
Zwei Schritte vorwärts, einer zurück
Was hat die feministische Bewegung in den letzten 200 Jahren erreicht – und was nicht? Yvonne-Denise Köchli liefert in «Eine kurze Geschichte der Frauen» eine Standortbestimmung auf dem Weg zur Gleichstellung.
Text: Annegret Honegger
Die ersten Studentinnen an der Universität, die Erfindung der Antibabypille, die Kanzlerschaft von Angela Merkel oder die MeToo-Bewegung – die Journalistin und Autorin Yvonne-Denise Köchli erzählt die Geschichte der Frauen anhand von Impulsen. Impulse, welche die Welt und den Alltag der Frauen Schritt für Schritt veränderten und verbesserten.
Sie geht zurück zu den Wurzeln vieler Diskriminierungen: zur Französischen Revolution mit der Erklärung der Menschenrechte. Meint diese «Déclaration des droits de l’homme et du citoyen» nur die Männer? Oder bedeuten Menschenrechte automatisch auch Frauenrechte? Das Nein am Ende der revolutionären Wirren begründet eine bis heute nachwirkende Geschlechterordnung, die Frauen aus der politischen Öffentlichkeit verbannt und ihre Care- und Hausarbeit abwertet.
Hitler, Beauvoir, Barbie
Die Autorin folgt dem steinigen Weg der Frauenbewegung Fortschritt für Fortschritt, Rückschlag für Rückschlag. Sie zeigt auf, welchen Einfluss der Nationalsozialismus mit seinem Mutterkult hat und wie die Nachkriegszeit die Hausfrau glorifiziert. Was Bücher wie «Le deuxième sexe» von Simone de Beauvoir oder Institutionen wie der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte bewirken – oder auch die Barbie-Puppe.
Sie beschreibt den Kampf ums Stimmrecht, um das Recht auf Abtreibung ebenso wie die Auswirkungen von Antibabypille und Aids. Zeigt, wie «Gender Studies» einen neuen Blick auf Wissenschaft und Gesellschaft bringen, wie die Sprache gendergerechter wird und wie Gendermedizin Frauen endlich als Patientinnen statt als Patienten behandelt. Wie sich Frauen einen Platz in Literatur, Kunst und Medien erobern, immer mehr eigene Massstäbe setzen und damit die alleinige männliche Deutungshoheit beenden.
Geld und Gewalt
Im 21. Jahrhundert hingegen gehe es bisher eher langsam vorwärts, schreibt Yvonne-Denise Köchlin. Insbesondere in zwei wichtigen Bereichen blieben grosse Missstände bestehen: Geld und Gewalt. Noch immer seien Frauen finanziell benachteiligt und von sexualisierter Gewalt bedroht. Auch die wachsende Macht von Autokraten und Rechtspopulisten lasse wenig Gutes befürchten.
Das Übersichtswerk ist eine facettenreiche Reiseführerin durch 200 Jahre Frauen- und Geschlechtergeschichte. Mit Fakten, weiterführenden Literaturtipps wie auch persönlichen Anekdoten bietet sie einen Einblick in die wichtigsten Aspekte des Themas. Die Autorin möchte damit auch jüngere Frauen ansprechen und aufzeigen, was ihre Vorgängerinnen bereits erreicht haben. So müsse nicht jede Generation wieder bei null anfangen, sondern kann auf den Schultern vorangegangener Frauen weiterkämpfen.
Auch Yvonne-Denise Köchli schliesst mit dem oft gehörten Fazit: Bezüglich Gleichstellung bleibt noch viel zu tun. Denn noch immer profitiert von den rund vier Milliarden Frauen der Welt nur ein Viertel von den Fortschritten – diejenigen in Mitteleuropa, Nordamerika, Australien und Neuseeland. In allen anderen Weltgegenden sind Unabhängigkeit und Gleichberechtigung von Frauen noch immer das Privileg einiger weniger.

Yvonne-Denise Köchli: Eine kurze Geschichte der Frauen. Von 1791 bis 2024. 250 Seiten, ca. CHF 34.80, Xanthippe Verlag, Herbst 2024. Yvonne-Denise Köchli (*1954), promovierte Germanistin und Publizistin, gründete den Xanthippe Verlag 2003.