Genf wird schnell einmal übersehen und links liegen gelassen. Das ist schade, denn Grünanlagen, der See, Museen und verschiedene Aktivitäten laden ein, die Rhonestadt zu entdecken.
Text: Marc Bodmer
Der Moment ist jedes Mal eindrücklich, wenn der Zug oberhalb von Nyon den Tunnel verlässt. Mit der majestätischen Gelassenheit eines kleinen Meers erstreckt sich der Genfersee, so weit das Auge reicht. Der Blick schweift in die Ferne und verfängt sich an den Hängen der französischen Alpen. Zwischen Eisenbahn und See säumen Rebberge die Ufer. Unglaublich schön, diese Aussicht.
Am Seezipfel Richtung Frankreich liegt die namensgebende Stadt Genf. Von dieser kennen die meisten den Jet d’eau und wissen um die internationale Bedeutung der Rhone-Stadt in Sachen Diplomatie. Auch dass sich der Hauptsitz des Internationalen Roten Kreuzes samt seinem sehenswerten Museum hier befindet, dürften viele Deutschschweizerinnen und Deutschschweizer im Kopf haben. Unweit des IKRK steht das Gebäude der Weltgesundheitsorganisation (WHO). Wie es sich gehört, weist die WHO auf einem grossen Plakat neben dem Eingang darauf hin, dass das ganze Gelände rauchfrei und damit eine gesunde Zone sei.
Diese Details und Sehenswürdigkeiten kann man unter anderem auf einer Stadtrundfahrt mit dem E-Tuktuk entdecken, zu deren historischen Hintergründen Chauffeur Aubin haufenweise spannende Informationen bietet. Vorzugsweise auf Französisch, wenn gewünscht aber auch auf Deutsch. Sein originelles Gefährt verfügt über vier Plätze und ist bestückt mit einem Tisch, in dessen Mitte auch ein Caquelon beheizt werden kann. So lassen sich gleich zwei tolle Dinge kombinieren: an der frischen Luft ein Fondue geniessen und durch die hübsche verwinkelte Altstadt kurven.
Diesmal gab es keinen geschmolzenen Käse, obschon das kühle Wetter dazu eingeladen hätte. Vielmehr standen die Gebäude und Wahrzeichen der Stadt auf dem Programm wie die Kathedrale von St. Peter (Saint Pierre), dessen Schlüssel sich im Kantonswappen wiederfindet. In der Altstadt haben sich auch neue Lokale eingerichtet wie das Uhrenatelier Initium, in dem man unter sachkundiger Leitung eine Uhr auseinandernehmen und anschliessend wieder zusammensetzen kann. Wer nicht mehr die ruhigste Hand hat, den unterstützt Uhrenmacher Fabiano mit Atemtechniken, die auch Scharfschützinnen helfen, das Ziel zu treffen. Welch erhebendes Gefühl, wenn sich die Zahnrädchen wieder an ihrem Platz befinden und sich mit einem feinen Klicken fixieren. Am Ende des Workshops schätzt man die kleinen Wunderwerke am Handgelenk umso mehr.
Einen Tick einfacher, aber wohl den Liebhaberinnen und Connaisseurs gebrannter Wasser vorbehalten, ist der Gin-Workshop in der Destillerie Bar/Lab, die sich mitten im beliebten Universitätsviertel Plainpalais befindet. Im hinteren Teil der Bar und in unmittelbarer Nähe von Rosemarie, dem schönsten Destillationsapparat der Rhone-Gegend, erklärt Workshop-Leiter Eliot, was Gin auszeichnet und wer ihn erfunden hat. Nicht wir Schweizer und auch nicht die Engländer – so viel sei hier verraten. Aus einer Auswahl verschiedener getrockneter Gewürze, Beeren und Rinden komponiert man eine Aromastruktur, die Genuss verspricht. Die Basis bilden stets Wacholder, Koriandersamen und Engelwurz. Der frisch geborene Gin, dem man einen Namen geben kann, mundet und darf zum Schluss in der selbst etikettierten Flasche mitgenommen werden.
Wem dies alles zu urban ist, klopft am besten bei Gideon Urbach an. Auf einem E-Bike führt der sonst als Übersetzer tätige Guide seine Gäste über wenig befahrene Wege und Strassen durch die nahegelegenen Rebberge rund um Genf und besucht Winzer, die ihre Keller auch für eine Degustation öffnen. Es stehen verschiedene Routen zur Verfügung, eigene Pläne können auf Wunsch aber ebenfalls umgesetzt werden.
So viel Aktivität und Abwechslung macht hungrig und müde. Wunderbar stärken und erholen kann man sich im Hotel Restaurant du Parc des Eaux-Vives. Wenn das Wetter es zulässt, ist ein Lunch auf der Terrasse mit Blick auf den See sehr zu empfehlen. Das zum 4-Sterne-Boutique-Hotel umgebaute Herrenhaus aus dem 18. Jahrhundert hat gerade mal sieben Zimmer. So intim der Rahmen, so weitläufig ist die Parkanlage mit ihren riesigen Bäumen, die einige Jahrzehnte, wenn nicht gar Jahrhunderte hinter sich haben.
Genf wurde auch schon als Mauerblümchen-Stadt beschrieben, die auf Reisen gerne übersehen werde und als blosse Transitdestination für internationale Flugpassagiere ihr Dasein friste. Doch wer die Stadt am Lac Léman links liegen lässt, tut sich keinen Gefallen. Denn Genf hat viel mehr zu bieten als den Jet d’Eau und den Hauptsitz der WHO. ❋
Neben den Print-Ausgaben der Zeitlupe erhalten Sie Zugang zu sämtlichen Online-Inhalten von zeitlupe.ch, können sich alle Magazin-Artikel mit Hördateien vorlesen lassen und erhalten Zugang zur Online-Community «Treffpunkt».
Um diese Website optimal bereitzustellen, verwenden wir Cookies.
Mit der Nutzung dieser Website stimmen Sie der Verwendung von Cookies zu. Erfahren Sie mehr in der
Datenschutzerklärung.