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O Omikron! 21. März 2022

Mehr als zwanzig Jahre lang arbeitete Usch Vollenwyder (70) bei der Zeitlupe. Seit Januar ist sie pensioniert. Jede Woche erzählt sie aus ihrem Alltag im bernischen Gürbetal. Heute: von der Pandemie auf ihrer ehemaligen Redaktion.

Usch Vollenwyder
Usch Vollenwyder,
Zeitlupe-Redaktorin
© Jessica Prinz

Ich sitze auf der Terrasse des Bergrestaurants Gipfelstubli auf der Rotenflue. Das bei schönem Wetter imposante Bergpanorama mit dem Grossen und Kleinen Mythen ist im Saharastaub kaum zu sehen. Die fahle Sonnenscheibe wärmt trotzdem. Ich ziehe die Jacke aus und werfe einen Blick in die Speisekarte. Eigentlich sollte ich gar nicht hier sein. Aber mein früheres Redaktionsteam liegt mit Omikron im Bett oder befindet sich in Isolation. Vor einer Woche hatte die Chefredaktorin die Mitarbeitenden gewarnt: Wegen ihrer Erkältungssymptome habe sie einen PCR-Test gemacht. Positiv. Zwei Tage zuvor hatte die wöchentliche Redaktionssitzung stattgefunden. Von da an lief der Zeitlupe-Chat heiss:

Junger Redaktionskollege: Scheiss Sitzung. Bin auch positiv. Bin dann mal isoliert. Macheds guet.
Meine Nachfolgerin: Freunde, ich bin auch mit dabei im Club der Positiven. Ich wohne jetzt quasi in der Badewanne, weil ich den Schüttelfrost anders nicht wegkriege.
Älterer Redaktionskollege: Bin jetzt auch positiv. Habe eben das Resultat erhalten. Was für eine Ironie: Eines der ersten Treffen nach den Zoom-Sitzungen, ein Volltreffer!
Multimedia-Redaktorin: Gibt’s ein Eintrittsritual, wenn man dem Club beitritt? Bin positiv. Dabei waren zwei Selbsttests und der Antigen-Test im Testzentrum zuvor negativ.
Meine Nachfolgerin: Das war ja ein Superspreader-Event wie aus dem Bilderbuch!
Älterer Redaktionskollege: Mann oh Mann. Nach der Pandemie fühlt sich gerade an wie vor der Pandemie.
Chefredaktorin: Ich habe noch mit dem Contact-Tracing telefoniert. Die Dame hat gesagt, dass derzeit eine Unterform von Omikron grassiere, die noch ansteckender sei. Sie hätten sich im Team trotz Lüften und Maske auch angesteckt.
Meine Nachfolgerin: Das habe ich auch gelesen. Ich glaube, wir sollten akzeptieren, dass wir es einfach alle kriegen werden, früher oder später. Das BAG schätzt, dass sich zurzeit 150’000 Leute pro Tag anstecken.

Zwischen den Informationen über die Testresultate werden Dutzende von Nachrichten verschickt. Sie schwanken zwischen Galgenhumor und Niedergeschlagenheit. Die diversen Gesundheitsbulletins werden ebenso ausgetauscht wie Tipps zur Behandlung von Husten und Fieber. Und manchmal geht es bei diesem Hin und Her der Nachrichten so lustig zu, dass ich laut lachen muss. Wer trotz Booster nicht zusätzlich eine Corona-Erkrankung durchgemacht hatte, wurde an dieser Sitzung angesteckt. Als es meinen ehemaligen Redaktions-Gspänli wieder besser geht, erkranken deren Partnerinnen und Partner – trotz Isolation und FFP2-Maske im eigenen Haushalt.

Und so springe ich für meinen jungen Redaktionskollegen ein und fahre für einen Zeitlupe-Beitrag auf die Rotenflue. Aus der Speisekarte wähle ich «Schwyzer Älpler Magronen» mit Apfelmus und bestelle mir dazu ein Glas Schwyzer Pinot Noir. Ich geniesse den Tag, lehne mich zurück und spüre die Sonne im Gesicht. In Gedanken schicke ich meinem ehemaligen Team und seinen Angehörigen gute Besserungswünsche. Das fiese Virus ist immer noch da. Auch wenn der Medien-Live-Ticker, der ihm bis anhin vorbehalten war, bereits für die nächste globale Bedrohung eingerichtet wurde.


  • Haben Sie sich auch mit Omikron angesteckt? Wie haben Sie die Krankheit erlebt? Erzählen Sie uns doch davon. Wir würden uns sehr darüber freuen. Und wenn Ihnen diese Kolumne gefallen hat, dann teilen sie diese doch mit Freundinnen oder Freunden.

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Beitrag vom 21.03.2022

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