Spielen ohne Grenzen
Die Game-Industrie kennt eine lange Tradition der Integration und Barrierefreiheit. Jüngstes Beispiel ist der Access Controller für Sonys Playstation 5, der sich den Bedürfnissen entsprechend umbauen lässt.
Text: Marc Bodmer
Es geschieht so schnell. Für die einen schlägt das Schicksal auf der Treppe zu, bei anderen ist es eine Unebenheit auf dem Boden, bei Dritten der kräftige Hund, der an der Leine zerrt. All diese Situationen enden oftmals in einem Sturz, manchmal in einem komplexen Bruch beispielsweise des Zeigfingers. Die Handchirurgie vermag heute zwar fast Wunder zu bewirken, aber ganz biegen lässt sich der ausgeheilte Finger doch nicht mehr. Die Physiotherapie kommt ebenfalls ans Limit, und so steht der Zeigefinger gelegentlich vor und bleibt hängen, auch der Griff ist nicht mehr, was er einmal war.
Auf rund 1,8 Millionen wird die Anzahl Menschen mit Behinderungen in der Schweiz laut Bundesamt für Statistik geschätzt. Knapp drei Viertel davon entfielen 2012 auf körperliche Ursachen (seit 2016 ist die Statistik teilweise nicht mehr obligatorisch, verlässliche neuere Zahlen liegen deshalb nicht vor). Die Möglichkeit instrumentelle Alltagsaktivitäten zu verrichten, nimmt zudem mit zunehmendem Alter ab. Bei Menschen im Alter zwischen 40 und 64 Jahren sind 6,5 Prozent nicht mehr in der Lage, diese auszurichten. Bei der Altersgruppe über 65 Jahre sind es fast 20 Prozent.
Das Thema der körperlichen Einschränkungen ist nicht nur von gesellschaftlicher Bedeutung, sondern auch mehr und mehr in den Fokus der Wirtschaft gerückt. Integration lautet das Wort der Stunde. Der Weg dazu führt unter anderem über Barrierefreiheit.
Die Barrierefreiheit, Neudeutsch «Accessability», beschäftigt aber nicht nur die Arbeitswelt. Sie hat in der Game-Industrie eine langjährige Tradition. Vor vielen Jahren ging das Video eines stark eingeschränkten Gamers viral, der die Fortsetzung des rabiaten Shooter-Spiels «Dead Space» nicht mehr spielen konnte, weil die Tastaturbelegung der Steuerung geändert wurde. Binnen weniger Tage reagierte Hersteller Electronic Arts mit einem Patch, einer nachgereichten Anpassung des Computerprogramms, mit dem sich die ursprüngliche Tastaturbelegung wiederherstellen liess. Heute sind solche Möglichkeiten praktisch in allen grösseren Titeln integriert und weitere Optionen wie Einstellungen für Farbenblindheit, Untertitel für Gehörlose und vieles mehr, kann angepasst werden.
Neuartige und adaptive Steuerungen
Doch für manche Spielende ist es damit nicht getan. Sie kommen – unfallbedingt oder aus anderen Gründen – mit den herkömmlichen Controllern, den Steuerungen der Games, nicht klar. Dieser Herausforderung haben sich in den letzten Jahren verschiedene Anbieter angenommen wie etwa Microsoft mit dem Adaptive Controller. In seiner Grundform hat das Gerät ein übliches Steuerkreuz, zwei grosse runde Druckfelder und Schnittstellen für die verschiedenen Tastenfunktionen des gängigen Xbox Controllers. Über diese Eingänge können zusätzliche Erweiterungen wie Knöpfe und Joysticks angeschlossen werden – sogar von Drittanbietern wie Logitech.
Und wenn wir schon beim Thema «Barrierefreiheit» sind: Gesprochen wird Englisch, aber am unteren Bildrand des Youtube-Videos lassen sich über den Menü-Punkt «CC» Untertitel einblenden. Anschliessend kann über die Funktion «Zahnrad» (Systemeinstellungen) eine automatische Übersetzung in die gewünschte Sprache eingerichtet werden.
Ein verspielter Drei-Königskuchen
Unlängst brachte Konsolenhersteller Sony den Access Controller für ihre Playstation 5 auf den Markt. Die Barrierefreiheit beginnt hier schon bei der Verpackung. Diese lässt sich nämlich mühelos mit einer Hand öffnen. Der Controller selbst sieht ein bisschen aus wie ein Miniatur-Drei-Königskuchen. Im Kreis sind acht grosse Tasten angebracht, die leicht abgerundet sind. In der Mitte befindet sich ein grosses Rund, das ebenfalls als Taste dienen kann. Auf Position 1 ist ein ausfahrbarer Arm angebracht, der einem kleinen Joystick Platz bietet. Die Länge des Arms lässt sich gewünscht arretieren.
Sämtliche Tasten können ausgewechselt werden. Zur Verfügung stehen wippen-artig angeschrägte oder ganz flache Elemente. Auch beim seitlich angebrachten Joystick sind drei verschiedene Enden im Lieferumfang enthalten. Die jeweiligen Funktionen der Tasten lassen sich mit gummierten Knöpfchen kennzeichnen. Ähnlich wie beim Adaptive Controller der Xbox können über vier Schnittstellen weitere Geräte angeschlossen werden.
Weltweit spielen 3,24 Milliarden Menschen Games. Auch wenn sich der Bärenanteil davon auf Handys vergnügt, schätzen Abermillionen Konsolen- und PC-Spiele. Teil dieser grossen Gemeinschaft zu sein, ermöglichen die neuartigen Controller von Sony und Microsoft. Dabei hilft auch die Anonymität, die das Spielen online bietet. Grundsätzlich begegnen sich Gamerinnen und Gamer im Netz vorurteilsfrei, denn niemand weiss, wer hinter welcher Spielfigur steckt. Getragen wird dieser Umstand noch durch das Wettbewerbselement der meisten Games: Hier zählt nicht eine grosse Klappe, sondern die Leistung. Und die erbringen manche Spielerinnen und Spieler mit Handicaps, dass einem nur so die Ohren schlackern wie das Beispiel des E-Sportlers mit dem Gamer-Namen Rocky Nohands zeigt:
Mehr Informationen: Microsoft Xbox Adaptive Controller, Sony Playstation Access Controller