Am 8. November teilen wieder Tausende das Erlebnis des gemeinsamen Lesens und Vorlesens: Es ist Erzählnacht.
Happy End
Eine Ausstellung im Vögele Kulturzentrum in Pfäffikon SZ regt auf vielfältige Weise dazu an, sich mit dem Thema Tod auseinanderzusetzen. Alles andere als «tötelig»!
Text: Claudia Senn
Mit jedem Tag kommen wir dem Tod ein kleines Stückchen näher. So war es vom Augenblick unserer Geburt an. So wird es unser Leben lang bleiben, bis ganz zum Schluss. Ein unangenehmer Gedanke? Für viele schon. Wer zu jenen Menschen zählt, die diese erschreckende Tatsache lieber verdrängen, bis sie das Klopfen des Sensemanns gar nicht mehr überhören können, der wird vermutlich auch nicht ins Vögele Kulturzentrum pilgern. Alle anderen finden in der Ausstellung «Der Tod, radikal normal» eine grossartige Möglichkeit, der eigenen Angst vor dem Unausweichlichen ins Gesicht zu schauen.
Wie lohnenswert das sein kann, bringt Stefan Jäggi, Sterbebegleiter im Hospiz Aargau in Brugg, auf den Punkt. Er, der schon unzählige Menschen hat sterben sehen, rät in einem der vielen kurzen Videos, sich unbedingt schon in guten Zeiten mit dem eigenen Ableben auseinanderzusetzen. «Das wird Ihnen in der Stunde Ihres Todes zugutekommen.» Unschwer ist zu erkennen, dass das auch die Absicht der Ausstellungsmacherinnen und -macher ist: Sie eröffnen uns zahlreiche Möglichkeiten, das Thema Tod zu umkreisen, es von allen Seiten zu beleuchten und zu betrachten. Jetzt schon. Damit wir, wenn es eines Tages soweit sein wird, besser vorbereitet sind.
© Vögele Kultur Zentrum
Tote Menschen, die als solche erkennbar wären, sieht man in dieser Ausstellung keine. Die Kuratoren setzen nicht auf Schockeffekte, sondern auf intellektuelle und emotionale Anregung. Das Entscheidende sind nicht so sehr die Exponate selbst, sondern das, was sie in den Köpfen der Besucherinnen und Besucher auslösen. In fünfminütigen Videosequenzen thematisieren Fachleute etwa Fragen wie «Was ist ein gutes Sterben?». Auf schlichten A4-Blättern wird in fast schon erschütternd nüchterner Sprache erklärt, wie sich Ertrinken, Erfrieren, Verbrennen und andere gewaltsame Todesarten anfühlen.
Die Künstlerin Tina Ruisinger hat die Aschen, Knochenreste und künstlichen Gelenke fotografiert, die nach einer Kremation zurückbleiben – eine Trümmerwüste der menschlichen Überreste, die auf den Fotos eher faszinierend als abschreckend wirkt. Die Mitmach-Installation «Darf man das?» lädt zum Nachdenken über den eigenen moralischen Kompass ein, indem sie Fragen wie «Darf man einem Menschen den Tod wünschen?» oder «Darf man über Verstorbene lästern?» aufwirft. Der Künstler Timm Ulrichs hat sich für den Moment, in dem er für alle Ewigkeit die Augen schliessen wird, die Worte «The End» aufs rechte Augenlid tätowieren lassen – als «Schlusspointe», wie er es selbst ausdrückt.
Am berührendsten sind aber wohl die Einträge im Gästebuch, in dem die Besucherinnen und Besucher am Ende der Ausstellung ihre persönlichen Gedanken notiert haben. Etwa jener Mann, der sich wünscht, «drei Wochen vor dem Tod an Alzheimer zu erkranken», um von seinem Abgang möglichst wenig mitzubekommen. Oder jene Frau, die sich vornimmt, ganz anders zu sterben als ihr Mann, dessen abruptes und viel zu frühes Ableben die ganze Familie einst in einen Schockzustand katapultiert hatte. «Nach meinem grossen Fest zum 99. Geburtstag mit all meinen Liebsten werde ich in der darauffolgenden Nacht friedlich entschlummern, mit einem Lächeln über dieses schöne gemeinsame Abschiedsfest.» Ein sanftes Happy End. Als Krönung eines Lebens, das keineswegs immer sanft gewesen ist.
Noch bis zum 18.9. im Vögele Kulturzentrum, Pfäffikon SZ: «Der Tod, radikal normal – Die Ausstellung über das, was am Ende wichtig ist».
Elf besondere Filmtipps zum Thema Tod finden Sie hier.