Mein Bappe, mein Held!
Von liebevollen Eltern und einem schönen Zuhause erzählt Edith Baumgartner-Schärer aus Gossau SG. Mit ihrem Vater war sie besonders eng verbunden.
Meine Eltern erzogen meine Geschwister und mich zur Eigenständigkeit. Sie verlangten viel von uns, trauten uns aber auch viel zu. So sage ich meine Meinung, wenn mich etwas ärgert. Und greife ein, wenn etwas schiefläuft. Auch mit 84.
Selbstverständlich packten wir Kinder im Familienbetrieb mit an. In unserer Autogarage mit Tankstelle war jede helfende Hand willkommen. Einen geregelten Feierabend oder freie Wochenenden kannten wir nicht. Die Anfänge meines Vaters als Gewerbler im Dorf waren hart, weil er eine Protestantin geheiratet hatte und uns Kinder reformiert taufen liess. Kein Jahr werde er durchhalten, wetterte der katholische Pfarrer. Welche Rolle die Konfession damals noch spielte, kann man sich heute kaum mehr vorstellen.
In meinen Kinderaugen war mein «Bappe» ein Held, der einfach alles wusste und konnte. Er gab sich gern mit uns Kindern ab und verfügte über viele Talente. So zeichnete er hervorragend, war ein begabter Konstrukteur und sehr sportlich. Wir teilten die Leidenschaft fürs Lesen und wie er bin ich ein positiver Mensch, der gerne lebt. Wenn ich an meine Kindheit und mein harmonisches Zuhause zurückdenke, empfinde ich grosse Dankbarkeit: Wir hatten so wenig und hatten es so schön!

Warum ich auf dem Foto von etwa 1943 einen Ball unter meinen Hosen versteckte, weiss ich nicht mehr. Das Bild zeigt meinen Vater und mich im Garten im Lerchental, wo wir damals ganz im Osten der Stadt St. Gallen wohnten. Mein Schulweg über Wiesen und Felder und im Winter durch den hohen Schnee dauerte fast eine Stunde. Bis heute erinnere ich mich an die Angst vor dem Stier auf der Weide – aber auch daran, wie viel ich auf diesen einsamen Märschen erlebte und lernte.
Aufgezeichnet von Annegret Honegger
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