Ein Gefühl von Freiheit

«Wölfli» hiess Françoise Verrey Bass in der Pfadi. Auf dem Foto aus dem
Pfingstlager 1951 sitzt die damals 13-Jährige hinten rechts. Die Pfadizeit
empfand die spätere Ärztin als Lebensschule.
Für meinen Vater war die Pfadi in den 1920er-Jahren die Chance, als Jugendlicher aus dem kleinbürgerlichen Leben auszubrechen und seinen Horizont zu erweitern. Dies wünschte er sich auch für uns Kinder. Als wir 1947 von Lausanne nach Bern zügelten, traten meine Schwester und ich dem «Wiesentrupp» bei.
Die Eltern waren froh, dass wir am Samstag nach der Schule beschäftigt waren, und wir genossen den Nachmittag ohne Erwachsene. Wir lernten, uns in der Stadt und der Natur zurechtzufinden, den Umgang mit Karte und Kompass, das Kochen im Freien … Wir sangen auch viel, «Hoch auf dem gelben Wagen», «Lustig ist das Zigeunerleben » oder «L’inverno è passato». Mir gefiel das Freiheitsgefühl, denn gerade wir Mädchen bewegten uns sonst selten draussen.
Im Sommerlager nach dem Lawinenwinter 1951 halfen wir wie viele
Schweizer Pfadis den Bauern in den Bergkantonen beim Aufräumen ihrer
Felder. Auch erinnere ich mich ans internationale Pfadfinderinnenlager 1957 im Goms mit dem Besuch von Lady Baden-Powell, der Witwe des Pfadigründers.
Dass ich als Kind in schwierigen Situationen durchzuhalten lernte, half mir
später. Etwa als ich als junge Ärztin zuerst keine Stelle fand, weil kaum jemand Frauen anstellte. Oder als ich nach der Scheidung mit vier Kindern und meiner eigenen Praxis alleine dastand.
Meinen acht Enkelinnen und Enkeln erzähle ich viel von früher und möchte mit meinen Erinnerungen eine Brücke zwischen den Generationen schlagen. Vieles habe ich vergessen, aber wenn etwas wirklich halten soll, benutze ich bis heute den Samariterknoten.