«Es gibt im Vatikan Leute, die besser nicht da arbeiten würden»
Frowin Bachmann diente 31 Jahre in der Päpstlichen Schweizergarde im Vatikan. Der gebürtige Schwyzer über das heilige Jahr und das Leben in Rom.
Aufgezeichnet von: Franz Ermel
«Ein heiliges Jahr ist etwas Spirituelles – ein Neuanfang für die Gläubigen. Für die Stadt Rom steht aber eher das Materielle im Vordergrund. Sie hat sich in den letzten Monaten herausgeputzt, überall gab es Bauarbeiten und Verkehrschaos – und Rom ist ja sonst schon chaotisch. Touristen verschieben deshalb einen Besuch vielleicht eher auf ein anderes Jahr. Auch viele Gläubige könnten sich vom Massenandrang abschrecken lassen. Schon heute besuchen bis zu 40’000 Personen täglich den Petersdom und warten zum Teil anderthalb Stunden. Ich glaube nicht, dass sie noch länger anstehen möchten.
Die Schweizergarde hat im heiligen Jahr auf jeden Fall mehr zu tun als sonst. All die Auftritte, Messen und Audienzen mit dem Papst – die Aufgabe der Garde ist es ja, den Papst und den Papstpalast zu schützen. Sie ist zum Glück aber nicht auf sich allein gestellt. Neben dem militärischen Korps der Schweizergarde gibt es auch ein Polizeikorps, die vatikanische Gendarmerie, das ausserhalb des Papstpalastes zuständig ist, also für die Museen, die Gärten, die Peterskirche. Wenn der Papst nun öffentlich auftritt, spielen die beiden Korps zusammen.
Der Vatikan ist wie ein Konzern
Wer für den Vatikan arbeitet, arbeitet nicht bloss für den Vatikan, sondern für die ganze Weltkirche, die sehr viel Gutes tut – in der Ausbildung, in der Gesundheit, im Religiösen. Sie ist der grösste multinationale Konzern, es geht aber nicht um Gewinnmaximierung, sondern um die Verbreitung der Nächstenliebe. Natürlich, es gibt auch die ganzen Skandale, und es gibt im Vatikan Leute, die besser nicht da arbeiten würden. Aber wo gibt es die nicht?
Es ist nicht immer einfach, heute junge Leute für die Garde zu rekrutieren. Man muss sich schon mit dem Papst und der Kirche identifizieren können. Es ist nicht möglich, als Bodyguard für den Papst zu arbeiten, wenn man überhaupt nicht mit ihm einverstanden ist. Ich selbst bin in einer gläubigen Familie aufgewachsen, die Messe am Sonntag war ein Fixpunkt. Nach der Lehre wollte ich fremde Luft schnuppern und Sprachen lernen. Zufällig las ich ein Interview mit einem Schweizergardisten und sagte mir: Da will ich hin. Und ich bin 31 Jahre geblieben.»
Zur Person
Frowin Bachmann (59) wuchs in Wilen SZ auf. Nach einer Banklehre trat er 1985 in die Schweizergarde ein. Bis zu seinem Weggang 2016 diente er im Vatikan unter drei Päpsten, zuletzt als Hauptmann. Heute arbeitet er als Reiseunternehmer und Schuhhändler. Er lebt mit seiner Frau und seinen drei Kindern in Rom.
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