, dass ihn niemand mag. Er sucht Rat bei seiner verhassten Kollegin Lucy, die für 5 Cent einen Stand für psychologische Hilfe aufgebaut hat – und ihm schliesslich die Regie fürs Weihnachtsspiel an der Schule überlässt, damit er ein Ziel vor Augen hat.

Als Kind lachte ich, wenn der Beagle Snoopy im Film auf dem Dach seines Hundehäuschens liest, dabei Hundeknochen verdrückt und es klingt, als würde er Pommes-Chips essen. Oder wenn er sein Hundehäuschen wie wild mit Weihnachtsschmuck verziert. Heute lache ich, weil ich erfahre, dass er dies bloss tut, um beim «super gigantischen Nachbarschafts-Licht-und-Deko-Wettbewerb» Geld zu gewinnen (raten Sie mal, wer tatsächlich absahnt!). Heute lache ich, wenn Charlie Browns kleine Schwester Sally einen Brief an den Weihnachtsmann diktiert: «Lieber Weihnachtsmann. Wie geht es dir? Hattest du einen schönen Sommer? Wie geht’s deiner Frau?» (Sally wünscht sich im Übrigen möglichst viele Geschenke, und wenn es zu viel Umstände macht, dann einfach Geld, am besten in 10er- oder 20er-Scheinen.) Heute staune ich verblüfft, wie zeitgemäss gewisse Punkte sind, auf die Schulz hinweist – nicht nur in diesem Film, sondern auch in seinen Comicstrips, die jahrzehntelang täglich erschienen sind.

Szene aus «A Charlie Brown Christmas»: Sally diktiert ihren Brief an den Weihnachtsmann.

Die Weihnachtszeit ist für mich längst auch eine Peanuts-Zeit geworden. Wer hätte gedacht, wie lange mich der Inhalt dieser Videokassette begleiten würde?! Sie hat mittlerweile fünf Umzüge durchgemacht. Für diesen Artikel wollte ich mir auf meinem alten Videorecorder anschauen, was denn sonst noch so auf der Kassette drauf ist. Ich schob die Kassette ein, das Gerät machte Geräusche, die mich beunruhigten, und wollte die Kassette weder abspielen noch auswerfen. Fehler «F4». Ein kleiner Anflug von Panik. Zum Glück kann man sich den Film (und alle anderen Peanuts-Filme ebenso) mittlerweile bequem per Stream bei Apple TV in toller Auflösung anschauen. Was ich zur Beruhigung auch machte. Als ich mich später nochmals vorsichtig an den Videorecorder wagte, spuckte er die Kassette wieder aus. Ich seufzte. Und werde mich über die Festtage im Brockenhaus nach einem neuen alten Videogerät umschauen. Diese Videokassette hat einen würdigen Abschied verdient. Sie hat mir etwas gegeben, das mir immer mehr ans Herz gewachsen ist. Gibt es etwas Schöneres an Weihnachten?

«A Charlie Brown Christmas» (Peanuts: Fröhliche Weihnachten), USA 1965, 25 Min., als Stream bei Apple TV zu sehen

So feierten die anderen Redaktorinnen und Redaktoren

Beitrag vom 20.12.2022

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