Auf dem Weg von der Stiftskirche in Beromünster bis hinauf zum ehemaligen Sendeturm: Sieben Hörstationen erzählen die Geschichte des Schweizer Radios – von den Anfängen 1931 bis zum Sendeschluss am 28. Dezember 2008.
Text: Usch Vollenwyder
Von Weitem ist der Glockenturm der Stiftskirche St. Michael zu sehen; steil ragt sein Spitzdach in den blauen Himmel. Das einst adelige Chorherrenstift am westlichen Ausgang von Beromünster dient heute als Alterssitz für katholische Priester, die das gemeinsame Chorgebet pflegen und Aushilfe in der Seelsorge leisten. Mit seinen fast vierzig Gebäuden und Kunstwerken von unschätzbarem Wert steht die architektonisch einmalige Anlage unter Denkmalschutz; seit 1970 wird sie aufwändig restauriert. Kirche und Kapellen, Kreuzgang und Gärten, Häuser und Höfe fügen sich zum feudalen Ganzen zusammen, das bis zur Französischen Revolution von den damaligen Stiftsherren aus dem luzernischen Patriziat bewohnt worden war.
Im Zentrum steht die Kirche. In der ersten Hälfte des 11. Jahrhunderts wurde mit dem Bau begonnen, immer wieder wurde er vergrössert, verändert und dem Zeitgeist angepasst. Auch das Innere der Kirche widerspiegelt die Baustile der letzten tausend Jahre: üppiger Barock, feines Rokoko, ziseliertes Gold, türkisfarbene Ornamente, mächtige Wand- und Deckengemälde … Laut einer Legende wurde das Münster von Graf Bero von Lenzburg gegründet – zum Andenken an seinen Sohn, der auf der Jagd von einem Bären getötet worden war. Während Jahrhunderten hiess nur das Chorherrenstift «Beromünster», das dazugehörige Dorf hatte sich mit dem Namen «Münster» – bis heute «Fläcke» genannt – zu begnügen.
Bis 1931, der Geburtsstunde des Landessenders Beromünster: Um sich auf der Radio-Senderskala vom deutschen Münster zu unterscheiden, wurde die Gemeinde in «Beromünster» umbenannt. Von nun an verbreitete der Mittelwellensender – neben Sottens VD in der welschen und Monte Ceneri TI in der italienischen Schweiz – sein Programm aus den drei Radiostudios Basel, Bern und Zürich in sämtliche Deutschschweizer Wohnstuben. Am 28. Dezember 2008 um Mitternacht, nach 77 Jahren, wurde die Anlage abgeschaltet und stillgelegt. Heute erinnert der Radioweg «Töne am Wegrand der Geschichte» an diese Pionierzeiten.
Grosse Anziehungskraft
Der rot ausgeschilderte Beromünster-Radioweg beginnt beim Chorherrenstift und führt zunächst durch ein beschauliches Einfamilienhausquartier. Ein Anwohner staunt, welch grosse Anziehungskraft der Radioweg auf Sonntagsausflügler und Wanderinnen hat. Oft seien ganze Gruppen und Familien unterwegs, erzählt er. Die Kinder würden es lieben, an den Knöpfen der Hörstationen, die einem alten Radiokasten nachgebildet sind, zu drehen. Mit dem Startknopf lässt sich das jeweilige Tondokument abspielen, mit dem zweiten Knopf die Lautstärke regulieren. Jede der sieben Hörstationen auf dem Weg hinauf zum Sendeturm gibt ein Stück Schweizer Radiogeschichte wieder.
Wer sich die Zeit nimmt und sich die fünf bis sieben Minuten dauernden Beiträge bis zum Schluss anhört, fühlt sich in eine andere Zeit versetzt. Da ertönen alte Signete und das Zeitzeichen, Rauschen im Äther und bekannte, längst verstummte Radiostimmen. «Polizischt Wäckerli» weckt ebenso Erinnerungen wie «Heiner Gautschy aus New York» oder das zeitlose «Schreckmümpfeli». Eine Station führt in die Fünfzigerjahre, als Hörspiele Kult wurden; eine andere zur exklusiven Sport-Liveberichterstattung zu Zeiten, als es das Fernsehen noch nicht gab. Ein besonderes Vergnügen ist die Hörstation im Schlössliwald unter dem Titel «Pech und Pannen, blanke Nerven».
Ab durch die Waldkathedrale
Rund 45 Geh- und zusätzliche 45 Hörminuten dauert der Beromünster-Radioweg. Er führt über Kieswege und Asphaltsträsschen und durchquert die Waldkathedrale – eine vor 200 Jahren angelegte Allee mit parallelen Seitensträsschen, die den Chorherren des Stifts als Spazierweg dienen sollte. Heute bilden die Baumkronen der 140 Meter langen und 16 Meter breiten Waldkathedrale ein Dach, das sich über ein breites Mittelschiff und zwei schmale Seitenschiffe wölbt. Die Natur hat die einst von der französischen Gartenkultur inspirierte Anlage in einen sakralen Raum verwandelt.
Der Radioweg endet in der Nähe des Sendeturms. Die von weitem filigran wirkende Metallkonstruktion wurde 1937 in Betrieb genommen und steht seit 2009 unter Denkmalschutz. Mit seinen 217 Metern zählt sie zu den höchsten Bauwerken der Schweiz. Die letzte Hörstation handelt vom Ende des Monopols des Schweizers Radios und erzählt vom Aufbruch in eine neue Zeit mit über siebzig privaten Sendern und – dank Internet – mit Tausenden von Programmen aus aller Welt. Die Feuerstelle bei dieser letzten Hörstation lädt zum Bräteln oder Picknicken ein, bevor man über ein Nebensträsschen in einer weiteren Dreiviertelstunde zurück nach Beromünster wandert. ❋
Weitere Informationen
Unter der Internetadresse beromuenster-radioweg.ch lässt sich der Flyer mit den wichtigsten Informationen rund um den Radioweg herunterladen. Für Gruppen werden auf Anfrage Führungen angeboten: Klaus Lampart, Präsident Verein Beromünster-Radioweg, Telefon 079 219 46 22. Internet: stiftberomuenster.ch; beromuenster.ch
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