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Weit gereiste Schnecke

Weinbergschnecken sind spätestens seit der Römerzeit hierzulande bekannt. Seit je sind sie kulinarisch gefragt, doch die grossen Schnecken pflanzen sich nur langsam fort. Sie finden auch in naturnahen Gärten wertvollen Lebensraum.

Text: Esther Wullschleger

Menschen haben schon in der Steinzeit Schnecken verzehrt und verschleppt. Doch es könnten auch die Römer gewesen sein, die nebst Wein, Nussbaum und Siebenschläfer die nahrhafte Weinbergschnecke nach Mitteleuropa gebracht hatten. Zu jener Zeit hatte man in Rom bereits Schneckengärten angelegt, um solche Tiere aufzuziehen, Rezepte formuliert und die eingedeckelt lange frisch bleibenden Schnecken sicher auch als Reiseproviant geschätzt. Möglicherweise reisten die Tiere so durch weite Teile des römischen Imperiums und gelangten bis auf die Britische Insel, wo anscheinend Kolonien von Weinbergschnecken, bei den Briten treffend «Römische Schnecken» genannt, im Umfeld römischer Ruinen bis in heutige Zeit überdauert haben sollen.

Hierzulande kommt die Weinbergschnecke wieder recht verbreitet vor, wo sie noch geeigneten Lebensraum findet. Die grösste unserer heimischen Häuschenschnecken benötigt strukturreiche, extensiv genutzte Kulturlandschaften auf kalkhaltigen Böden. Sie besiedelt Obst- und Weinbauflächen, naturnahe Gärten wie auch Parks, Acker- oder Waldränder oder Friedhöfe. Bis weit ins letzte Jahrhundert hinein wurde die nahrhafte Weinbergschnecke jedoch massenweise gesammelt, gehandelt und in der Küche zubereitet, sodass sie ab den 1970er-Jahren unter Schutz gestellt werden musste. Mit gutem Grund darf man Weinbergschnecken nicht mehr massenhaft sammeln (in manchen Kantonen stehen sie noch generell unter Schutz), und zum Glück kann der Bedarf an den beliebten Escargots für Feinschmecker heute über Schneckenfarmen
gedeckt werden.

Langsam und langlebig

Während an trockenen Sommertagen kaum etwas von ihnen zu sehen ist, werden Weinbergschnecken in regnerischen Zeiten auch tagsüber aktiv. Manchmal finden sich dann im frühen Sommer Paare, sodass des Öfteren Weinbergschnecken in ihrer charakteristischen Paarungsstellung mit erhobenem Körper und aneinandergepressten Fusssohlen zu beobachten sind. Sie sind wie andere Landschnecken Zwitter, was die Begegnungswahrscheinlichkeit erhöht, können sich aber nicht selbst befruchten.

Die Eiablage findet etwa zwischen Ende Juni bis Anfang August statt und ist ein enormer Kraftakt für das mütterliche Tier. Die Schnecke hebt dazu eine kleine Erdhöhle aus, die sie im unteren Bereich durch drehende Bewegungen des Vorderkörpers erweitert. Nach dem Bau der Höhle ruht die Schnecke für einige Stunden, bevor sie 40 bis 60 gut erbsengrosse weisse Eier in grösseren Zeitabständen darin ablegt. Einen ganzen Tag lang kann es dauern oder etwas mehr, bis die Eiablage abgeschlossen ist.

Die winzigen Weinbergschnecken-Schlüpflinge, die sich nach etwa 25 Tagen an die Erdoberfläche durchgraben, haben bereits im Ei ein kleines Kalkhäuschen entwickelt. Sie benötigen wiederum viel Zeit, um heranzuwachsen. Je nachdem, ob sie früh oder spät im Jahr geschlüpft waren, erreichen sie das Erwachsenenalter nach zwei oder drei Überwinterungen. Während ausgewachsene Spanische Wegschnecken den Winter normalerweise nicht überleben, vergraben sich die Weinbergschnecken zu Beginn der kalten Jahreszeit genügend tief im Boden und verschliessen ihr Gehäuse mit einem soliden Kalkdeckel. So können Weinbergschnecken bis weit über 20 Jahre alt werden, wenn die Umstände günstig sind.

Schützendes Schneckenhaus

Ihr stabiles Häuschen ist überlebenswichtig, denn es bietet Schutz vor Beutegreifern und Temperaturextremen. Auch eine Trockenstarre als schlafartige, länger andauernde Ruhephase ist darin möglich, wenn Dürrezeiten dies erfordern, wobei die Schnecken den drohenden Feuchtigkeitsverlust durch die Bildung eines feinen Häutchens am Hauseingang verringern. Weinbergschnecken klettern gerne an Mauern, Zaunpfählen oder Baumstämmen hoch, um der drückenden Hitze in Bodennähe zu entgehen. So kommt es manchmal vor, dass eines der Tiere herunterfällt und sein Gehäuse dabei leicht beschädigt wird.

Solange ein solcher Bruchschaden nicht allzu heftig ausgefallen ist, können die Schnecken ihr Haus von innen heraus reparieren, was meist ziemlich schnell geschieht. Unregelmässige, wulstig erscheinende Stellen auf der Schale verraten ein solches Malheur. Die typische braune Farbe der Weinbergschneckengehäuse stammt von einer proteinhaltigen Schutzschicht über dem Kalk. Diese Schicht ist bei älteren Tieren meist durch Witterungseinflüsse beeinträchtigt und kann dadurch abblättern.

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Mit und ohne Haus

In der Schweiz existieren rund 200 Arten von Landschnecken, etwa 40 Prozent davon sind gefährdet. Manche, die auch in Gärten auftreten, verzehren vor allem abgestorbene Pflanzenteile und fördern so die Humusbildung. Andere wie der wunderschön gezeichnete Tigerschnegel streifen nachts räuberisch umher und fressen unter anderem die Gelege anderer Schnecken. Sehr wenige Arten von Nacktschnecken, besonders die Spanische Wegschnecke und die Genetzte Ackerschnecke, können sich stark vermehren und Schäden anrichten. Schneckenkörner sind keine nachhaltige Lösung, da sie auch andere Schnecken töten.

Beitrag vom 26.09.2023

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