Am 8. November teilen wieder Tausende das Erlebnis des gemeinsamen Lesens und Vorlesens: Es ist Erzählnacht.
Adieu, Diana
Die Erfolgsserie «The Crown» ist in die letzte Runde gestartet – darin stirbt Diana. Das Interesse der Fans daran ist riesig, obwohl die neuen Folgen nicht wirklich überzeugen.
Text: Roland Grüter
Nun schmieden sie wieder Intrigen, beschwören die Liebe oder (ver)zweifeln an den Einschränkungen ihrer Würdetitel – und die Queen beobachtet die Machtspiele mit eiserner Miene. Mitte November startete die Royal-Serie «The Crown» in die sechste und letzte Runde. Die ersten vier Folgen der Staffel drehen sich wiederum um das Leben der britischen Königsfamilie. Weitere fünf Kapitel folgen am 14. Dezember.
Charles, dessen Söhne Harry und William, Prinz Philip und ihr gekröntes Oberhaupt Elizabeth II – alle spielen in der fiktiven Doku mit. Und mit ihnen eine grosse Entourage, Diana, Dodi, Camilla und viele andere. Sie machen den Buckingham-Palast in London neuerlich zur Theaterbühne, und die Welt schaut der Inszenierung zwischen Tradition, Trash und Tabus freudig zu. Voyeurismus ist sexy. In den ersten Tagen verzeichneten die neuen Episoden laut dem US-Branchenportal «Deadline» 11,1 Millionen Aufrufe – und stürmten gemäss dem amerikanischen Medienunternehmen Netflix, das die Serie ausstrahlt, in 44 Ländern auf Platz eins und in 85 andern zumindest in die Top ten der Streaming-Charts.
Grosses Interesse, schlechte Kritik
Die Fans bleiben dem Royalen Epos offenbar treu, auch wenn die Kritik daran wächst – und nicht einzig, weil darin Realität und Fiktion explosiv gemischt und selbst Tabuthemen wie Todesfälle zum Spektakel gemacht werden. Die Geschichten der ersten vier Folgen konnten Kritikerinnen und Kritiker auch sonst nicht wirklich überzeugen. Sie seien zu überladen, zu oberflächlich, zu blutleer und die vielen Handlungsstränge blieben dünn. Auf dem britischen Kritikerportal «Rotten Tomatoes» bekamen die vier Eröffnungsfolgen denn auch die schlechteste Bewertung seit dem Start der Netflix-Serie im Jahr 2016. Mittelmass, mehr nicht.
Krone im Ausverkauf
Kutschen, Kleider, und Kostüme: Die Requisiten aus dem Serienhit «The Crown» werden versteigert, so etwa die Robe, die Prinzessin Margaret im Film trägt, die nachgebaute Haustür des britischen Regierungssitzes in der Downing Street oder die goldene Kutsche, in der sich die Queen spazieren fahren lässt. Das Londoner Auktionshaus Bonhams stellt rund 450 Objekte aus den sechs Staffeln zum Verkauf, sie sollen rund eine Million Pfund einbringen, rund 1,1 Millionen Franken. «Die ikonischen Kostüme und Requisiten wurden umfassend recherchiert», bekräftigt das Auktionshaus. Die Auktion soll Anfang 2024 stattfinden und einem guten Zweck dienen: Mit dem Erlös soll ein Stipendienprogramm für Filmschaffende unterstützt werden.
Die Kritikerin der britischen Tageszeitung «The Guardian» benannte die wohl grösste Schwäche der Staffel: Sie bietet wenig Überraschendes, Erhellendes. «Weil die Zuschauer die realen Szenen noch zu gut im Kopf haben, die ihr zu Grunde liegen», bilanzierte die Guardian-Kritikerin richtig. Und tatsächlich: Die Liebelei zwischen Dodi und Diana, die Absurdität, dass Harry und William in London durch die Zuschauerreihen hinter dem Sarg ihrer Mutter herlaufen mussten – wer hatte in den 1990ern entsprechende Bilder nicht live gesehen? Sie füllten unzählige Titelseiten und die People-Formate der Fernsehstationen. Zwei Milliarden Menschen weinten am Strassenrand oder vor TV-Geräten bei der Beerdigung ihrer «Königin der Herzen». Mehr geht nicht.
In der Realität angekommen
Das Leben der Royals wurde auch davor und danach bis in den hintersten Winkel ihrer Schlösser ausgeleuchtet – «The Crown» kann folglich nur wiederholen, was die Welt aus der Ferne bereits beobachtet hat. Selbst der Kniff, die tote Diana als Geist zurück ins Filmgeschehen zurückzuholen, lenkt davon nicht ab. Die vorhergehenden Staffeln führten uns ins junge Leben der Queen, durch längst vergangene, angestaubte Jahrzehnte – und lieferten Erklärungen, weshalb die Royals so ticken, wie sie ticken. Das war prickelnd und aufregend. Deren Leben der jüngeren Vergangenheit aber kennen wir, bieten einzig Wiederholungen. Solche Déja-vus sind weit weniger spannend.
Gleich am Anfang der sechsten Staffel sterben Diana und ihr Liebhaber Dodi. Noch einmal wird ihr Auto, in dem sie sitzen, von Paparazzi gejagt und ins Elend getrieben. Vor der Lancierung wurde laut und empört darüber diskutiert, ob man diese Tragödie überhaupt in einem Film zeigen darf – und vor allem, in welcher Form. Kompliment, diese Schlüsselszene setzten die Macher von «The Crown» brillant um. Der Aufprall des Fahrzeuges am Betonpfeiler ist nur zu hören. Gezeigt wird er nicht. Die Bilder gibts einzig in den Köpfen der «Crown»-Fans. Gut so.
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