Pilger, Säumer und Soldaten – unterwegs auf historischen Pfaden
Die Schweiz ist von alters her ein Durchgangsland – durchzogen von Handelswegen, Pilgerrouten und Heeresstrassen. Lassen Sie sich auf eine Reise entlang historischer Wege mitnehmen und entdecken Sie die besten Wanderetappen.
Im Jahr 990 pilgerte Sigerich der Ernste als Erzbischof von Canterbury nach Rom zum Papst. In einem Manuskript hielt er die 80 Etappen seiner Reise fest und lieferte so die erste Beschreibung der Via Francigena, des Frankenwegs. So nannte man seit dem Frühmittelalter das System der Pilgerstrassen, die vom Frankenreich nach Rom führten. Heute wird unter der Via Francigena im engeren Sinn der Weg des Sigerich zwischen Canterbury und Rom verstanden. Er führt auch durch die Schweiz: von Pontarlier herkommend über Orbe, Lausanne, Martigny und den Grossen Sankt Bernhard weiter nach Italien.
Die Orbe-Schlucht zwischen Vallorbe und Orbe ist ein wildromantisches Naturerlebnis. Ein schmaler Pfad führt über Holzstege und schattige Uferwege – ideal für heisse Tage. Von Orbe kann man in 2,5 Stunden nach Romainmôtier weiterwandern – die über 1000 Jahre alte romanische Abteikirche ist ein Muss.
Die Hänge des Lavaux
Zwischen Lausanne und Vevey führt die Via Francigena durch die spektakulären Terrassen des Lavaux. Alte Trockenmauern säumen den Weg, Dörfer wie Epesses oder Saint-Saphorin bieten Wein und Ausblicke auf Rebberge und Genfer See in Hülle und Fülle. Ein- und Ausstiege sind überall möglich.
Val d’Entremont
Von Orsières bis zum Grossen Sankt Bernhard steigt die Via Francigena stetig an – es gilt auf 26 km gut ausgebauten Wegen über 1500 Höhenmeter zu überwinden, was körperlich anspruchsvoll ist. Der Pass mit dem Hospiz auf 2469 Metern ist aber ein lohnendes Ziel und einer der Höhepunkte der Via Francigena.
Der Jakobsweg (auch Sternenweg genannt) ist nicht einfach ein Weg, sondern vielmehr ein Netz von Routen, die aus allen Ecken Europas nach Santiago de Compostela im spanischen Galizien führen. Seit dem frühen Mittelalter sind Pilgerfahrten zum angeblichen Grab des Apostels Jakob, über dem sich heute eine gewaltige Kathedrale erhebt, nachgewiesen. In den letzten Jahrzehnten ist die Zahl der Jakobspilger förmlich explodiert: Erhielten 1970 gerade mal 68 Menschen die begehrte Pilgerurkunde «Compostela», waren es 2024 knapp 500 000 Menschen. Mehrere Arme des Jakobswegs führen auch durch die Schweiz, darunter der sogenannte Schwabenweg zwischen Konstanz und Einsiedeln. Von hier führt der Hauptstrang weiter über Fribourg und Lausanne nach Genf und Frankreich.
Von Rapperswil gelangt man über den 841 Meter langen Holzsteg ans Südufer des Zürichsees. Danach gehts (ca. 500 Meter) hoch auf den Etzelpass und wieder runter ins Klosterstädtchen Einsiedeln.
Huttwil – Burgdorf
Diese Etappe des Jakobswegs führt durchs untere Emmental – über grüne Weiden, durch dunkle Wälder und Täler und über Hügel. Vor allem auf der Lueg lohnt sich ein Halt – es gibt kaum einen Ort, von dem man einen schöneren Blick auf die Berner Alpen hat als von hier.
Fribourg – Romont
Die Etappe startet in der Zähringerstadt Fribourg und geht im Wesentlichen entlang der Glâne, von Villars-sur-Glâne (wo sie in die Saane mündet) flussaufwärts bis Romont. Die wenig bekannte Landschaft wird geprägt von sanften Hügeln. Ein- und Ausstiege sind überall möglich.
Nachdem die Helvetier 58 v. Chr. in der Schlacht von Bibracte von Cäsars Legionen zurückgedrängt wurden, errichteten die Römer zwei Militärkolonien im Gebiet der Besiegten – wohl um künftige Einfälle nach Gallien zu verhindern: die Colonia Iulia Equestris (Nyon) und die Colonia Raurica (Augst). Diese waren verbunden durch Strassen und Wasserwege, auf denen sich Handelsleute und Soldaten schnell fortbewegen konnten. Die heute als Via Romana wiederbelebte Route führt vom Genfersee über Avenches (Aventicum) – die spätere Hauptstadt des römischen Helvetiens – durch das Seeland und über den Jura zum Rhein.
Von Estavayer-le-Lac geht die Strecke die ersten 10 Kilometer dem Neuenburgersee entlang nach Gletterens, danach über die Broye-Ebene nach Domdidier und Avenches. Hier erinnert vieles an die Römerzeit, als Aventicum bis zu 20 000 Einwohner hatte – das Amphitheater und das angrenzende Museum sollte man sich nicht entgehen lassen.
Oberer Hauenstein
Nicht jede Römerstrasse ist tatsächlich eine: Am Oberen Hauenstein zwischen Langenbruck und Waldenburg im Baselland gibt es einen in den Fels gehauenen engen Hohlweg mit Karrgeleisen, der diesen Namen trägt. Er ist sicher jüngeren Datums, obschon die Römer den Übergang zweifellos benutzten. Eine schöne Etappe ist es allemal.
Oberdorf – Augst
Von Oberdorf führt der Weg zuerst über Schloss Wildenstein mit seinen wunderbaren Eichenwäldern nach Bubendorf, danach durchs Tal der Frenke nach Liestal und entlang der Ergolz über Frenken-dorf nach Augst. Verpassen Sie nicht die wichtigsten römischen Sehenswürdigkeiten: Theater, Amphitheater und das Museum mit Römerhaus.
Zur Römerzeit existierte eine ausgebaute Strasse, die vom Süden her über die Alpen in die Provinz Rätien führte und hier die drei wichtigsten rätischen Städte Chur (Curia Raetorum), Kempten im Allgäu (Cambodunum) und Augsburg (Augusta Vindelicorum) verband. Sie führte von Süden her über Como nach Chiavenna und anschliessend über den Splügenpass (oder alternativ über den Septimer- resp. den Julierpass) nach Chur. Von da gings durch die Bündner Herrschaft und das Rheintal nach Bregenz und weiter ins Allgäu. Ihr ursprünglicher Name hat sich nicht erhalten.
Die Route von Andeer nach Thusis ist für geübte Wanderer, führt sie doch ausschliesslich über rot-weiss markierte Bergwanderwege. Auch einige Hängebrücken sind zu überwinden. Dennoch fasziniert die acht Kilometer lange Viamala-Schlucht, die man dabei passiert, immer von neuem.
Bündner Herrschaft
Am besten startet man in Landquart, um die vier Weindörfer der Herrschaft – Malans, Jenins, Maienfeld und Fläsch – zu durchwandern. Dazwischen führt der Weg durch Rebberge und bietet viele Einkehrmöglichkeiten, wo man die lokalen Gewächse kosten kann.
Rheintal
Die Römerstrasse von Chur nach Bregenz führte über Sankt Luzisteig, Schaan (FL) und Rankweil (A) nach Bregenz. Eine linksrheinische Variante durchs Rheintal ist umstritten. Dennoch lohnt sich für dieses Teilstück der Rheintaler Höhenweg zwischen Sargans und Rorschach mit grandiosen Ausblicken ins Tal und zum Bodensee als Alternative. Wer will, kann aber natürlich rechts des Rheins bleiben und dabei drei Länder streifen.
Seit vielen Hundert Jahren wird in der Zentralschweiz Sbrinz hergestellt – und seit dem Mittelalter auch nach Norditalien exportiert. Einige Quellen besagen, der Sbrinz habe sogar als Vorbild für den Parmigiano Reggiano gedient. Wie auch immer: Als Sammelplatz für den Export in den Süden diente früher Brienz – das Dorf dürfte dem Sbrinz übrigens auch seinen Namen eingebracht haben. Von hier aus ging der Saumweg über Innertkirchen und die Pässe Grimsel und Gries nach Domodossola. Die heute als Via Sbrinz bekannte Route führt dagegen weiter östlich von Luzern über Engelberg und den Jochpass nach Innertkirchen, wo sie sich mit jener, die von Brienz her kommt, vereinigt.
Den Weg entlang der Engelberger Aa ins Klosterdorf Engelberg kann man in Stans oder erst in Wolfenschiessen starten. Es ist zunächst eine gemächliche Strecke, ab Obermatt wird das Tal enger und der Weg etwas strenger. Belohnt wird man am Ende mit dem reizenden Eugenisee am Eingang von Engelberg.
Jochpass
Natürlich kann man von Engelberg zum Trüebsee hochwandern – einfacher geht es aber mit der Bahn. Von hier sind es immer noch fast 500 Meter zum Jochpass hoch und danach zuerst 400 Meter runter auf die Engstlenalp und danach noch einmal 1200 Meter durch das malerische Gental nach Innertkirchen.
Griespass
Im Sommer fährt ein Postauto von Ulrichen bis Ladstafel am Nufenenpass. Es hält oberhalb der eindrücklichen, alten Steinbrücke von 1761. Von hier aus führt der Saumweg über den Griespass, der seit der Bronzezeit benutzt wird, und hinunter ins italienische Val Formazza. Ab Riale gibt es Busse nach Domodossola.
Jahrhundertelang wurde der grösste Teil der Veltliner Weinproduktion nicht in Italien getrunken, sondern über die Alpen in den Norden exportiert und in Süddeutschland, Österreich und der Schweiz verkauft. Mehrere Saumwege zeugen davon. Einer lebt heute als Via Valtellina wieder auf: Er führt vom italienischen Tirano durch die Schweiz nach Schruns ins österreichische Montafon. Die Säumer mussten dabei drei Alpenpässe überqueren: Bernina, Scaletta und Schlappiner Joch.
Durchs Puschlav gibt es viele Wandermöglichkeiten. Die Via Valtellina verläuft hoch über dem Tal. Man kann auch unten dem Lauf des Poschiavino folgen. Ein Besuch von Poschiavo lohnt sich aber immer. Der Ort hat den Wakkerpreis 2025 für sein beispielhaftes Ortsbild gewonnen.
Berninapass
Vorsicht, von Poschiavo auf den Berninapass gilt es 1200 Höhenmeter zu bewältigen! Einfacher ist es, mit der Rhätischen Bahn bis zur Alp Grüm zu fahren und von dort in knapp zwei Stunden zum Ospizio Bernina zu wandern – direkt über Poz del Dragu oder etwas weiter über Sassal Mason.
Schlappiner Joch
Der Weg von Klosters aufs Schlappiner Joch lässt sich verkürzen, indem man die Gondel zur Bergstation Madrisa nimmt. Von hier sind es etwa drei Stunden aufs Joch, das die Grenze zu Österreich bildet. Der Abstieg nach Gargellen auf der Vorarlberger Seite dauert knapp zwei Stunden.
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