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Mangold – Der Rote mit Stiel

Da feiert einer ein grosses Comeback und errötet vor lauter Freude: Mangold, bis zum 17. Jahrhundert eine der verbreitetsten Gemüsepflanzen, ist wieder voll im Trend.

Text: Gaby Labhart

Schnitt- oder Blattmangold wurde früher gerne als «Spinat der armen Leute» bezeichnet und sieht tatsächlich ähnlich aus: schlanke Stiele, grosse Blätter. Der Stielmangold, der bei uns Krautstiel heisst, hat dicke, fleischige Mittelrippen und schmalere Blätter und galt auch als «Spargel des kleinen Mannes» (was übrigens auch der Schwarzwurzel angedichtet wird), weil die breiten Stiele wie Spargel gekocht wurden.

In neuerer Zeit tauchen dank Pro Specie Rara immer wieder alte und überraschende Formen auf, so beispielsweise mit roten oder gelben Stielen. Kocht man die Roten («Feurio») mit den Gelben («Golden») und den bekannten Weissen («Brillant»), resultiert daraus ein mehr oder weniger einheitliches Rosa.

Ein robuster, genügsamer Zeitgenosse

Das Rot der Stiele ist im Grunde genommen gar nicht so überraschend, denn Mangold ist verwandt mit Randen und Zuckerrüben. Er ist zwar nicht eines der ältesten, aber eines der weit verbreitetsten Kulturgewächse in unseren Breitengraden. Mit gutem Grund: Schnittmangold und Krautstiel sind dankbare Zeitgenossen. Robust, genügsam. Über viele Monate, oftmals noch über den ersten Frost hinaus, kann man jeweils die äussersten Blätter ernten, während im Innern immer neue Blätter nachwachsen und für Nachschub sorgen.

Eines der berühmtesten Bündner Gerichte wäre ohne Mangold und einem alten Kapaun nicht entstanden. Es ist Oktober des Jahres 1799: Soeben sind die Russen abgezogen, die unter Führung des Feldherrn Suworow bei heftigem Schneetreiben über den Panixerpass dem gegnerischen französischen Heer ausweichen mussten. Die Soldaten litten unsägliche Strapazen. Sie plünderten, was noch zu plündern war.

Wer es irgendwie schaffte, vor den hungernden Banden etwas in Sicherheit zu bringen, tat es. So auch eine Bäuerin in der Surselva. Sie hat ihrem Kapaun (sozusagen der Ochse unter den Hühnern) den Schnabel zugebunden, damit ihn sein Gegacker nicht verraten würde. Jetzt schlägt sein letztes Stündchen.

Früher gab man Mangold den Schweinen

Und was noch? Im Garten neben dem Schweinestall gräbt sie unter dem Schnee ein paar Blätter aus. Es ist «Urteis», Mangold, nichts Besonderes. Wird sonst den Schweinen verfüttert. Und weiter? Im Kartoffelkeller liegen zwei Speckseiten, hängen ein paar Andutgel (Rohwürste) und Ligiongias (Dauerwürste). Sie hackt, was da ist, gibt etwas Mehl, Eier dazu, wickelt die teigigen Knollen in Mangoldblätter. Brutzelt die Päcklein im letzten Rest Schmalz. Sie überlegt, ob sie ihre Erfindung nach dem Dorfheiligen nennen soll, entscheidet sich dagegen, nennt sie schliesslich Capuns, zu Ehren des braven Kapauns.

Mangold – das tut Mensch und Schwein gut – enthält in hohen Mengen Vorstufen von Vitamin A sowie Vitamin C und K, liefert auch gleichzeitig die Mineralstoffe Kalzium, Kalium, Magnesium und Eisen. Ein richtiges Superfood! Wie Spinat gehört er zu den Gemüsearten mit hohem Gehalt an Nitrat und Oxalsäure. Deshalb sollte Mangold nicht warm gehalten oder aufgewärmt werden und nicht roh gegessen werden. Die Oxalsäure wird durch Blanchieren herausgelöst – Kochwasser ergo wegschütten. Eines mag der Robuste gar nicht: lange im Kühlschrank liegen. Maximal zwei Tage – in feuchtem Tuch eingeschlagen. Und dann den kastrierten Hahn holen … ❋

© Migusto/Lukas Lienhard

Krautstiel-Minestrone-Rezept

Hauptgericht für 4 Personen

600 g farbige Krautstiele
1 Zwiebel
4 grosse Knoblauchzehen
1 EL Olivenöl
1 Zweig Rosmarin
1,2 l Gemüsebouillon
60 g kleine Suppenpasta, z. B. Ditaloni
Salz
1 Dose Soissonsbohnen à 400 g, abgetropft 250 g
200 g Datteltomaten
Meersalz

So gehts
1. Krautstielblätter von den Stängeln schneiden. Stängel leicht schräg in 3 cm breite Stücke schneiden.
2. Zwiebel und Knoblauch hacken. Im Öl glasig dünsten. Krautstielstängel und Rosmarin dazugeben, mit Bouillon ablöschen. Bei kleiner Hitze ca. 15 Minuten köcheln lassen.
3. Inzwischen Pasta in siedendem Salzwasser knapp al dente kochen. Abgiessen und kalt abspülen.
4. Krautstielblätter fein schneiden. Bohnen in ein Sieb abgiessen, kalt abspülen und gut abtropfen lassen. Krautstielblätter, Bohnen, Pasta und Tomaten zur Suppe geben. Kochen lassen, bis alles gut heiss ist. Mit Meersalz abschmecken.

Gewusst wie: Dazu Pesto, frische Basilikumblätter und geriebenen Parmesan servieren. Für mehr Würze den Anschnitt eines Salamis, 1 Stück Speckschwarte oder Parmesanrinde in der Suppe mitkochen.

Zubereitung: ca. 40 Minuten

Beitrag vom 14.06.2021

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