Tierzucht: Wohlergehen vor Schönheit
Die Zucht von Tieren hatte ursprünglich in erster Linie höhere Produktionsleistungen im Rahmen der Gewinnung von Fleisch, Eiern, Milch oder Wolle zum Zweck. Seit einiger Zeit werden aber auch Heimtierrassen gezielt züchterisch verändert. Dabei wird das Tierwohl infolge zweifelhafter Schönheitsideale immer mehr in den Hintergrund gedrängt.
Unter dem Begriff «Zucht» ist das gezielte Verpaaren von Tieren nach bestimmten Merkmalen zu verstehen. Je nach Verfahren kommt es dabei zur Anwendung künstlicher Reproduktionsmethoden. Mit den Anliegen des Tierschutzes lässt sich das Zuchtwesen allerdings nur vereinbaren, wenn die natürlichen Bedürfnisse der Tiere, ihre Gesundheit, ihr Wohlbefinden und ihre Würde beachtet werden. So verlangen es die Grundsätze des Tierschutzgesetzes. Die Praxis zeigt jedoch oftmals ein anderes Bild: Vielen Tieren, denen übertriebene Körpermerkmale angezüchtet wurden, ist es kaum möglich, ein artgerechtes Leben zu führen.
Gesetzliches «Qualzuchtverbot» seit 2006
Treten bei den Elterntieren oder den Nachkommen zuchtbedingte Belastungen wie Schmerzen, Schäden oder Verhaltensstörungen auf, spricht man gemeinhin von Qual-, Extrem- oder Defektzuchten. Das Schweizer Tierschutzrecht untersagt diese seit dem Jahr 2006. Entsprechende Verstösse gelten im rechtlichen Sinne als Tierquälerei und können für den Züchter oder die Züchterin eine Freiheits- oder Geldstrafe zur Folge haben. Allerdings besteht noch immer Klärungsbedarf, was effektiv alles unter den Begriff der Qualzucht fällt.
In der seit 2015 geltenden Verordnung über den Tierschutz beim Züchten werden immerhin gewisse Belastungskategorien im Detail beschrieben und einige Zuchtformen verboten. Dazu gehören etwa Zierfische mit abnormal grossen Flossen oder Augen (sogenannten Teleskopaugen), was ihr Schwimm-, Fress- und Fortpflanzungsverhalten beeinträchtigt. Strafbar macht sich beispielsweise auch, wer Zwerghunde züchtet, die ausgewachsen weniger als 1500 Gramm wiegen: erhöhte Verletzungsanfälligkeit aufgrund ihrer Feingliedrigkeit, Atemprobleme, Lähmungserscheinungen oder Geburtsschwierigkeiten sind nur einige der Zuchtfolgen.
Untersagt ist ferner auch die Zucht von Rindern der Rasse Blauweisse Belgier, denen aufgrund eines Gendefekts ein natürliches Protein zur Hemmung des Muskelwachstums fehlt, wodurch «extrem mageres Fleisch» entstehen soll. Ihre Deformation hat aber vor allem auch Gelenkentzündungen und Geburtsschwierigkeiten zur Folge.
Vorsicht beim Kauf von Tieren
Da die Vorschriften zur Zucht teilweise jedoch zu wenig greifen, sind belastete Zuchtformen auch heute noch weit verbreitet. Gezüchtet werden Tiere mit extremen und gesundheitsgefährdenden Körperformen vor allem, weil sich offensichtlich Abnehmerinnen und Abnehmer für sie finden lassen. Wer sich ein Rassetier anschaffen möchte, sollte sich deshalb vorher gut über mögliche Tierschutz- und Gesundheitsprobleme informieren, um nicht unbeabsichtigt eine Zuchtform zu unterstützen, die Tieren Leiden bereitet.
*Michelle Richner, Dr. iur., rechtswissenschaftliche Mitarbeiterin Stiftung für das Tier im Recht (TIR), © zVg
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