Familiensache
Volans Swimwear heisst das Herzensprojekt von Mira und Ivon Blazevic. Die Bikinis und Badekleider des Mutter-Tochter-Duos setzen einen hochwertigen Akzent in der darbenden Schweizer Modebranche.
Text: Anita Lehmeier, Fotos: Raphaela Pichler
Die Begegnung mit den Volans-Macherinnen findet zu Beginn der hektischen Hochsaison statt – im Frühling. Wenn für Frauen die Alle-Jahre-wieder-Frage am Horizont auftaucht: «Womit gehe ich im Sommer schwimmen? Geht das Badekleid vom letzten Jahr noch – umfang- und stilmässig? Passe ich noch zum Honolulu-Strandbikini oder ist der endgültig zu Itsy Bitsy Teenie Weenie?»

Mira und Ivon Blazevic warten am Hauptsitz von Volans Swimwear in Zürich Altstetten. Der grosse, helle, minimalistisch möblierte Raum dient als Atelier, Büro und Showroom. Abends steht er offen für Frauen, die sich vorher angemeldet haben und sich im Freundinnenkreis und bei Prosecco die Volans-Kollektion zu Gemüte und zu Leibe führen wollen. An einer Stange hängen Dutzende von Bikinis und Badekleidern, alle mit hübschen Namen und dem Logo von Volans versehen, dem stilisierten Sternbild des Fliegenden Fisches. Es braucht etwas Fantasie, sich die Stückchen Stoff am Körper vorzustellen. Da hilft der Katalog weiter, in dem alle Teile von Frauen getragen werden, die nicht bis zur Makellosigkeit retouchiert sind, sondern auch mal graue Haare, Hüftgold oder Dellen im Schenkel haben. Perfekt dagegen sind Schnitte und Verarbeitung der Teile. Man sieht ihnen an, dass sie genug Halt bieten, sodass man sorgenfrei ins Wasser springen kann und beim Sünnelen nicht dauernd am Textil züpfeln muss.
Die Tochter hat das letzte Wort
Eigentlich hätte das Treffen im Seebad Utoquai stattfinden sollen aber steter Regen verhindert ein Shooting im Freien. Den Volans-Ladys ist das ganz recht. «Wir stehen nicht gern im Fokus. Das überlassen wir unseren Kreationen. Wir bleiben lieber im Hintergrund», sagt Ivon Blazevic, 51. Ihre Mutter Mira Blazevic, 74, nickt zustimmend. Im Gespräch zeigt sich, wie harmonisch der Ton und der Umgang von Mutter und Tochter sind. Ihre Verwandtschaft ist unübersehbar, zeigt sich ganz besonders in den Gesten, dem Tonfall und sogar in der gleichen dezent-eleganten Kleidung.
Sie berichten von den Reisen nach Kroatien mindestens fünfmal im Jahr, wenn sie die Produktionsfirma besuchen. «Dann sind wir eine Woche rund um die Uhr zusammen: im Auto, in der Näherei, beim Essen, im Hotelzimmer», erzählt Ivon. Es wird beim Interview auch viel gelacht. Und gestritten? Die Mutter-Tochter-Konstellation birgt ja grundsätzlich Zündstoff, erst recht, wenn es ums Geschäft geht. «Wir streiten selten, und wenn, dann nie laut oder lang. Wir diskutieren viel während des kreativen Prozesses», erzählt Mira. «Das letzte Wort hat sowieso immer Ivon. Volans ist schliesslich ihr Geschäft, ich bin nur die helfende Hand und die reife Ratgeberin», betont die Ältere.
Von Kroatien nach Sursee ausgewandert
Damit stellt Mira ihren Beitrag etwas sehr bescheiden dar. Ihr Wirken auf der handwerklichen, kreativen Seite des Betriebes ist essenziell. Und sie gab auch den Ausschlag zur Lancierung von Volans, mit ihrer 44-jährigen Expertise in Sachen Bademode! Mira war als 19-Jährige von Kroatien in die Schweiz gekommen. Die Wäsche-Firma Calida schickte Ende der 1960er-Jahre Anwerber ins damalige Jugoslawien und brachte Busladungen junger Frauen nach Sursee, quartierte sie in Familien oder bei Schlummermüttern sicher ein und bot ihnen eine Ausbildung.

Mira war eine dieser mutigen jungen Frauen, die ihre Heimat für einen guten Job in der Schweiz verliessen. «Ausser meinem Vater, einem Patriarchen alter Schule, unterstützte die ganze Familie meine Ausbildung in der Fremde. Wir waren drei Freundinnen aus dem gleichen Dorf, das half gegen das Heimweh», erinnert sich Mira. Bei Calida entdeckte sie ihr Flair und ihr Talent fürs Nähen. Sie lernte bald einen jungen, feschen Coiffeur aus Baden kennen, einen Landsmann, es funkte heftig zwischen den beiden. Sie heirateten und bekamen zwei Mädchen, Ivon und Natasa. Mira fand dank ihrer soliden Ausbildung bald eine Stelle beim Bademode-Hersteller Lahco und wurde eine dieser modernen Working Mums. «Über Mittag ging ich heim zum Kochen und Essen mit der Familie, wir wohnten ganz in der Nähe der Fabrik.» «Wir hatten eine wundervolle Kindheit, meine Schwester und ich. Die Familie war quasi das Hobby unserer bienenfleissigen berufstätigen Eltern. Wir wurden zur Selbstständigkeit erzogen und ja – auch verwöhnt. Wir durften im Winter ins Skilager und im Sommer waren wir die Girls mit den meisten und schönsten Badekleidern. Unsere Mutter nähte für uns noch in ihrer Freizeit», erzählt Ivon voller Stolz.
Zuerst lehnt die Mutter ab
Kein Wunder, kam sie Jahre später, als eine Idee fürs eigene Business gefragt war, auf Bademode. Sie hatte Wirtschaft studiert, war in der Finanzbranche tätig und als Head of Marketing bei einem grossen Beauty- und Kosmetikhändler angestellt. Für den Schritt in die Selbstständigkeit kam sie auf – was sonst? – Bademode! Zusammen mit ihrer Mutter. Diese war pensioniert, hatte also Zeit und das Know-how. «Ich fiel vor Schreck fast vom Stuhl, als sie Nein sagte!», erzählt Ivon. Das Nein hatte gute Gründe: Mira kämpfte mit gesundheitlichen Problemen, die ihre ganze Zeit und Kraft banden. Und sie hatte den Niedergang der Schweizer Bademode-Branche beim Konkurs von Lahco selbst miterlebt.
«Ich hatte wenig Hoffnung für Ivons Pläne», so Mira. Aber sie hatte nicht mit der Hartnäckigkeit ihrer Tochter gerechnet. Die besorgte eine ganze Reihe von Stoffmustern für ihre Mutter. Die lehnte eines ums andere ab. «Wenn schon, dann starten wir mit dem bestmöglichen Material», so das Credo von Mira. Mit dem Muster Nummer 50, einem Top-Textil aus Como, schmolzen Miras Bedenken, sie legte los mit ersten Teilen. Volans, der Fliegende Fisch, hob 2018 ab. Ivon nutzte die Gunst der Stunde und sprach bei Globus vor. Die konkursite Lahco konnte nicht mehr liefern, Volans schon. Innert zweier Monate war die erste Kollektion parat – in Rekordzeit. Mit der Ausnahme eines Tauchers in der Coronakrise gewann Volans seither an Flughöhe und hält Mutter und Tochter auf Trab. Beide gönnen sich einmal jährlich Badeferien, jeweils mit ihren Ehemännern. In Zürich aber waren sie noch nie zusammen in der Badi. Das wollen sie gelegentlich nachholen. Wenn im Sommer alle Kundinnen mit Badekleidern und Bikinis versorgt sind.
Volans

© VOLANS Schweiz
Ivon Brazevic gründete die Firma 2018 als GmbH. Volans ist eines der wenigen Schweizer Labels, die sich auf hochwertige Bademode spezialisiert haben. Mira Brazevic entwirft die Modelle von Hand an der Schneiderpuppe, genäht werden sie von einem spezialisierten Familienbetrieb in Kroatien. Die meisten Modelle sind unifarben. Die Lycra-Elastan-Stoffe stammen aus einem Unternehmen in Como, das als einziges europaweit zertifiziert ist für einen ökologischen Fussabdruck der Produktion. Weiteres Zubehör wie Cups, Verschlüsse und Ringe stammen aus einer Manufaktur in Frankreich. Alle Materialien stammen aus einem Umkreis von 550 Kilometern, nichts davon wird per Flugzeug transportiert. Volans ist in allen Filialen von Globus zu finden, bei Loeb in Bern und in rund 16 weiteren Boutiquen in der Schweiz; in Deutschland bei KDW. Badekleider kosten zwischen CHF 185.– und CHF 279.–, Bikini-Tops zwischen CHF 94.– und CHF 119.–, Bikini-Höschen zwischen CHF 75.– und CHF 98.–.
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