
Das stille Leiden der Fische
Der Umgang mit Fischen und ihr rechtlicher Schutz wird dem aktuellen Wissensstand bezüglich ihres Empfindungsvermögens und ihrer kognitiven Fähigkeiten bei Weitem nicht gerecht. Dies zeigt ein aktueller Strafentscheid zu einem Tierschutzverstoss.
Der Mensch nutzt Fische auf vielfältige Weise. Sie werden zu Speisezwecken gefischt, als Zierfische in Aquarien gehalten, in Aquakulturen zur Nahrungsmittelproduktion gezüchtet und zur Gewinnung wissenschaftlicher Erkenntnisse in Tierversuchen eingesetzt. Doch wie wir mit ihnen umgehen, lässt oft mehr als nur zu wünschen übrig. Denn die Forschung zeigt: Fische sind leidens- und empfindungsfähige Lebewesen.
Fallbeispiel
Ein Fischzüchter aus dem Kanton Schwyz wurde per Strafbefehl wegen fahrlässiger Tierquälerei verurteilt. Im Sommer 2022 verendeten 2000 Forellen in einem Teich, nachdem der Mann zu viel Futter ins Wasser geschüttet hatte. Die Überfütterung führt zu einer Eutrophierung, also einem übermässigen Nährstoffeintrag ins Wasser. Dies verursachte einen Sauerstoffmangel, weshalb die im Becken gehaltenen Fische qualvoll starben.
Der Züchter liess die Kadaver im Wasser zurück. Die daraus entstandene Fäulnis verstärkte die Wasserbelastung zusätzlich. Anschliessend pumpte er das verschmutzte Wasser in einen Bach, wodurch weitere wildlebende Fische starben. Laut Staatsanwaltschaft hätte der ausgebildete Fischwirt die Konsequenzen seines Handelns erkennen müssen. Er erhielt eine bedingte Geldstrafe von 4500 Franken, eine Busse und musste die Verfahrenskosten im Umfang von rund 2400 Franken tragen.
Rechtliche Einordnung
Fische sind leidens- und empfindungsfähige Lebewesen. Die aktuelle Forschung vermittelt ein differenziertes Bild vom Fisch, das stark von der gängigen Vorstellung, wonach es sich bei diesem um ein stummes, empfindungsloses Wesen handelt, abweicht. Wissenschaftlich unbestritten ist, dass es sich bei Fischen um leidensfähige Tiere handelt.
Dass Fische auch in der Lage sind, Schmerzen zu empfinden, ist in der Wissenschaft aber immer noch eine Streitfrage. So bezweifeln einige Fachleute, dass Fische über die neurologischen Voraussetzungen verfügen, um überhaupt Schmerz zu fühlen. Neue wissenschaftliche Studien bestätigen allerdings, dass das Schmerzempfinden von Fischen durchaus mit jenem anderer Wirbeltiere verglichen werden kann. Entsprechend ist davon auszugehen, dass Fische nicht einfach reflexartig auf Schmerzreize reagieren, sondern dass sie über die körperlichen und geistigen Voraussetzungen verfügen, um Schmerzen bewusst wahrzunehmen und darunter zu leiden.
Als Wirbeltiere werden sie deshalb genauso vom Geltungsbereich des Schweizer Tierschutzrechts erfasst wie beispielsweise Hunde, Katzen, Vögel oder Rinder. Entsprechend gilt der Grundsatz, wonach das Wohlergehen und die Würde des Tieres zu schützen ist, auch für sie. Somit ist es u.a. verboten, Fischen ungerechtfertigt Schmerzen, Leiden und Schäden zufügen, sie in Angst zu versetzen, sie zu erniedrigen, übermässig zu instrumentalisieren oder tiefgreifend in ihr Erscheinungsbild oder in ihre Fähigkeiten einzugreifen. Somit können auch Fische Opfer von Tierschutzdelikten werden.
Im vorliegenden Fallbeispiel hat die zuständige Staatsanwaltschaft zu Recht den Tierquälerei-Tatbestand zur Anwendung gebracht. Aus Tierschutzsicht zu kritisieren ist allerdings, dass im Rahmen der Strafzumessung nicht von einer Mehrfachbegehung ausgegangen wurde. Der Umstand, dass bei dem Vorfall über 2000 Fische qualvoll gestorben sind, hätte sich strafschärfend auswirken müssen. Die ausgesprochene Strafe wird dem Leiden der betroffenen Tiere nicht gerecht.
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