Sie können nicht zeichnen? Diese Ausrede gilt beim «Urban Sketching», dem Skizzieren im öffentlichen Raum, nicht. Im Gegenteil! Die Teilnehmenden im Kurs von Pro Senectute Kanton Zug beweisen es mit Stift und Pinsel.
Text: Annegret Honegger
Klick, klick, klick knipst das Handy heute Bild um Bild um Bild. Eine Szene von Hand zu zeichnen fällt da fast etwas aus der Zeit – und liegt vielleicht gerade deshalb im Trend. Seit einigen Jahren sind Zeichenbegeisterte im Rahmen der aus den USA stammenden Urban-Sketching-Bewegung auf der ganzen Welt unterwegs. Mit Stift und Pinsel halten sie fest, was sie sehen und erleben.
Wie die kleine Gruppe von Pro Senectute Kanton Zug an diesem Freitagnachmittag am Zugersee. Mitmachen, betont Kursleiterin Alexandra Zvekan, kann jede und jeder. Das Prinzip ist einfach: Gezeichnet wird, was man vor Ort vorfindet – im Alltag, auf Reisen oder auch einfach daheim. Ganz gemäss Punkt 8 im Urban-Sketching-Manifest: «Wir zeigen die Welt, Zeichnung für Zeichnung.»
Mit ihren Teilnehmenden war Alexandra Zvekan bereits im Café eines Einkaufszentrums unterwegs oder in der schmucken Zuger Altstadt. An diesem Nachmittag ist die Seepromenade beim Schiffssteg Treffpunkt. Mit dabei im kleinen Rucksack: Skizzenbuch, Stifte, Pinsel, ein Mini-Malkasten mit Aquarellfarben und ein praktischer Falthocker.
Ist das Motiv gefunden, gilt es, genau hinzuschauen und mit lockerer Hand zu zeichnen. Denn die Szenerie kann sich jederzeit verändern. Die Wartenden besteigen ihr Schiff und fahren ab. Der schlafende Mann auf der Bank erwacht und beendet seine Mittagspause. Menschen spazieren durchs Bild, oder die Sonne bricht durch die Wolken.
Doch gerade das Flüchtige oder scheinbar Unscheinbare erzähle oft die spannendsten Geschichten, findet Alexandra Zvekan: «Beim Urban Sketching geht es nicht um Perfektion oder darum, die Realität eins zu eins abzubilden wie eine Fotografie.» Man dürfe auch etwas weglassen oder ergänzen, etwas betonen oder nur andeuten. Richtig oder falsch, eine Bewertung oder gar Benotung wie früher in der Schule gibt es nicht.
Mehrmals wechselt die Kursleiterin mit der Gruppe den Standort, um immer wieder neue Motive zu finden und Techniken zu üben. «Fragt euch jeweils, was für euch das Wesentliche einer Szene ausmacht, und zeigt, wie ihr diesen Moment erlebt.» Nicht die Details seien wichtig, sondern die grossen Linien, Formen und Farben. So kann das gleiche Motiv zu ganz unterschiedlichen Bildern führen. Und wenn etwas nicht funktioniert: einfach umblättern und neu anfangen.
Die Teilnehmenden zeichnen das Strandcafé, eine Mutter mit Kinderwagen, Hirsche im Gehege, Enten am Seeufer. Wer in den sich füllenden Sketchbooks blättert, findet darin eine Art visuelles Tagebuch. Mit fein ausgearbeiteten Werken ebenso wie spontanen Ideen und Experimenten.
Alexandra Zvekan zeigt, wie man mit wenigen Pinselstrichen eine Figur einfängt, wie man Grössenverhältnisse einschätzt oder einem Bild mit Schatten und Akzenten Tiefe verleiht. Und wie man Techniken und Hilfsmittel ganz spielerisch kombinieren kann. Filz- oder Farbstifte, Aquarellfarben, Kugelschreiber oder Fettkreide – fast alles ist möglich.
«Das Zeichnen schult unsere Wahrnehmung. Man entwickelt eine wachsende Achtsamkeit für die Umgebung», erklärt die Kursleiterin. Teilnehmer Gody erlebt das genau so: «Das Schnelle und Spontane beim Urban Sketching fasziniert mich. Man sieht plötzlich überall Motive, etwa beim Spazieren oder beim Enkelhüten.» Rita gefallen die Vielfalt der Methoden, die Abwechslung «und dass man sich nicht vergleicht, aber gegenseitig inspiriert».
Fast überall auf der Welt bestehen unterdessen lokale Gruppen, sogenannte Chapters, in denen man sich trifft, austauscht und unterstützt. Ganz egal, ob Profi oder Neuling, Jung oder Alt. Zeichnend entdeckt man so neue Orte, lernt Gleichgesinnte kennen und teilt die Bilder auf Social Media. Selbst wenn es keine gemeinsame Sprache gibt:Die Freude am Zeichnen verbindet. So ist die Kursgruppe in Zug ein kleiner Farbtupfer in einem vielgrösseren Bild.
Die weltweite Kunstbewegung Urban Sketching bezeichnet eine informelle Art des Skizzierens, Zeichnens und Malens im öffentlichen Raum. Technische Grundlagen, praktische Tipps und inspirierende Beispiele dienen als Ausgangspunkt für die eigene kreative Reise.
Der nächste Kurs «Skizzieren im öffentlichen Raum» mit Alexandra Zvekan (alexandra-zvekan.ch) beginnt am 6. September (fünf Mal am Freitagnachmittag).
Angebote in Ihrer Nähe finden Sie bei Pro Senectute in Ihrer Region. Adressen via prosenectute.ch oder Infoline 058 591 15 15
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