Idylle in Zeiten der Armut
Der Bauernhof der Nachbarn war für Elsbeth Baumann-Messmer und ihren älteren Bruder ein wunderbarer Spielplatz. Das Foto von ungefähr 1932 zeigt die beiden mit ihrer Cousine im «Heuhaus».

Aufgezeichnet von Annegret Honegger
Drohte ein Gewitter, schichteten die Bauern das fast trockene Heu auf Heinzen auf. Mein Vater knipste uns beim Spielen oft mit seinem viereckigen Apparätli. Die kleinen Schwarzweissbilder sehen immer
noch tiptop aus.
Mein Bruder und ich erlebten in Langnau am Albis und in Gattikon ZH eine unbeschwerte Kindheit. Dass wir arm waren, realisierte ich erst viel später. Wir hatten einen Garten und Holz aus dem Wald.
Mein Vater stand jeden Morgen um fünf Uhr auf und feuerte unseren Holzherd ein: Es geht nichts über eine Rösti vom Feuer, das wissen alle, die so aufgewachsen sind. Um sechs Uhr fuhr er mit dem Velo die 15 Kilometer zur Stückfärberei am Escher-Wyss-Platz in Zürich. Als er im Krieg an die Grenze musste, ging auch unsere Mutter in die Fabrik. Mein Bruder und ich kamen als Kostkinder zu zwei Familien, wo wir es zum Glück sehr gut hatten.
Mit 20 heiratete ich und zog mit meinem Mann und dessen Sohn nach Zürich, wo ich 68 Jahre in der gleichen Wohnung blieb. Ich bekam eine Tochter, war Hausfrau und Mutter. Damals musste das Essen auf dem Tisch stehen, wenn die Männer von der Arbeit heimkamen … Dass mein Mann die Familie verliess, war schwer, machte mich aber selbstständig. Als ich selbst Geld verdiente, konnte ich mir endlich Ferien leisten und die Welt sehen.
Nach einem Unfall zügelte ich ins Altersheim – nicht einfach, wenn man immer selbstständig war. Heute mit 91 bin ich froh um die Unterstützung. Von meinem Zimmer geniesse ich die herrliche Aussicht auf Zürich und die Berge, von denen ich einige bestiegen habe.❋