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«Son of a preacher man» von Dusty Springfield Songs und ihre Geschichten

Dusty Springfield, die englische Pop-Ikone der 1960er-Jahre, liebte glamouröse Auftritte und das Drama grosser Songs. Dank ihrer einzigartigen Stimme wurde die Britin auch «The White Queen Of Soul» genannt.

Text: Urs Musfeld

Dusty Springfield litt unter starkem Lampenfieber und war voller Selbstzweifel. Ihr Markenzeichen waren die Bienenkorbfrisur, tiefschwarz geschminkte Augen und eine Stimme, die ihr den Beinamen «The White Queen Of Soul» einbrachte.

Geboren 1939 in London gründet Mary O’Brien anfangs der 1960er-Jahre zusammen mit ihrem Bruder Tom und Tim Field das erfolgreiche Folk-Trio The Springfields. Als eine der ersten britischen Bands schaffen sie es in die amerikanischen Charts. Aus Mary O’Brien wird Dusty Springfield.

Nur ein paar Wochen nach der Auflösung des Trios im 1963 landet Dusty Springfield gleich mit ihrer ersten Solo-Single «I only want to be with you» einen Hit, ein simples Liebensbekenntnis mit dramatischem Sound und eingängiger Melodie

1964 beginnt ihre langjährige Zusammenarbeit mit Burt Bacharach, dessen Komposition «I just don’t know what to do with myself» sie endgültig zum Star macht.  

Im selben Jahr sorgt Springfield auch für politischen Wirbel, als sie aus Südafrika ausgewiesen wird, weil sie sich weigert, vor einem nur hellhäutigen Publikum aufzutreten.

Meisterwerk «Dusty In Memphis»

Als zeitweilige Co-Moderatorin der BBC-Fernsehshow Ready Steady Go! stellt sie 1965 in der Spezialserie «The Sound of Motown» in Europa wenig bekannte Motown-Stars wie The Supremes, The Temptations, Martha & The Vandellas oder Stevie Wonder dem britischen Publikum vor. Eine Herzensangelegenheit, denn mit ihren gefühlvollen Coverversionen von Motown-Hits hat sich Dusty Springfield bereits den Ruf einer der besten weissen Soul-Sängerinnen erworben.

Bis 1968 gelingen ihr weitere Chartserfolge mit melodramatisch orchestrierten Pop-Oden – oder wie sie es nennt – «big ballady things» – darunter der Nummer-eins-Hit «You don’t have to say you love me» (1966) und«I close my eyes and count to ten» (1968).  

Im Zuge der Rockmusik und des Summer of Love gelten Popsängerinnen als unzeitgemäss. In der Hoffnung, ihrer Karriere neuen Schwung zu verleihen, unterschreibt Dusty Springfield 1968 beim amerikanischen Label Atlantic, der musikalischen Heimat ihres grossen Idols Aretha Franklin. Sie reist nach Memphis, um mit dem Produzenten-Trio Jerry Wexler, Tom Dowd und Arif Mardin Aufnahmen zu machen und stärker zu den Wurzeln der raueren, kantigeren Soulmusik vorzudringen.

Doch die Studio-Sessions sind schwierig. Immer wieder geplagt von Selbstzweifeln, ist sie nie zufrieden mit ihrem Gesang. Dustys endgültiger Gesang muss schliesslich später allein in einem separaten Studio in New York aufgenommen werden.

Das daraus resultierende Album, das Anfang 1969 unter dem Titel «Dusty In Memphis» veröffentlicht wird, bleibt ihr Meisterwerk. Eine perfekte Verbindung von Pop und Soul, die durch ihre emotionale Komplexität und schlichte Schönheit besticht.

Springfield widersteht der Versuchung, wie Aretha zu tönen, und verlässt sich stattdessen eher auf Understatement, Timing und Vortrag.

Der englische Musiker Elvis Costello schreibt im Begleittext der 2002er Neuauflage von «Dusty In Memphis»: «Dusty Springfields Gesang auf diesem Album gehört zum Besten, was jemals von irgendjemandem aufgenommen wurde. Er ist überwältigend sinnlich und selbstbeherrscht, aber er ist niemals selbstgefällig. Der Gesang kann in den ersten Zeilen eines Liedes vertraulich, intim oder verletzlich sein, um dann im Refrain vor unbeschreiblicher Emotion zu explodieren. Jedes Crescendo ist wohlüberlegt; die Darbietungen sind nie protzig oder bombastisch. Der auffälligste Eindruck ist der von Ehrlichkeit».

Neben den grossartigen Songs von Burt Bacharach, Randy Newman und dem Songschreiberpaar Carole King und Gerry Goffin interpretiert Springfield auch die Ballade «The windmills of your mind» von Michel Legrand und liefert mit «Son of a preacher man» das Kernstück der LP, das 1968 schon als Vorabsingle erschienen ist. Der überzeugendste Ausflug einer britischen Künstlerin ins Soul-Territorium.

«Son of a preacher man» stammt aus der Feder des Songwriter-Duos John Hurley und Ronnie Wilkens, ursprünglich geschrieben für Aretha Franklin. Ihr Vater C.L. Franklin ist ein bekannter Baptistenprediger – so kommen die beiden auf die Idee zum Titel. Aretha nimmt den Song zwar auf, veröffentlicht wird er aber nicht, weil er zu gospelhaft sei und nicht zu den anderen Liedern auf ihrer neuen Platte passen würde. Ihre Version erscheint erst 1970. Den Zuschlag erhält Dusty Springfield, die das Lied zu einem Hit macht.

«Son of a preacher man» handelt von einem jungen Mädchen, das sich jedesmal mit dem Sohn des Predigers davonschleicht, wenn er mit seinem Vater ihr Haus besucht.

Billy Ray was the preacher’s son
And when his daddy would visit he’d come along
When they gathered ‹round and started talkin›
That’s when Billy would take me walkin›
Out through the back yard we’d go walkin›
Then he’d look into my eyes
Lord knows, to my surprise

Billy-Ray war der Sohn eines Predigers
Und wenn sein Vater zu Besuch kam, dann kam er mit.
Wenn sie sich versammelten und zu reden begannen,
Dann ging Billy mit mir spazieren.
Wir gingen durch den Hinterhof hinaus
Dann schaute er immer in meine Augen
Gott weiss es, zu meiner Überraschung 

Dieser «Sohn des Predigers» lehrt sie die Liebe und ist der einzige, den sie je geliebt hat. Ihre Beziehung wird immer enger.

The only one who could ever reach me
Was the son of a preacher man
The only boy who could ever teach me
Was the son of a preacher man
Yes, he was, he was, ooh, yes, he was

Der Einzige, der mich je erreichen konnte
War der Sohn eines Predigers
Der einzige Junge, der mich je lehren konnte
War der Sohn eines Predigers

Being good isn’t always easy
No matter how hard I try
When he started sweet-talkin› to me
He’d come and tell me 
«Everything is alright»
He’d kiss and tell me 
«Everything is alright»
Can I get away again tonight?

Es ist nicht immer leicht, gut zu sein
Egal wie sehr ich es versuche
Als er anfing, mit mir zu reden
Er kam und sagte mir «Alles ist in Ordnung»
Er küsste mich und sagte: «Alles ist in Ordnung»
Kann ich heute Nacht wieder weggehen?

How well I remember
The look that was in his eyes
Stealin› kisses from me on the sly
Takin› time to make time
Tellin› me that he’s all mine
Learnin› from each other’s knowin›
Lookin› to see how much we’ve grown and

Wie gut ich mich erinnern kann 
Der Blick, den er in seinen Augen hatte,
Mir auf schlaue Art Küsse zu rauben,
Er nahm sich Zeit und schenkte uns Zeit
Sagte mir, dass er nur mir gehört
Wir lernten einer vom anderen
Und merkten, dass unsere Beziehung immer enger wurde

Mit spielerischer Leichtigkeit, ohne jede spürbare Anspannung bringt Dusty Springfield den Text zum Schwingen. 

«Son of a preacher man» erobert Jahrzehnte nach der Erstveröffentlichung noch einmal ein ganz neues Publikum, als Quentin Tarantino den Song in den Soundtrack seines Kultfilms «Pulp Fiction» (1994) aufnimmt.

Obwohl die Single auf beiden Seiten des Atlantiks die Top Ten der Hitparaden erobert, ist das Album «Dusty In Memphis» selbst ein kommerzieller Misserfolg. Erst viel später wird es von der Kritik und den Musikliebhaber:innen als Meilenstein erkannt.

In den 1970ern verblasst ihr Ruhm langsam. Grosse Hits gelingen ihr kaum noch, ihr Sound scheint überholt. Dazu kommt, dass sie sich als lesbisch outet, was zu jener Zeit noch als Skandal gilt.

Mitte der 1980er-Jahre gilt Dusty Springfield als Ikone von vorgestern.

Die Zusammenarbeit mit dem britischen Synthie-Pop-Duo Pet Shop Boys holt Dusty Springfield 1987 schlagartig aus der Vergessenheit – nach zeitweise schwerer Alkohol- und Kokainabhängigkeit, zyklischen Comeback-Versuchen und immer länger währenden Karrierepausen.

Nach dem gemeinsamen Hit «What have I done to deserve this» servieren ihr die beiden Musik noch zwei weitere «Nothing has been proved» und «In private», beide zu hören auf Springfields Comeback-Album «Reputation» (1990), das ihre finale, grosse Platte wird.

Egal in welchem Genre sie sich bewegt, ob Soul, Jazz-Balladen, Bossa Nova, Pop, New Wave oder Disco, Dusty Springfield bleibt immer unverkennbar Dusty Springfield.

1999 stirbt die Sängerin an Brustkrebs.


Urs Musfeld alias Musi

Portrait von Urs Musfeld

© Claudia Herzog

Urs Musfeld alias MUSI, Jahrgang 1952, war während 39 Jahren Musikredaktor bei Schweizer Radio SRF (DRS 2, DRS 3, DRS Virus und SRF 3) und dabei hauptsächlich für die Sendung «Sounds!» verantwortlich. Seine Neugier für Musik ausserhalb des Mainstreams ist auch nach Beendigung der Radio-Laufbahn nicht nur Beruf, sondern Berufung.

Auf seiner Website «MUSI-C» gibt’s wöchentlich Musik entdecken ohne Scheuklappen zu entdecken: https://www.musi-c.ch/

Beitrag vom 22.02.2023

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