Aufpassen aufs «Mimöschen»

Dass es mit ihr problemlos läuft, ist für den Menschen essenziell: Die verschiedenen Hormone der Schilddrüse steuern viele Stoffwechsel­vorgänge, Körpertemperatur und Verdauung (siehe Box anschliessend). Das Organ, das sich im vorderen unteren Halsbereich unterhalb des Kehlkopfs befindet, arbeitet auf Anweisung der Hirnanhangdrüse. Diese stellt unter anderem das zuvor erwähnte TSH her, das Schilddrüsen ankurbelnde Hormon, und reagiert mit verstärkter oder schwächerer ­Stimulation, wenn die Schilddrüse zu viel oder zu wenig Hormone ­bildet. Die Hirnanhangdrüse wiederum steht selbst unter hormoneller Kontrolle einer anderen Gehirnregion, des Hypothalamus. Dieser ist ebenfalls in der Lage, die Menge von Schilddrüsenhormonen im Blut festzustellen. Alles in allem ein ausgeklügeltes Regulationssystem, damit genau so viel Schilddrüsenhormon produziert wird und zur Verfügung steht, wie für ein normales Funktionieren erforderlich ist.

Da die Schilddrüse ein «Mimöschen» ist, wie Hermann Engel sie bezeichnet, kann es dazu kommen, dass dieser Prozess gestört ist. «Zu viel Stress mag die Schilddrüse gar nicht. Rauchen wirkt sich ebenfalls negativ auf sie aus.» Und sie benötigt auch genügend Jod. «Je mehr man sich von meist jodarmen Fertig­produkten ernährt, desto grösser ist das Risiko, einen Jodmangel zu entwickeln.» Zudem kann für eine Erkrankung die familiäre Veranlagung bedeutend sein.

Welche Krankheiten sind überwiegend anzutreffen? Hermann Engel: «Das sind zum einen Schilddrüsenknoten. Diese müssen nicht unbedingt entfernt, aber stets beobachtet werden, ausser sie verursachen Beschwerden oder wachsen.» Eine nicht operative Behandlung ist seit einigen Jahren durch die Echotherapie möglich, eine besondere Form des Ultraschalls. Bösartige Knoten sind eher selten und haben meist gute Heilungschancen. «Häufig ist zum anderen eine chronische Entzündung. Diese zeigt sich oft durch eine Unterfunktion, welche sich in Antriebs­losigkeit, Kältegefühl oder gedrückter Stimmung äussern kann.» Bekannt ist diese auch als Hashimoto-Thyreoiditis. Von Morbus Basedow ist die Rede bei einer Überfunktion, die seltener vorkommt. «Beschwerden wie Herzrasen, Schlafprobleme oder Gewichtsverlust können da auftreten.» Ursache dieser chronischen Entzündungen ist eine Autoimmunerkrankung, bei der die Antikörper die Schilddrüse stimulieren und so zu äusserlichen und funktionellen Veränderungen führen.

«Beides lässt sich gut behandeln», erklärt Hermann Engel. «Bei der Unterfunktion, die mit Einnahme von Schilddrüsenhormonen behandelt wird, ist es besonders wichtig, dass die dosierte Tablette so eingenommen wird wie vorgeschrieben, unter anderem auf nüchternen Magen.» Und ganz falsch sei, zu denken, diese mal nicht mehr zu benötigen. «Da die Schilddrüse nicht mehr genug oder gar nichts leisten kann, braucht man die Hormone in vielen Fällen bis zum Lebensende.» Denn ein «Mimöschen» bleibt ein «Mimöschen».

Stoffwechsel und Schilddrüse: Das ist gut zu wissen!

Der Stoffwechsel ist die Grundlage aller Vorgänge für unser Überleben. Doch was passiert da genau? Und was ist wichtig, damit die Schilddrüse problemlos funktioniert?

Unter dem Stoffwechsel, auch Metabolismus genannt, versteht man alle biochemischen Vorgänge, die innerhalb und ausserhalb der Zellen ablaufen. Ein guter, gesunder Stoffwechsel versorgt die Körperzellen mit allem, was sie brauchen. Dazu gehören Energieträger, Baumaterial und Hilfs­stoffe wie Vitamine, Hormone und Enzyme. Ausserdem transportiert der Stoffwechsel Gifte und Abfallstoffe aus dem Körper, wandelt die aufgenommene Nahrung in Energie um und verbrennt die zugeführten Kalorien.

Der Stoffwechsel arbeitet rund um die Uhr – auch im Schlaf: Er sorgt im Verbrennungsmechanismus für die nötige Energie, damit der Körper atmen, Zellen regenerieren, das Blut zirkulieren und das Gehirn arbeiten können. Gerät unser Stoffwechsel aber ins Wanken, kann die Störung unter anderem zu entzündlichen Erkrankungen, Übergewicht, Energielosigkeit oder Verdauungsproblemen führen.

Etwa ab dem 60. Lebensjahr (je nach körperlicher Konstitution) verlangsamt sich der Ruhestoffwechsel. Das ist die Energiemenge, die der Körper im Ruhezustand verbrennt. Der Kalorienverbrauch nimmt dann mit jedem Jahr um etwa 0,7 Prozent ab. Das ist eine der Ursachen für eine Gewichtszunahme im Alter.

Zu den häufigsten Stoffwechselstörungen gehören Diabetes mellitus, Gicht und die Schilddrüsenunter- und -überfunktion. Die Schilddrüse produziert verschiedene Hormone, die über die Blutbahn an Orte im Körper gelangen, an welchen sie ihre Wirkung entfalten. Das eine, Thyroxin, spielt eine Schlüsselrolle bei der hausärztlichen Laborbestimmung, wie schnell oder langsam die chemischen Reaktionen des Stoffwechsels im Körper ablaufen.

In der Schweiz erkranken gemäss Angaben der Schweizerischen Krebsliga pro Jahr rund 800 Menschen an Schilddrüsenkrebs, das sind knapp 2% aller Krebserkrankungen. Es sind mehr Frauen als Männer betroffen.

Fünf Empfehlungen für die Schilddrüse

1. Jodversorgung sichern

Meeresfisch, Milchprodukte und Ei sowie jodiertes Speisesalz sind wichtige Lieferanten, aber auch Gemüse wie Brokkoli und Spinat. Verarbeitete Lebensmittel sollten auf ein Minimum reduziert werden.

2. Natürliches Selen miteinbeziehen

Verlässliche pflanzliche Selen-Lieferanten sind Kohl- und Zwiebelgemüse sowie Pilze, Spargel und Hülsenfrüchte.

3. Eisen nicht vergessen

Besonders viel Eisen steckt in rotem Muskelfleisch. Pflanzliche Lieferanten sind Hülsenfrüchte wie Linsen oder Sojabohnen, Nüsse und Samen wie Pistazien oder Sonnenblumenkerne, Gemüse und Kräuter wie Brunnenkresse, Petersilie, Zwiebeln. Vitamin C verbessert die Eisenaufnahme.

4. Vitamin-D-Zufuhr aufrechterhalten

Dazu verhelfen fetthaltige Fische (Lachs, Hering, Makrele), Eigelb, einige Speisepilze – und viel Sonnenlicht. Eventuell zu Vitamin-D-Präparaten in den Herbst- und Winter­monaten greifen, wenn die Sonneneinstrahlung gering ist. Dies am besten mit dem Arzt oder der Ärztin abklären.

5. Gesund leben

Bewegung, ausgewogene Ernährung und ein möglichst gutes Stressmanagement stärken den Hormonhaushalt. Rauchen erhöht das Risiko einer Schilddrüsenerkrankung, Alkohol kann die Hormonproduktion blockieren.