
Schluss mit Schäfchen zählen
Kaum etwas ist so zermürbend wie chronische Schlafstörungen. Doch die Wissenschaft kommt den Ursachen zunehmend auf die Spur. Die Schlafmedizinerin Heydy Lorena González über moderne Therapieansätze und die Kunst, das richtige Medikament zu finden.
Interview: Claudia Senn

© Jessica Prinz
Frau González, stellen wir uns vor, ich komme als Patientin in Ihre Schlafklinik und erzähle Ihnen, dass ich abends oft lange wach liege und morgens viel zu früh aufwache. Wie behandeln Sie mich?
Ihre Symptome deuten darauf hin, dass Sie eine Insomnie haben, eine von vielen möglichen Schlafstörungen. Nun muss ich wie eine Detektivin herausfinden, woran das liegen könnte. Seit wann schlafen Sie so schlecht? Gab es einen Auslöser? Wie sind Sie damit umgegangen, als die Symptome zum ersten Mal auftraten? Wie gehen Sie heute damit um? Bleiben Sie wach im Bett liegen? Sind Sie dabei entspannt oder werden Sie nervös und machen sich Sorgen, dass Sie am nächsten Tag nicht leistungsfähig sein werden?
Sie stellen also erst einmal jede Menge Fragen?
Genau. Ich muss wissen, wie Sie sich tagsüber fühlen, ob Sie Angst vor der kommenden Nacht haben, ob Sie Alkohol trinken, Medikamentenehmen, an anderen Krankheiten leiden. Es geht darum, zu verstehen, was für eine Person ich vor mir habe. Sind Sie ängstlich? Perfektionistisch? Haben Sie ADHS? Manche Faktoren in unserer Persönlichkeitsstruktur machen uns anfälliger für schlechten Schlaf.
Sie erwähnten vorhin einen Auslöser. Hat Insomnie immer einen Auslöser?
Ja, das kann zum Beispiel der schnarchende Partner sein, Schichtarbeit oder eine lärmige Strasse vor dem Haus. Vielleicht hatten Sie einen Unfall, lagen mit gebrochenen Knochen im Spital, und die Schmerzen hielten Sie wach. Es kann aber auch Stress sein: der Tod eines nahen,Angehörigen, der Verlust des Arbeitsplatzes, eine Trennung oder die Vorfreude auf eine Hochzeit. Das alles lässt unseren Körper Adrenalin ausschütten, und Adrenalin macht uns wach. Manche Leute erinnern sich allerdings gar nicht mehr an den Auslöser, weil sie sich schon 20 oder 30 Jahre mit ihrer Schlafstörung herumquälen.
Ist es der Auslöser, der zu chronischen Schlafstörungen führt?
Meistens ist es eher unser Umgang damit. Der schnarchende Partner hat längst ein eigenes Zimmer, der gebrochene Knochen ist wieder verheilt, die Hochzeit war perfekt, aber wir schlafen weiterhin schlecht. Warum? Das ist die entscheidende Frage.
«Viele Menschen gehen mit dem Nicht-schlafen-Können unbewusst falsch um.»
Ja, warum?
Viele Menschen gehen mit dem Nicht-schlafen-Können unbewusst falsch um. Sie liegen wach im Bett und denken: Ich muss jetzt unbedingt schlafen. Nur noch drei Stunden, bis der Wecker klingelt. Die Gedanken drehen sich im Kreis, und je mehr Sie versuchen, dieses Gedankenkarussell anzuhalten, desto weniger gelingt Ihnen das. Sie sind angespannt, regen sich auf oder sind zunehmend verzweifelt, was den Körper Adrenalin ausschütten lässt. Ein Teufelskreis.
Solche Gedanken sollte man also besser lassen.
Ja, denn wenn Sie in dieser Verfassung im Bett liegen bleiben, nimmt das Gehirn an, es sei okay, wach im Bett zu liegen. Wir nennen das konditioniertes Lernen. Wir «erlernen» also, nicht zu schlafen, obwohl der eigentliche Auslöser der Schlaflosigkeit längst beseitigt ist.
Das heisst, besser nicht liegen bleiben und grübeln?
Nein, wenn Sie 15 bis 20 Minuten lang nicht einschlafen können, setzen Sie sich lieber im Bett auf und tun etwas Beruhigendes, bis die Schläfrigkeit Sie übermannt. Lesen zum Beispiel – aber keine spannenden Krimis. Und benutzen Sie dafür eine kleine Lampe, die bloss das Buch beleuchtet, nicht aber Ihr Gesicht, denn Licht macht Sie wach. Podcasts und Hörbücher sind ideal. Wenn Sie jedoch Wäsche bügeln oder Rechnungen bezahlen, werden Sie nur noch wacher.

«Licht ist für unseren Schlaf essenziell.»
Was, wenn es einem nicht von selbst gelingt, gelassen zu bleiben?
Den meisten Patientinnen und Patienten können wir mit kognitiver Verhaltenstherapie helfen, einer besonderen Form von Psychotherapie. Oft reichen dafür wenige Sitzungen aus. Zu dieser Therapie gehört auch die Vermittlung von Wissen darüber, wie Schlaf überhaupt funktioniert. Anders, als man früher dachte, brauchen ältere Menschen nämlich nicht weniger Schlaf. Tiefschlaf- und Traumphasen nehmen jedoch stark ab. Wer über 70 ist, hat nur noch knapp fünf Prozent Tiefschlaf. Da ist es normal, dass man öfter wach wird, wenn man sich umdreht oder von Geräuschen gestört wird.
Das lässt sich also nicht ändern?
Nein, aber ganz vieles andere schon. Licht ist für den Schlaf zum Beispiel essenziell wichtig. Wir alle haben eine innere Uhr im Kopf, die vor allem durch die blauen Anteile des Lichts stimuliert wird. Wenn wir in den Vormittagsstunden genügend Tageslicht bekommen, wird unser Schlaf besser. Wenn wir aber zu viel drinnen sind und uns abends auch noch vor den PC oder das Handy setzen, deren Bildschirme ebenfalls einen hohen Blaulichtanteil haben, dann weckt uns das auf.
Was, wenn man nicht mehr fit genug ist für einen täglichen Spaziergang?
Kaufen Sie sich eine Tageslichtlampe und setzen Sie sich morgens für 30 bis 60 Minuten davor. Es sollte eine grosse Lampe sein, mit mindestens 10 000 Lux, sonst kann sie die Rezeptoren im unteren Bereich der Augen nicht stimulieren. Im Handel gibt es gute Modelle für etwa 100 Franken. Voraussetzung ist allerdings, dass Sie keine Netzhautprobleme haben.
Was lernen Ihre Patienten und Patientinnen noch in der kognitiven Verhaltenstherapie?
Viele ältere Menschen, die nachts schlecht schlafen, legen sich tagsüber für ein Schläfchen hin. So verstärken sie das Problem aber bloss, denn sie rauben sich damit den Nachtschlaf.
Also kein Nickerchen?
Wenn Sie nachts gut schlafen, können Sie gerne einen Powernap von etwa 20 Minuten machen. Nicht länger, sonst gleiten sie in den Tiefschlaf ab und wachen benommen wieder auf, weil das Gehirn verlangsamt ist. Stellen Sie einen Wecker und machen Sie sich keinen Druck. Wenn der Körper Schlaf braucht, werden Sie schlafen. Wenn nicht, ruhen Sie einfach. Nicht empfehlenswert ist es, abends früher ins Bett zu gehen, um trotz des nächtlichen Wachliegens auf Ihre gewohnte Schlafmenge zu kommen.
Warum ist das keine gute Idee?
Stellen wir uns vor, dass Sie vor Ihrer Pensionierung jeweils um 23 Uhr ins Bett gegangen und um 6 Uhr aufgestanden sind. Sie haben also sieben Stunden geschlafen. Als Rentnerin gehen Sie, weil Sie so schlecht schlafen, schon um 21 Uhr ins Bett und stehen um 7 Uhr auf. Zehn Stunden im Bett – logisch, dass Sie da nachts wach liegen! Der Körper kann nicht länger schlafen als die Dauer, auf die er genetisch programmiert ist. Die Lösung heisst hier: kürzere Bettzeiten. Natürlich werden Sie das Problem nicht von einem Tag auf den anderen lösen, aber wenn Sie es durchziehen, werden Sie innert sieben bis zehn Tagen eine Besserung erfahren, weil der Schlafdruck steigt.
Was, wenn das nicht klappt?
Der schwierigste Teil der kognitiven Verhaltenstherapie ist die Auseinandersetzung mit den inneren Glaubenssätzen, z. B. «Wenn ich nicht acht Stunden schlafe, werde ich krank oder fühle mich den ganzen Tag mies». Solche Überzeugungen wirken sich negativ auf den Schlaf aus und sind sehr schwierig zu durchbrechen. Das braucht oft eine längere Behandlung. Manchmal muss man dafür auch zu spezialisierten Psychotherapeuten gehen.
«Kein Medikament ist ideal.»
Verschreiben Sie auch Medikamente?
Ja, vor allem bei Menschen, die einen hohen Leidensdruck haben und sehr erschöpft, labil oder deprimiert sind. Solche Patientinnen und Patienten haben manchmal gar nicht die Energie für eine kognitive Verhaltenstherapie und müssen erst mit Medikamenten stabilisiert werden. Allerdings gibt es bisher kein Mittel, das ideal ist. Die früher sehr häufig verschriebenen Benzodiazepine sind gar keine Schlaf-, sondern Beruhigungsmittel und für ältere Menschen nicht geeignet, weil sie das Gedächtnis beeinträchtigen, die Sturzgefahr erhöhen und abhängig machen können.
Was verschreiben Sie stattdessen?
Es ist eine Kunst herauszufinden, welches Medikament für wen am geeignetsten ist. Die neuen Schlafmittel wie Zolpidem, das auch unter dem Namen Stilnox verkauft wird, sind besser als die Benzodiazepine, haben aber ähnliche Nebenwirkungen. Sie sollten nur für kurze Zeit eingesetzt werden. Dann gibt es schlafanstossende Antidepressiva wie Surmontil oder Trittico. Sie machen nicht abhängig, doch gerade Surmontil kann Auswirkungen auf das Herz haben.
Wie steht es mit Melatonin?
Das kann helfen, gerade bei älteren Menschen, denn im Alter flacht die Kurve des Melatonins ab. Ich würde es aber immer zuerst mit Lichttherapie in den Morgenstunden probieren.
CBD-Tropfen?
Manche Leute schwören darauf, doch ich verordne sie nicht, denn die Studienlage dazu ist sehr widersprüchlich. So gut wie gar nie verschreibe ich Antipsychotika, die in Pflegeheimen oft eingesetzt werden. Diese Medikamente sind eigentlich für Schizophrenie-Patienten gedacht, sie machen bloss als Nebenwirkung schläfrig und haben auch viele andere Nebenwirkungen.
Pflanzliche Mittel wie Baldrian, Hopfen und Melisse?
Es gibt Lavendelöl-Kapseln, die man unter dem Namen Lasea rezeptfrei kaufen kann. Studien belegen, dass ältere Menschen, die schlecht schlafen und unter Depressionen und Ängstlichkeit leiden, davon profitieren. Sie helfen nicht direkt beim Schlafen, doch nach sechs bis acht Wochen fühlt man sich entspannter und schläft deshalb besser. Ich habe sie schon oft eingesetzt.
2023 wurde ein neues Schlafmittel zugelassen: Quviviq. Haben Sie bereits Erfahrungen damit gesammelt?
Quviviq könnte sich als Hoffnungsträger erweisen. Von Patientinnen und Patienten höre ich, dass sie damit besser schlafen und sich auch tagsüber ausgeruhter fühlen. Quviviq funktioniert anders als andere Schlafmittel, denn es blockiert die Rezeptoren, an die unser körpereigenes Wachhormon Orexin andockt. Deshalb macht es nicht abhängig, man hat keinen Hangover und auch sonst kaum Nebenwirkungen. Allerdings sollte man es nicht gleichzeitig mit Antibiotika oder antiviralen Medikamenten einnehmen. Leider sprechen nicht alle darauf an. Wenn es aber wirkt, dann wirkt es sehr gut.
Welche anderen Schlafstörungen – ausser Insomnie – kommen bei älteren Menschen häufig vor?
Schlafapnoe, also Atemaussetzer. Man denkt immer, Schnarchen sei ein Hinweis darauf, dass jemand vielleicht Atemaussetzer hat. Aber das ist nicht bei allen so. Manche machen nur ganz leise Geräusche. Wenn diese Leute ins Schlaflabor kommen, sehe ich auf dem Video, dass sie auf dem Rücken schlafen. Oft ist die Kiefermuskulatur so erschlafft, dass Kiefer und Zunge zurückfallen und die Kehle verengen. Bei Menschen, die eine Zahnprothese tragen und sie nachts herausnehmen, verstärkt sich das noch.
Ist das gefährlich?
Ja, Schlafapnoe sollte man unbedingt so früh wie möglich behandeln. Sonst kann sie zu erhöhtem Blutdruck, Hirnschlägen oder Herzinfarkten führen. Im Schlaf räumt das Gehirn auf. Es gibt die Theorie, dass Menschen, die dauerhaft zu wenig Schlaf bekommen, ein höheres Risiko haben, an Demenz zu erkranken, weil das Gehirn die Abfallprodukte nicht entsorgen kann und sie sich in den Zellen ablagern. Schlafapnoe begünstigt zudem auch Beinunruhe in entspanntem Wachsein, welche oft von nächtlichen Beinzuckungen begleitet wird, die den Schlaf ständig unterbrechen.
Schlafstörungen und andere Krankheiten können also miteinander zusammenhängen?
Das ist sogar sehr oft so. Wer zum Beispiel eine Herzinsuffizienz hat, leidet häufig unter einer ganz bestimmten Atemstörung im Schlaf. Diese Leute «vergessen» quasi zu atmen. Es gibt auch eine Art von Demenz, die sich Jahre zuvor mit auffälligem Verhalten im Schlaf ankündigt. Die Leute schreien und schlagen um sich. Wenn sie geweckt werden, erzählen sie meistens, dass sie gerade einen Traum hatten, in dem sie in Gefahr waren und sich verteidigen mussten. Sie leben also ihre Träume aus. Wenn man das rechtzeitig erkennt, kann man den Verlauf der Demenz mit Medikamenten verlangsamen.
Woran liegt es, dass manche ein Leben lang gut schlafen und andere schon in der Kindheit Probleme damit haben?
Alle schlafen mal schlecht. Der Unterschied liegt aber in der Bewertung. Je besser es gelingt, eine schlechte Nacht gelassen hinzunehmen, umso grösser ist die Chance, dass man in der nächsten wieder gut schläft.
So laut wie ein Düsenjet
Schuld ist bei Schnarchern meist die Anatomie: die Zunge zu dick, das Halszäpfchen zu lang, die Mandeln zu gross, die Nasenscheidewand zu krumm. Doch auch Übergewicht und Alkohol begünstigen das nächtliche Sägen. Im mittleren Alter schnarchen etwa 60 Prozent der Männer und 40 Prozent der Frauen. Spätestens nach der Menopause sind die Frauen aber mit den Männern gleichauf.
Moderate Schnarcher sägen bei etwa 55 Dezibel, der Lautstärke eines brummenden Kühlschranks. Es geht aber auch spektakulärer: Bei der Britin Jenny Chapman massen die Ärzte vor einigen Jahren 111,6 Dezibel. Das ist so laut wie ein tieffliegender Düsenjet.
Gefährlich ist das Schnarchen vor allem dann, wenn es zu Atemaussetzern kommt, der sogenannten Schlafapnoe. Die Betroffenen bekommen nachts nichts davon mit, fühlen sich jedoch tagsüber oft quälend müde. Da Schlafapnoe das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Diabetes und Depressionen erhöht, sollte sie unbedingt behandelt werden. Hilfsmittel wie Unterkieferschienen sind einen Versuch wert. Als Goldstandard gilt jedoch die Überdruck-Beatmung mit einer CPAP-Maske, die die erschlafften Atemwege offenhält. Wer die Maske nicht verträgt, könnte von einem Zungen-Schrittmacher oder einer Operation profitieren.
Gelassenheit ist der Schlüssel
Die Innsbrucker Schlafforscherin und Neurologin Birgit Högl erforschte das Schlafverhalten der Mosetén, einer indigenen Volksgruppe, die fernab der Zivilisation im bolivianischen Urwald lebt. Wenn es dunkel wird, ziehen sich die Mosetén in ihre Hütten zurück, wenn es hell wird, stehen sie wieder auf. Insgesamt verbringen sie etwa elf bis zwölf Stunden auf ihren Bastmatten, schlafen in dieser Zeit jedoch keineswegs durch. Die Menschen liegen in der Dunkelheit, unterhalten sich, kauen Kokablätter oder haben Sex. Die Kinder schlafen bei den Eltern. Ausserdem müssen die Erwachsenen häufig aufstehen, um nach dem Vieh zu sehen, wenn Raubtiere in der Nähe sind. Als erholsamen Schlaf würden wir das nicht bezeichnen, doch die Mosetén beklagen sich nicht, sondern nehmen ihren Schlaf hin, wie er unter diesen Umständen eben ist. Von so viel Gelassenheit können wir nur träumen.
Gaaaaanz ruhig
Vier Entspannungstechniken, die wirklich beim Einschlafen helfen können.
- Die 4–7–8-Atmung …
… ist eine Atemtechnik aus dem Yoga. Atmen Sie vier Sekunden lang tief durch die Nase ein, halten Sie sieben Sekunden lang die Luft an und atmen Sie während acht Sekunden langsam und ruhig wieder aus, bis Ihre Lungen komplett leer sind. Vorgang einige Minuten wiederholen. Beruhigt den Herzschlag, senkt den Blutdruck und sorgt durch die Stimulation des Vagus-Nervs für innere Ruhe und Entspannung.Weitere Yoga-Atemtechniken finden Sie unter dem Stichwort «Pranayama» auf YouTube. - Progressive Muskelentspannung nach Jacobson …
… ist eine wissenschaftlich fundierte Entspannungsmethode, die bei Schlafstörungen, Stress und chronischen Schmerzen helfen kann. Durch gezieltes Anspannen und wieder Loslassen bestimmter Muskelgruppen erreicht man eine tiefe Entspannung des gesamten Organismus.Pro Senectute bietet in einigen Kantonen Kurse in Progressiver Muskelentspannung an. Praktische Anleitungen finden Sie auch auf YouTube. - ASMR …
… bedeutet Autonomous Sensory Meridian Response («Autonome sensorische Meridianreaktion») und bezeichnet ein kribbelndes, als beruhigend empfundenes Gefühl, das sich von der Kopfhaut her auf den ganzen Körper ausbreitet. Es lässt sich z. B. mit Kopfkraulen auslösen, aber auch durch akustische Reize wie mit hochempfindlichen Mikrofonen aufgenommenes Rascheln, Knistern, Klopfen oder Flüstern. Der wissenschaftliche Nachweis für die Wirksamkeit steht noch aus.Videos und Sounddateien auf Spotify, YouTube und anderen Streaming-Plattformen. Tipp: Kopfhörer benutzen. - Yoga Nidra …
… auch bekannt als «der yogische Schlaf», ist eine angeleitete Tiefenentspannung, bei der man nach einem systematischen Ablauf durch den Körper «reist» und das Gedankenkarussell zur Ruhe bringt. Am besten erlernen Sie die Methode in einem Yogastudio. Doch auch im Internet finden sich zahllose Anleitungen. Probieren Sie aus, welche Stimme Ihnen behagt, und ob Sie eine Anleitung mit oder ohne Musik bevorzugen.Auf Spotify, YouTube und anderen Streaming-Plattformen.
Der Kampf ist vorbei

© Jessica Prinz
Viele Jahre litt Zeitlupe-Redaktorin Claudia Senn (59) unter schweren Schlafstörungen. Dann fand sie endlich die richtige Ärztin.
Das Schlimmste an meinen Schlafstörungen waren nicht die zähen Tage, durch die ich mich schleppte wie durch ein endloses Feld aus Treibsand. Es waren auch nicht die durchwachten Nächte, in denen ich mich mit jeder vergangenen Stunde noch elender fühlte. Es gab Tage, an denen ich mich aus Sitzungen schlich, um auf der Toilette kurz für fünf Minuten den Kopf auf die Knie zu legen. Und Nächte, in denen ich aus Verzweiflung sterben wollte. Dann könnte ich endlich schlafen. Für immer. Doch schlimmer als all das war die Hilflosigkeit.
Dann machen Sie halt Entspannungsübungen, sagte meine Hausärztin. Machte ich ja. Genauso wie alles andere, das uns Schlafgestörten geraten wird: Ich ging zu regelmässigen Zeiten ins Bett, hielt mein Schlafzimmer kühl, trank abends weder Kaffee noch Alkohol, vermied aufregende Abendbeschäftigungen und exzessiven Handygebrauch, machte Psychotherapie, lernte autogenes Training, übte mich in Selbsthypnose und nahm Baldrian in fünffacherDosierung. Schlafen konnte ich trotzdem nicht.
Einmal war ich vier Nächte hintereinander wach und sah mich schon in der Psychiatrie, weil eine weitere schlaflose Nacht mich zweifelsohne durchdrehen lassen würde. Da bekam ich eine Tablette, die dem Martyrium schlagartig ein Ende setzte. Nur leider hatte sie einen kleinen Schönheitsfehler: Sie konnte abhängig machen. «Nicht mehr als eine Packung alle sechs Monate», ermahnte mich meine Hausärztin. Und wenn die Packung leer war? Ging alles von vorne los.
Die Gründe für meine Schlafstörungen waren komplex. Viele Jahre lang pflegte ich meinen schwer kranken Mann. Immer wieder gab es lebensbedrohliche Gesundheitsnotfälle. Das hatte mein Nervenkostüm durchlöchert wie einen mottenzerfressenen Pullover. Zudem war ich schon als Kind keine gute Schläferin gewesen. Mein Nervensystem scheint empfindlicher zu sein als das von anderen, es reagiert heftiger auf Überreizung. Auch an guten Tagen brauche ich vor dem Schlafengehen eine Stunde für mich allein im Bett, in der ich lese und mein Gehirn herunterfahren kann wie ein heissgelaufener Computer.
Leider gibt es nicht viele Ärzte, die sich mit Schlafstörungen auskennen. Im Medizinstudium scheint das Thema ähnlich wenig Raum einzunehmen wie Kopfschmerzen, das andere grosse Volksleiden. Lästig, aber kein Drama, denken wohl die meisten. Vielleicht können sie sich einfach nicht vorstellen, wie schnell man als Schlafgestörte am Rande des Abgrunds steht. Von der chronischen Insomnie bis zur Depression ist es nur ein kleiner Schritt. Nach ein paar miesen Nächten war von meiner optimistischen Grundhaltung nicht mehr viel übrig. Ich litt unter Angstattacken vor der nächsten Nacht, wenn der Kampf von Neuem losgehen und ich ihn wieder verlieren würde. Eine Weile lang half mir ein schlafanstossendes Antidepressivum. Doch kaum geriet mein Leben aus dem Lot, weil mein Mann eine Sepsis hatte oder Herzrhythmusstörungen, fühlte ich mich wieder wie ein Wrack.
Erlöst hat mich schliesslich eine Psychiaterin, die dem Thema Schlaf die nötige Priorität einräumte. «Kein Wunder, dass es Ihnen nicht gut geht, wenn Sie nicht genug schlafen», sagte sie. Sie verschrieb mir ein Benzodiazepin und klärte mich darüber auf, dass diese Mittel zu Unrecht einen schlechten Ruf genössen. Zwar würden sie tatsächlich abhängig machen, doch das käme bei einer so niedrigen Dosis nur selten vor. Zudem sei ich von meiner Persönlichkeitsstruktur her nicht gefährdet, süchtig zu werden. «Ich spüre, wem ich ein solches Mittel in die Hand geben darf und wem nicht», sagte sie.
Seither hat sich meine Lebensqualität dramatisch verbessert. Abends schlafe ich ohne Stress ein, morgens wache ich ausgeruht auf. Eine Toleranzentwicklung, wie sie bei einer Abhängigkeit typisch wäre, habe ich bisher nicht festgestellt. Noch kann ich es kaum glauben: Der Kampf ist vorbei.
Das Beispiel der Zeitlupe-Redaktorin Claudia Senn zeigt, wie individuell die Medizin Schlafstörungen angeht. Das Medikament, das ihr verschrieben wurde, ist für ältere Menschen nicht geeignet. Für sie selbst war es jedoch genau das Richtige.
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