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Ein Prosit auf den Sommer

Der aktuelle Sommer ist ein Hit. Damit wir die vielen Sonnentage ohne Ächzen und Stöhnen geniessen können, sollten wir genügend trinken. Ernährungs-Expertin Andrea Cramer erklärt, worauf wir dabei achten sollten.

Interview: Roland Grüter

Die vielen Hitzetage bringen uns gehörig ins Schwitzen: Wieviel Flüssigkeit geht uns dadurch tagtäglich verloren? 
Über Atmung und Schwitzen verlieren wir in der Regel rund ein Liter, über den Urin zusätzlich um die 1,4 Liter und über den Stuhlgang ca. 0,1 Liter. Anders formuliert: Täglich kommen uns pro Kilogramm Körpergewicht 30 bis 35 ml Flüssigkeit abhanden. Bei grosser Hitze, wie wir sie diesen Sommer erleben, ist der Anteil sogar noch höher. Dasselbe gilt für anstrengende körperliche Aktivitäten, aber auch bei Erbrechen, Durchfall oder Fieber.

Woran erkennen wir, dass wir trinken sollten?
In der Regel weist uns der Körper selber darauf hin: Wir bekommen Durst. Ein anderer Fingerzeig: Im Normalfall sollte unser Urin so hell wie Champagner sein. Ist der Urin dunkler, sollten wir zum Wasserglas greifen. Dehydrierung (Flüssigkeitsmangel) kommt bei älteren Personen immer noch häufig vor. Also achtsam sein!

Die ideale Trinkmenge wird unterschiedlich benannt: Wieviele Liter empfehlen Sie? 
Ich empfehle ein bis zwei Liter Flüssigkeit pro Tag. Rund ein Liter nehmen wir zusätzlich über die Nahrung auf, vorausgesetzt wir essen genügend und ausgewogen. Insgesamt kommen also bis drei Liter zusammen. 

Vorsicht, Zucker!

Was riskieren ältere Menschen, wenn sie zu wenig trinken? 
Meist verweisen Kopfschmerzen auf ein allfälliges Manko. Darüber hinaus nimmt die Konzentrationsfähigkeit ab, samt dem Reaktionsvermögen und der Leistungsfähigkeit: was im Gegenzug das Sturzrisiko erhöht. Beeindruckend: Bereits ein Flüssigkeitsverlust von ein bis fünf Prozent unseres Körpergewichts kann Übelkeit, Appetitlosigkeit, Unwohlsein und einen erhöhten Puls bewirken. Ein längerfristiges Manko kann ausserdem zu Verstopfung und in extremis zu Nierenerkrankungen, ja sogar zum Tod führen.

Was, wenn jemand übermässig viel trinkt?
Extreme Trinkmengen können Wasseransammlungen im Körpergewebe (Ödeme), im schlimmsten Fall im Gehirn bewirken.  Atembeschwerden, Krämpfe, Verwirrtheit, Herzprobleme sind weitere mögliche Symptome. Wer im Alter Erkrankungen zeigt, die in Zusammenhang mit dem Wasserhaushalt stehen, sollte die Trinkmenge individualisieren. Und sich entsprechend beraten lassen.

Wasser ist auf die Dauer langweilig: Welche Alternativen bieten sich an? 
Aromatisieren Sie Wasser beispielsweise mit Pfefferminz-, Zitronenmelissen- oder Zitronenbasilikumblättern. Auch Limetten-, Zitronen-, Orangen- oder Gurkenscheiben peppen Wasser etwas auf, genauso wie Beeren. Ausserdem kann man diesem mit ein bis zwei Esslöffel Fruchtsaft oder mit kaltem, ungezuckertem Tee dezente Geschmacksnoten geben.

Apropos Fruchtsäfte: Eignen sich diese nicht auch unverdünnt, um den Durst zu löschen? 
Bedingt. Fruchtsäfte sind sozusagen Konzentrate. Darin sind die Wirkstoffe enorm vieler Früchte enthalten – und damit auch jede Menge Fruchtzucker, der wie Haushaltzucker äusserst zurückhaltend konsumiert werden sollte. Apfelsaft enthält beispielsweise mehr Zucker als Coca-Cola. Also Vorsicht.

Welche Teesorten hemmen den Durst besonders?
Das ist Geschmacksache, alle haben ihre eigenen Vorlieben. Genau genommen löschen sämtliche Flüssigkeiten den Durst gleich. Manche wirken jedoch subjektiv anders. Pfefferminze beispielsweise empfinden viele als kühlend, als besonders erfrischend. Was hingegen feststeht: Lauwarme Flüssigkeiten löschen den Durst am effizientesten.

Viele Teesorten enthalten Koffein

Weshalb? Sind eiskalte Getränke an heissen Tagen nicht begehrenswerter?
Das mag sein, aber: Eiskalte oder heisse Getränke müssen vom Körper erst erwärmt respektive abgekühlt werden, um sie weiterzuverarbeiten. Sie bringen uns dadurch womöglich zusätzlich ins Schwitzen. Ausserdem können diese den Mangen-Darm-Trakt reizen. Flüssigkeiten mit körperähnlicher Temperatur jedoch werden weit schneller aufgenommen und sind folglich effizienter.

Gelten für Tees etwelche Trink-Limiten? Sie beinhalten schliesslich Wirkstoffe, welche die Körperfunktionen beeinflussen.
Durchaus. Schwarztee, Grüntee, Weisser Tee und Eistee enthalten – wie Kaffee – Koffein und zeigen eine anregende Wirkung. Der Tageskonsum sollte höchstens fünf bis acht Tassen Tee umfassen. Koffein hemmt ausserdem die Aufnahme von pflanzlichem Eisen. Ein Übermass ist auch aus diesem Grund zu vermeiden. 

Wie stehts mit Milch: ein veritabler Durstlöscher?
Nein. Milch hat andere Qualitäten. Als Flüssigkeitslieferant taugt sie jedoch nicht. Das gilt auch für andere flüssige Lebensmittel: etwa Trinkjoghurts, Proteindrinks oder Trinknahrung. Den Durst sollte man mit anderen Getränken stillen.

Sie warnen vor gezuckerten Getränken: Sind diese für ältere Menschen aber nicht von Vorteil, da diese oft zu wenig essen und von den Zusatz-Kalorien zehren könnten?   
Die Nachteile von Zucker überwiegen. Denn entsprechende Getränke enthalten meist keine zusätzlichen Nährstoffe, müssen also mit Mass konsumiert werden. Wer jedoch täglich ein Glas Multivitaminsaft trinkt, gönnt sich Gutes: Durch die darin enthaltenen Mineralstoffe und Vitamine lässt sich durchaus eine Fruchtportion ersetzen.

Vor, während oder nach dem Essen: Welchen Zeitpunkt empfehlen Sie älteren Menschen, um zum Wasserglas zu greifen? 
Dafür gibt es keine festen Regeln. Wer an Übergewicht leidet, sollte vor dem Essen trinken, um den Magen zu füllen. Bei Appetitlosigkeit wiederum sollte man das Trinken zwischen die Mahlzeiten legen.

Im Alter nimmt das Durstgefühl ab: Wie hält man sich trotzdem zum Trinken an? 
Indem man beispielsweise ein Trinkprotokoll oder einen Trinkplan mit fixen Zeiten erstellt. Oder: Füllen Sie die Tagesration Wasser in eine Karaffe oder in einen Krug und nehmen Sie sich vor, die Flüssigkeit zu trinken. Schauen Sie aber zu, dass Sie nicht erst abends daran denken: Sonst müssen Sie nachts womöglich ständig pinkeln gehen und riskieren damit Ihre Nachtruhe. Überdies: Regelmässiges Trinken hilft, besser durch Hitzetage zu kommen.

  • Womit löschen Sie Ihren Durst am besten? Wie halten Sie Ihren Wasserhaushalt im Gleichgewicht? Erzählen Sie uns doch im Kommentarfeld davon. Merci im Voraus.
Beitrag vom 16.07.2022
Andrea Cramer

ist BSc Ernährungsberaterin [EK1] – und Mitarbeiterin des Ernährungszentrums Zürich. Mehr Infos dazu: ernaehrungszentrum.ch

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