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Mähmaschinen bedrohen Rehkitze

Obwohl mittlerweile bekannt sein sollte, dass Rehe ihre Jungtiere während der Mahd zur Welt bringen und diese im hohen Gras Schutz suchen, sterben in der Schweiz jährlich mehrere tausend Rehkitze während der Grasernte. Ein solches Verhalten ist nicht nur grausam und rücksichtslos, sondern insbesondere auch strafbar.

Portrait von Christine Künzli, MLaw und stv. Geschäftsleiterin und Rechtsanwältin bei der Stiftung Tier im Recht.
Christine Künzli*

Von Mitte April bis Mitte Juli suchen tragende Rehgeissen das hohe Gras auf, um ihre Kitze darin abzusetzen. Diese haben noch keinen Fluchtreflex, sondern bleiben bei Gefahr instinktiv reglos auf dem Boden liegen und springen erst auf, wenn die Mähmaschine wenige Meter entfernt ist. Dieser Drückinstinkt verlieren sie erst nach zwei bis drei Lebenswochen, weshalb sie beim Mähen leicht übersehen und so in die rotierenden Messer geraten und getötet oder lebendig verstümmelt werden, woran sie letztlich qualvoll verenden. 

Auch Katzen, Igel oder Füchse betroffen

Neben Rehkitzen fallen zudem regelmässig auch Katzen, Igel und weitere Kleintiere, in selteneren Fällen Feldhasen, kleine Wiesenbrüter (Wachteln, Feldlerchen, Braunkehlchen etc.) sowie Füchse den Mähmaschinen zum Opfer. Zudem kann ein «vermähtes» Rehkitz für andere Tiere gravierende Folgen haben: Gelangen nämlich Stücke des Tierkadavers in die Silage, kann sich darin ein für Rinder potenziell tödliches Bakterium vermehren.

Landwirte haben eine Garantenpflicht

Weil die Gefahr durch die Mahd überhaupt erst geschaffen wird, kommt Landwirten eine sogenannte Garantenstellung zu. Sie stehen damit in der Pflicht, ihre Wiese vorgängig nach Tieren abzusuchen oder absuchen zu lassen. So können sie dabei etwa die Hilfe von Jagdaufsehern anfordern, die mit verschiedensten Methoden, wie beispielsweise durch das Verblenden der Felder oder die Suche mit Hunden, die Tiere vor dem Mähen aufspüren oder vertreiben. Teilweise übernehmen auch Anwohner oder Tierschutzorganisationen diese Aufgabe. Schweizweit ist der gemeinnützige Verein rehkitzrettung.ch tätig, der die Felder auf Anmeldung hin mittels Multikopter und Thermalkamera kostenlos absucht. Im Jahr 2022 konnte der Verein über 3000 Rehkitze retten. Befindet sich ein zu mähendes Feld in der Nähe einer Siedlung, ist es zudem angezeigt, die Anwohner vor der Ernte zu informieren, sodass sie ihre freilaufenden Katzen dann im Haus behalten können. 

Strafbarkeit wegen Tierquälerei

Werden solche Vorsichtsmassnahmen unterlassen und Tiere verletzt oder getötet, muss ein Landwirt mit rechtlichen Konsequenzen rechnen. Entsprechendes Verhalten entspricht einer mit Geld- oder Freiheitsstrafe bedrohten Tierquälerei. Diese kann bei jedem Polizeiposten oder direkt bei der Staatsanwaltschaft angezeigt werden. Eine solche ist zwar auch mündlich möglich, einer schriftlichen Anzeige wird in der Regel jedoch mehr Glaubwürdigkeit zugesprochen. Wichtig ist zudem, die Anzeige wenn möglich mit Beweismaterial wie Fotos oder Videoaufnahmen zu dokumentieren. Sämtliche Tierschutzdelikte sind Offizialdelikte; die zuständigen Behörden sind also von Gesetzes wegen dazu verpflichtet, eine Anzeige aufzunehmen und die nötigen Abklärungen zu treffen. 

*Christine Künzli, Rechtsanwältin, LL.M., stv. Geschäftsleiterin Stiftung für das Tier im Recht (TIR) © Sonja Ruckstuhl

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Beitrag vom 06.05.2023

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