Manchmal sind Menschen auf intensive Therapien angewiesen, um Krisen zu überwinden. Privatdozent Dr. Bernd Ibach, Chefarzt des Zentrums für Alterspsychiatrie und Privé der Clienia Littenheid, einer Privatklinik für Psychiatrie und Psychotherapie, erklärt, was Betroffene während stationären Behandlungen erwartet.
In Studien ist zu lesen, dass 25 Prozent der über 65-Jährigen psychische Probleme haben. Worauf führen Sie das zurück?
In diesem Lebensabschnitt sind die Veränderungen enorm. Man scheidet aus dem Arbeitsleben aus, muss seine Position in der Gesellschaft und in der Familie neu definieren. Kommt dazu, dass mit steigendem Alter auch Freunde, ja sogar die Partnerin oder der Partner sterben können. Dass man darauf reagiert, ist erstmals erklärbar und auch gesund. Manche Menschen aber sind damit überfordert, sodass aus einer Krise eine behandlungsbedürftige Krankheit werden kann. Oft spielen körperliche Risiken und Ursachen eine wichtige Rolle.
Welche?
Eine angehende Demenz, Parkinson, Schlaganfälle, ja sogar Herzinfarkte sind häufig mit Depressionen verbunden. Solche Erkrankungen treffen oft ältere Menschen.
Was kann eine stationäre Therapie bewirken, was eine ambulante Behandlung nicht kann?
Manchmal ist es sinnvoll, dass die Menschen ihr gewohntes Umfeld verlassen, herausgehen. Allein die Distanz kann den Blick auf ein Leben verändern und den Druck vermindern, der auf den Menschen lastet. Das Ziel ist aber das gleiche wie in einer ambulanten Therapie: Wir wollen helfen, einen anderen, sinnstiftenden Umgang mit der Lebenskrise zu finden. In sehr schwierigen Situationen kann eine stationäre Behandlung Schutz bei Suizidalität bieten.
Wie lange dauert diese Form der Intervention?
Das ist individuell. In der Regel sechs bis sieben Wochen. Oft empfehlen sich danach ambulante Therapien. Bei Depressionen wissen wir, dass Nachbehandlungen das Risiko für Rückfälle erheblich mindern. Der Verlust des Partners lässt sich nun einmal nicht wegdiskutieren: Wie können Sie trotzdem helfen?Wir erarbeiten mit den Menschen Perspektiven, wie sie mit dem Verlust umgehen und weiterleben können. Die Wege zu diesem Ziel sind unterschiedlich. Dazu erstellen wir einen interdisziplinären, individuellen Therapieplan.
Viele Experten sagen, Psychotherapien im Alter dauerten länger: Sie auch?
Einzig die Verweildauer in den Kliniken gestaltet sich etwas länger: Viele alte Menschen leiden zugleich an mehreren chronischen Krankheiten und befinden sich deshalb in einem instabilen Gesundheitszustand. Dann geht es nicht selten als Erstes darum, ihnen wieder zu neuen Kräften zu verhelfen. Denn eine psychische Gesundung lässt sich nur dann erwirken, wenn sie auch körperlich fit sind.
Kann man Menschen dazu zwingen, Hilfe anzunehmen?
Nein, die Betroffenen müssen selber zur Einsicht kommen, dass sie Hilfe brauchen. Psychiatrische Arbeit ist weit davon entfernt, den Menschen etwas aufzuzwingen. Viele denken, sie müssten brav ihre Tabletten nehmen, dann käme schon alles gut. So funktioniert das aber nicht. Der Weg aus der Krise bedeutet immer: Arbeit an sich selber.
Wann sind Medikamente nötig?
Sie können den Menschen helfen, die schlimmsten Krisenzeiten besser zu ertragen – ohne psychotherapeutische Prozesse aber zielen sie ins Leere. Die Leute müssen aktiv mitarbeiten, sonst kommen wir nicht voran.
Sie leiten ein Zentrum für Alterspsychiatrie: Weshalb die Segmentierung?
Im Alter stellen sich andere Fragen. Darüber hinaus unterscheiden sich die Behandlungen von anderen, bedingt durch spezifische hirnorganische Faktoren. Angelsächsische Länder waren die ersten, die das erkannten. In der Schweiz kam das Thema erst mit der Demenz auf.
Mehr Informationen zur Alterspsychiatrie und zur Clienia AG, die diverse Kliniken und Ambulatorien betreibt, finden Sie unter: clienia.ch