© filmcoopi

Besuch in der Vergangenheit

Der Dokumentarfilm «Albert Anker – Malstunden bei Raffael» bietet einen überraschenden Einblick in das Leben des grossen Schweizer Malers.

Von Marc Bodmer

Albert Anker. Ein Schweizer Maler des 19. Jahrhunderts. Und was noch? Ein Mann, der in vieler Hinsicht seiner Zeit voraus war. So entdeckte der Künstler gewissermassen (kleine) Kinder als ein Motiv für seine Bilder. Er räumte ihnen Platz ein wie kein anderer Maler zuvor. Das hatte wohl nicht zuletzt damit zu tun, dass Kinder meist nicht stillhalten mögen für die Dauer eines Porträts oder Gemäldes.

Damit sie dazu bereit waren, hatte Anker einen besonderen Trick auf Lager: Wenn wieder einmal einer der Haselstöcke in die Brüche ging, die er brauchte, um sich während seiner Arbeit abzustützen, um nicht mit der frischen Farbe in Kontakt zu kommen, dann warf er die Bruchstücke nicht weg. Er staffierte sie mit Stofffetzen aus und verwandelte sie in Handpuppen. Mit diesen spielte er Kindern eine Art Kasperli-Theater vor. Einmal in deren Bann überliess Anker die Puppen den Kleinen, die dann in Ruhe mit diesen weiterspielten. Dies gab ihm die Gelegenheit, sie zu malen.

Solcherlei interessante Details über das Leben des grossen Schweizer Malers erfährt man im Dokumentarfilm «Albert Anker – Malstunden bei Raffael», durch den der kürzlich verstorbene Musiker Endo Anaconda führt. Als Erzähler streift er durch das intakte Atelier Ankers. Es ist genauso, wie es der Künstler verlassen hat. Alles ist noch da: Ankers Bücher, Notizen, die Puppen … Man hat das Gefühl, dass er jeden Moment wieder zurückkehren könnte, um seine Arbeit fortzusetzen. Doch Anaconda, der eine sehr persönliche Sicht auf Albert Anker präsentiert, stöbert nicht alleine in dieser einmaligen Trouvaille aus der Vergangenheit, in der die Zeit stehen geblieben zu sein scheint. Kunsthistorikerinnen und Anker-Kenner besuchen den Erzähler im Atelier und verleihen dem Porträt des Malers ihre Facetten.

Filmstill aus "Albert Anker"
© filmcoopi

«Albert Anker – Malstunden bei Raffael» ist ein ruhiger, ja überraschender Film über das Leben und Schaffen eines grossen Schweizer Künstlers.


Filmplakat "Albert Anker"

«Albert Anker – Malstunden bei Raffael» von Heinz Bütler mit Endo Anaconda, Filmcoopi, jetzt im Kino.

Beitrag vom 15.12.2022

Schreiben Sie einen Kommentar

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Das könnte sie auch interessieren

Filme

Clicquot – eine Witwe gegen alle Widerstände

Zu ihrer Zeit gab es für Frauen keinen Platz in der Geschäftswelt. Wie es die «Grande Dame der Champagne» doch geschafft hat, ist nicht nur in Biografien nachzulesen, sondern jetzt auch erstmals auf der Leinwand in «Die Witwe Clicquot» zu erleben.

Filme

Swetlana Stalin – auf ewig im Schatten ihres Vaters

Auf ihrer Flucht in ein neues Leben strandet die Tochter des sowjetischen Diktators Josef Stalin kurz auch in der Schweiz. Ein Dok-Film blickt auf die schicksalshafte Biografie einer Frau, die in der ersehnten Freiheit fern der Heimat keine Ruhe findet. Zu sehen ab November im Kino.

Filme

Protokoll einer Lebenssammlerin

Der Dokfilm «Die Tabubrecherin» zeigt die krebskranke Michèle Bowley, die sich vor ihrem Tod auf eine spirituelle Reise begibt – mit viel Lebensenergie.

Filme

Um den Globus mit Kämpfern, Forschern und Entdeckern

«Filme für die Erde» ist ein Filmfestival der besonderen Art: Denn gezeigt werden nur Produktionen, die sich mit Natur- und Klimathemen auseinandersetzen. Die 14. Ausgabe findet vom 25. Oktober bis 1. November 2024 in Kinos von neun Schweizer Städten statt.