© Fachstelle Zürich im Alter

Sicher wohnen, länger daheim: So hilft smarte Technologie

Digitale Hilfsmittel machen es möglich, trotz Einschränkungen selbstständig und sicher in den eigenen vier Wänden zu wohnen. In der «digitalen Alterswohnung» in Zürich können Interessierte die modernen Helferlein besichtigen und testen.

Text: Annegret Honegger

Die Lismete liegt auf dem Couchtisch, ein paar Illustrierte auf dem Sofa und beim Puzzle auf dem Stubentisch fehlen nur noch letzte Teilchen. Doch in der hellen 2,5-Zimmer-Wohnung der «Stiftung Alterswohnungen der Stadt Zürich» im Irchel-Quartier sieht es nur so aus, als sei die Bewohnerin einfach kurz spazieren gegangen.

Denn hier lebt niemand – oder bloss Elsbeth Schmid und ihre digitalen Helfershelfer. Elsbeth Schmid ist die fiktive Figur, die einen per Video begrüsst und erklärt, was sie an der modernen Technologie in ihrer Wohnung schätzt: Sie unterstützt sie im Alltag, verhindert Stürze und kann im Notfall Hilfe holen.

Real begrüssen einen Fabienne Schüpbach von der Fachstelle «Zürich im Alter» und Jean-Paul Zugliani. Der 69-Jährige führt als «Digital Guide» ältere Menschen und ihre Angehörigen durch die Musterwohnung, in der eine ganze Palette von digitalen Hilfsmitteln zu Demonstrationszwecken im Einsatz steht. Die Geräte im Schlafzimmer, in der Stube und im Bad reichen von «einstecken und loslegen» bis zu komplex konfigurierbaren Systemen und decken ganz unterschiedliche Situationen von tiefem bis hohem Unterstützungsbedarf ab.

Hilfe nach einem Sturz

Alleinlebende etwa fürchteten oft, nach einem Sturz nicht mehr aufstehen und keine Hilfe holen zu können, sagt der Experte. Für dieses Szenario gibt es zum Beispiel das Gerätchen neben dem Fernseher, das aussieht wie ein kleines weisses UFO. Wer «Hilfe! Hilfe! Hilfe!» ruft, wird mit einer hinterlegten Telefonnummer oder einer Notrufzentrale verbunden, die Unterstützung organisiert. Auch ans Trinken kann einen das Patent eines Zürcher Start-ups erinnern und warnen, wenn die Luftqualität abnimmt und man wieder einmal lüften sollte.

Digitale Alterswohnung: Person macht ein Puzzle. Auf dem Tisch ist das Ufo-artige "Caru" zu sehen.
Jean-Paul Zugliani, Digital Guide in der digitalen Alterswohnung, demonstriert ein Gerät, das Hilferufe erkennt. © Fachstelle Zürich im Alter

Im Schlafzimmer leuchtet eine Lichtschlange per Bewegungsmelder automatisch, sobald man das Bett verlässt, und weist nachts den Weg ins Bad. Auf dem Nachttisch liegen Uhren, in denen mehr steckt als bloss ein gewöhnliches Werk: Sie können einen Alarm absetzen, den Standort verschicken und etwa nach einem Sturz wie ein Mobiltelefon Angehörige oder die Notrufzentrale kontaktieren.

Künstliche Intelligenz hilft mit

Unter der Matratze zeigt Jean-Paul Zugliani einen Sensor, der die Aktivität überwacht und zum Beispiel merkt, ob jemand am Morgen nicht aufsteht oder nach dem nächtlichen Toilettengang nicht ins Bett zurückkehrt. Auch Schlafqualität, Atem– und Herzfrequenz werden auf Wunsch gemessen und machen auf eine Verschlechterung des Gesundheitszustandes aufmerksam. «Licht aus» befiehlt der Guide beim Verlassen des Schlafzimmers und es wird dank Sprachassistent dunkel. Neben der Beleuchtung könnte man auch den Fernseher oder elektrische Fensterläden mit der Stimme steuern.

Digitale Alterswohnung: Lichtsteuerung per Handy
Es werde Licht – per Smartphone oder Sprachbefehl © Fachstelle Zürich im Alter

«Wer sich digitale Technologie zunutze macht, kann selbstständig und sicher und daher länger in den eigenen vier Wänden wohnen», betont Fabienne Schüpbach. Zunehmend stecke auch künstliche Intelligenz in modernen Unterstützungssystemen, sagt sie und deutet auf eine silberne Kugel an der Wohnzimmerdecke. Dieses Gerät identifiziert Hilferufe und kann feststellen, ob jemand im Raum gestürzt ist oder ob sich das Bewegungsmuster eines Bewohners besorgniserregend verändert. Als sich Fabienne Schüpbach auf den Boden legt, meldet die App dem Guide via Handy den gespielten Sturz sofort.

Die Stabsmitarbeiterin bei der Fachstelle «Zürich im Alter» ist mit ihrem Team für die Auswahl der Geräte und Systeme in der digitalen Alterswohnung verantwortlich. Diese müssen einfach zu installieren und intuitiv zu bedienen sein und möglichst aus der Schweiz stammen. Denn ebenso wichtig wie reibungsloses Funktionieren ist eine jederzeit erreichbare Hotline bei Problemen.

Technik-Freude, Technik-Skepsis

Dass die «Digitale Alterswohnung» auf den ersten Blick «ganz normal» aussieht, sei Programm, erklärt Fabienne Schüpbach: «Wir wollen Hemmschwellen abbauen und zeigen, dass sich die Technik ganz diskret einsetzen lässt.» Jean-Paul Zugliani erlebt diesbezüglich bei seinen Führungen die ganze Bandbreite: «Es gibt richtige Technik-Fans, während andere sich anfänglich etwas überwinden müssen.»

Manche Geräte wie etwa ein Bewegungsmelder für automatisches Licht speichern keine Daten, andere sollen dies möglichst sparsam und auf Servern in der Schweiz oder in Europa tun. Auf Datensicherheit werde grosser Wert gelegt, betont die Fachfrau. Letztlich gehe es oft um einen Kompromiss: «Etwas mehr Überwachung bringt meist etwas mehr Sicherheit.» Für manche sei es undenkbar, dass ein Gerät wie ein Smartspeaker ständig mithört. Andere fühlen sich dadurch sicherer: «Diese Frage muss jede und jeder für sich selbst beantworten.

Für Skeptische verrät der Digital Guide ein paar altbewährte Tricks. Etwa mit den Nachbarn zu vereinbaren, dass man Hilfe braucht, wenn am Morgen die Fensterläden geschlossen bleiben, wenn die Zeitung bis am Mittag vor der Tür liegt oder der Abreisskalender noch das Datum vom Vortag anzeigt: «Das funktioniert ganz ohne Technik.»

«Digitale Alterswohnung» in Zürich

In der «Digitalen Alterswohnung» der Fachstelle Zürich im Alter können Interessierte begleitet von einem Digital Guide digitale Hilfsmittel kennenlernen, live erleben und ausprobieren. Broschüren empfohlener Hersteller liegen auf und eine Liste bietet einen Überblick, welche Technologie bei welchem Anliegen hilft, wie hoch die Anschaffungskosten sind, ob es zur Nutzung ein Abonnement braucht und an wen man sich für Support wenden kann.

Die «Digitale Alterswohnung» befindet sich in einer Wohnsiedlung in Zwischennutzung, was bedeutet, dass die Wohnung nicht vermietet, sondern bald saniert wird. Sie kann nach Voranmeldung jeweils mittwochs zwischen 13 und 16 Uhr sowie samstags zwischen 10 und 13 Uhr besichtigt werden. Informationen und Anmeldung im Internet oder per Telefon 044 412 11 22.

Noch mehr Technik der Zukunft? In Luzern kann man das iHomeLab besichtigen, wo im Bereich Smarthome und Gebäudeintelligenz geforscht wird. Auch die Zeitlupe hat bereits darüber berichtet.

Beitrag vom 12.08.2025

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