Menschen, die unter Arthrose und Rückenweh leiden, können sich aktiv gegen ihre Leiden stemmen. Glad, ein innovatives Übungsprogramm aus Dänemark, mindert Schmerzen und andere negativen Auswirkungen auf die Lebensqualität merklich.
Text: Roland Grüter
Die Begeisterung der Expertinnen und Experten ist gross. Glad, ein neues therapeutisches Programm, soll Menschen mit Hüft- und Kniearthrose ein gutes Stück Lebensqualität zurückgeben. Betroffene lernen darin, bestimmte Muskelgruppen zu stärken, Bewegungsabläufe neu abzuspeichern und Haltungsfehler zu korrigieren. Die entsprechenden Übungen basieren auf internationalen wissenschaftlichen Erkenntnissen und stimulieren lädierte Gelenke dermassen positiv, dass Betroffene merklich weniger Schmerzen verspüren und wieder mobiler werden.
Die Methode kommt seit 2019 auch in der Schweiz zum Einsatz. Die hiesige Lizenznehmerin der Glad-Methode hat bereits mehr als 700 Physiotherapeutinnen und -therapeuten entsprechend ausgebildet. Sie wird von der Gesundheitsförderung Schweiz, einer privatrechtlichen Stiftung der Kantone und Versicherer, finanziell unterstützt. Die Krankenkassen ziehen ebenfalls mit. Sie übernehmen die Kosten ärztlich verordneter Glad-Therapien. Denn dadurch können chirurgische Eingriffe oft hinausgezögert, wenn nicht sogar verhindert werden.
90 Prozent der über 65-Jährigen leiden unter Arthrose
Der Bedarf für einen neuen therapeutischen Ansatz ist gross. Denn in der Schweiz leiden rund 90 Prozent der über 65-Jährigen gemäss Rheumaliga Schweiz unter den Folgen von Arthrose. Zwischen der Diagnose und einem beschwerdefreien Leben liegt meist ein langer Leidensweg, der von Schmerzen und Ratlosigkeit geprägt wird. Denn nachhaltig werden die Auswirkungen kaum je angegangen, die Schulmedizin therapiert, wenn überhaupt, meist nur Symptome – zumindest bis zum Ersatz des betroffenen Gelenkes.
Diese Lücke versucht Glad zu schliessen. Sie befähigt Menschen, sich in Eigenregie gegen Schmerzen und damit verbundene Einschränkungen zu stemmen. Die entsprechende Absicht ist bereits im Namen der Therapie verankert. Denn Glad bedeutet «Good Life with osteo Arthritis in Denmark», ein gutes Leben mit Arthrose. «Selbstmanagement gewinnt in medizinischen Fragen generell an Bedeutung – darauf richtet sich Glad aus», sagt Susann Bechter, Dipl. Physiotherapeutin und wissenschaftliche Mitarbeiterin der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW). Sie ist Projektmanagerin des Glad-Arthrose-Programms in der Schweiz.
Potenzial ist gross
Das Konzept wurde vor neun Jahren in Dänemark entwickelt, von einer universitären Einrichtung. Deren Erkenntnisse kommen mittlerweile bereits in Kanada, Australien, China, Neuseeland, Österreich, Deutschland, Irland und in der Schweiz zum Einsatz. Physiotherapeutinnen und -therapeuten müssen sich das entsprechende Know-how in Schulungen aneignen, bevor sie dieses anwenden dürfen. In Dänemark sind bereits 1500 Physiotherapeutinnen und -therapeuten zertifiziert. Rund 50 000 Menschen mit Hüft- und Kniearthrose haben dort das Programm schon absolviert. Hierzulande sind es erst um 1200 Menschen. Das Potenzial ist folglich gross.
Im Programm lernen Betroffene unter Anleitung der Expertinnen und Experten, wie und welche neuromuskulären Übungen sie absolvieren sollen. Dazu wird ihnen Wissen über ihr Leiden, und wie sie damit umgehen können, vermittelt. «So lernen sie die Schmerzen verstehen und können entsprechend besser darauf reagieren», sagt Susann Bechter. Denn meist beginnen sich Menschen zu schonen, wenn es im Knie oder in der Hüfte ständig zwickt und zwackt, und riskieren damit eine Verschlechterung des Zustands. Wie man aber mittlerweile weiss, mindern Bewegung und spezifische Trainingsprogramme Schmerzen und Einschränkungen. «Die Instruktionen sollen Betroffene befähigen, ihre Gelenkprobleme selbstständig zu managen – eine Hauptaufgabe der Methode», sagt Susann Bechter.
Die Erfahrungen werden in der ersten Phase stetig überprüft und die empfohlenen Übungen laufend angepasst. Im Anschluss wenden Patientinnen und Patienten Theorie und Übungen zu Hause in Eigenregie an. Hilfsmittel sind dafür keine erforderlich, ein Stuhl und eine Treppenstufe genügen. Nach einem Jahr erfolgt eine Abschlussbefragung.
Nach demselben Verfahren lassen sich auch wiederkehrende, unspezifische Rückenschmerzen behandeln, insbesondere jene im Kreuzbereich. Auch dafür wurde ein spezifisches Glad-Programm entwickelt, erste Physiotherapeutinnen und -therapeuten setzen dieses in der Schweiz bereits um – mit ähnlichem Erfolg wie bei Arthrose. Auch hier kann das Programm Menschen wieder froh und zufrieden machen – so wie es das englische Wort «Glad» verspricht.
Auf gladschweiz.ch finden Sie mehr Infos zum Glad-Programm – und die Adressen von zertifizierten Physiotherapeutinnen und -therapeuten.
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