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Mikroben als Schönmacher

Der Markt der Naturkosmetik boomt. Viele Produzenten setzen darin fermentierte Zutaten ein und knüpfen grosse Versprechen daran. Zurecht? 

Text: Roland Grüter

Roland Grüter, Gartenkolumnist der Zeitlupe
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Quark, Salami, Käse, Brot und Sojasauce: Die Liste fermentierter Lebensmittel ist lang. Darauf finden sich Speisen, die unterschiedlicher nicht sein könnten. Trotzdem haben sie eine Gemeinsamkeit: Sie gehen allesamt auf das Wirken von Pilzen und Bakterien zurück. Das mag unappetitlich klingen, ist es aber ganz und gar nicht. Im Gegenteil: Mikroorganismen, die naturgegebenen auf Nahrungsmitteln vorkommen oder künstlich zugesetzt werden, machen entsprechende Speisen haltbarer, schmackhafter oder bekömmlicher – indem sie gewisse Inhaltsstoffe umwandeln, etwa Zucker zu Alkohol. Ohne Fermentation wäre die Wein- oder Bierkultur gar nicht möglich. Und unsere Grossmütter hätten ohne sie im Winter Hunger leiden müssen. Sie fermentierten beispielsweise Chabis zu Sauerkraut oder vergärten andere Gemüse, damit diese in den Speisekammern nicht verdarben. Und nicht von krankmachenden Keimen besetzt wurden.

Nun wird das Verfahren auch in der Naturkosmetik eingesetzt. Selbst die Grossverteiler Migros und Coop bieten mittlerweile Pflegeprodukte an (von Florena), die fermentierte Kamelienblüten, fermentierte Geissblätter und andere fermentierte Inhaltsstoffe enthalten. Auch in der Schönheitsbranche ist die Methode älter, als es auf den ersten Blick scheint. Quarkpackungen beispielsweise werden seit jeher bei Sonnenbrand eingesetzt. Deren, durch Fermentierung entstandene Inhaltsstoffe wirken kühlend – darüber hinaus lindern sie Pickel und Mitesser. Pilze und Bakterien machen dies erst möglich.

Flüssiges Gold als Wundermittel

Nun aber werden zuhauf Rohstoffe mit Mikroben vorbehandelt, die Naturkosmetik potenzierter und breiter wirken lassen. Manchmal macht der Wandlungsprozess Stoffe überhaupt erst zugänglich, ohne ihn wären sie für die Beautyindustrie wertlos. Ein typisches Beispiel dafür ist Arganöl. Dieses kommt in der Naturkosmetik immer dann zum Einsatz, wenn Haut und Haare viel Feuchtigkeit bedürfen, wenn Irritationen behoben und die Haut weniger schnell altern soll. Arganöl gilt als vielseitige, kosmetische Nährquelle, deshalb wird es auch als flüssiges Gold bezeichnet. 

Dieses Gold geht auf die Kerne des Arganbaumes zurück, der oft im Norden und Westen Afrikas wächst. Die Kerne werden nach der Ernte aus den Früchten gepuhlt, im Meerwasser eingeweicht und im Anschluss an der Sonne getrocknet. Dadurch wird die Fermentation in Gang gesetzt, und die naturgegebenen Mikroben setzen dabei Ingredienzen frei, die Crèmes und andere Schönheitsmittel in der Folge dermassen wertvoll machen.

Nebst den Argankernen werden mittlerweile zuhauf Tee- und Rosenblätter, Kürbiskerne und Nüsse, aber auch Beeren und andere Früchte fermentiert und in Naturkosmetika eingesetzt. Pilze und Bakterien schaffen es sogar, bestimmte allergene Proteine zu neutralisieren. So werden heikle Rohstoffe, wie sie beispielsweise Nüsse enthalten, verträglicher. Wie und welche Mikroorgansimen dabei genau zum Einsatz kommen, bleibt ein gut gehütetes Geheimnis der Hersteller. Diese sind davon überzeugt: Bio-Fermentation eröffnet Naturkosmetik eine neue Dimension.

Neue Möglichkeiten für Naturkosmetik

Fermentierten Wässerchen und Crèmes werden denn auch wahre Wunder zugeschrieben. Sie sollen mehr Mineralstoffe und Vitamine enthalten. Darüber hinaus bleiben sie nicht nur auf der Haut, sondern gelangen – zumindest bei regelmässiger Anwendung – auch in den Körper und stärken dort unsere Vitalität und das Immunsystem. Denn fermentierte Stoffe steigern die sogenannte Bioverfügbarkeit. Will heissen: Der Körper kann diese besser verwerten als synthetische Bestandteile. Entsprechend werden Haut und Körper effizienter stimuliert.

Die Versprechen, die an kosmetische Mittel geknüpft werden, sind immer etwas wackelig – oft sogar fragwürdig. Das ist bei fermentierten Produkten nicht anders. Auch deren Wirkkraft ist beschränkt. Was aber unbestritten ist: Fermentation bietet den Herstellern völlig neue Möglichkeiten, Rohstoffe im Fach der Naturkosmetik einzusetzen. Das erhöht deren Durchschlagskraft – und dürfte herkömmlicher Industrieware, die noch immer oft heikle Stoffe enthält, zusätzliche Kundinnen und Kunden abjagen. Der Siegeszug der natürlichen Schönmacher geht folglich weiter.

Beitrag vom 17.02.2022

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