«Les feuilles mortes» von Yves Montand Songs und ihre Geschichten
Yves Montand gilt als einer der erfolgreichsten Interpreten der französischen Musik- und Kinoszene des 20. Jahrhunderts. Durch Edith Piaf entwickelte er seine gefeierten One-Man-Shows als Sänger, Tänzer und Rezitator. Seine Gesangsvorbilder waren Charles Trenet, Maurice Chevalier und Fred Astaire. Als Kinostar spielte er Hauptrollen in über 70 Filmen. «Lohn der Angst» (1953) machte ihn weltberühmt.
Text: Urs Musfeld
Geboren wird Yves Montand 1921 in der Toskana als Ivo Livi, Sohn eines kommunistischen Besenbinders. Auf der Flucht aus dem faschistischen Italien landet die Familie zwei Jahre später in Marseille.
Mit 17 beginnt Yves Montand seine Karriere als Chansonnier. 1944 zieht er nach Paris und trifft auf Edith Piaf, die ihm die ersten Schritte im Musikbusiness ermöglicht. Ein Jahr später erhält er seine erste eigene Show im Pariser Théâtre de l`Étoile. Mit seinen Chansons, seinem weichen Bariton und seinem Charme trifft er das französische Lebensgefühl der Nachkriegszeit.
Der Kontakt mit Jacques Prévert stellt weitere, entscheidende Weichen: Seine Lieder gehören seither zum Repertoire jedes Montand-Konzertes.
Jacques Prévert (1900-1977) zählt zu den populärsten Lyrikern Frankreichs. Aus dem Geist der Surrealisten um André Breton entstehen seine Gedichte und Chansons – eine Mischung aus Gesellschaftskritik, Wortspielen, Witz und Sentimentalität. Die Sammlung «Paroles» (1945) ist in Frankreich der erfolgreichste Gedichtband aller Zeiten. Bekannt wird er auch als Drehbuchautor für Jean Renoir und Marcel Carné: Einige Filmklassiker sind mit seinem Namen verbunden, darunter «Quai des Brumes» (1938), «Les Enfants du Paradis» (1945) und «La Crime de Monsieur Lange» (1936). Die Musik zu den beiden letzteren stammt vom ungarischen Komponisten Joseph Kosma.
Gemeinsam schaffen Kosma und Prévert 1945 den Song-Klassiker «Les feuilles mortes». Zur Originalmelodie aus einer von Kosma komponierten Ballettmusik («Le Rendez-Vous») schreibt Prévert den Text. Unter dem Titel «Les Portes de la Nuit» wird das Ballett von Marcel Carné verfilmt. Das Drehbuch liefert ebenfalls Jacques Prévert. «Les feuilles mortes», ursprünglich gedacht als Titelsong, wird im Film vom 25-jährigen Hauptdarsteller Yves Montand lediglich gesummt, gespielt wird es von Jean Vilar auf der Mundharmonika und im Finale als Walzer wiedergegeben.
«Les Portes de la Nuit» kommt 1946 ins Kino. Der Film ist ein kommerzieller Misserfolg und das Lied bleibt völlig unbemerkt. Trotzdem sind Prévert und Montand von dessen Potenzial überzeugt. So nimmt Montand 1949 seine Version des Titels auf.
Melancholisch swingend erzählt «Les feuilles mortes» das Ende einer Liebe:
Oh, je voudrais tant que tu te souviennes
Des jours heureux où nous étions amis
En ce temps-là, la vie était plus belle
Et le soleil plus brûlant qu’aujourd’hui
Oh, ich wünschte so sehr, dass du dich
An die gücklichen Tage erinnerst, als wir Freunde waren
Damals, als das Leben schöner war
Und die Sonne heller schien als heute
Les feuilles mortes se ramassent à la pelle
Tu vois, je n’ai pas oublié
Les feuilles mortes se ramassent à la pelle
Les souvenirs et les regrets aussi
Die welken Blätter werden mit der Schaufel zusammengekehrt
Siehst du, ich hab nicht vergessen
Die welken Blätter werden mit der Schaufel zusammengekehrt
Die Erinnerungen und die Reue auch
Die aufkeimende Liebe von einst hat allmählich einem Herbst der Erinnerungen und des Bedauerns Platz gemacht. Der Baum, der seine Blätter fallen lässt, symbolisiert die Geschichte eines Paares, dessen Leidenschaft, Liebe und Zärtlichkeit von der Zeit eingeholt wird.
Et le vent du Nord les emporte
Dans la nuit froide de l’oubli
Tu vois, je n’ai pas oublié
La chanson que tu me chantais
Und der Nordwind trägt sie mit sich fort
In die kalte Nacht des Vergessens
Siehst du, ich hab es nicht vergessen
Das Lied, das du mir gesungen hast
Der Nordwind beschwört die Kälte des Vergessens, im Gegensatz zur brennenden Hitze der Liebesleidenschaft.
C’est une chanson qui nous ressemble
Toi tu m’aimais, et je t’aimais
Nous vivions tous les deux ensemble
Toi qui m’aimais, moi qui t’aimais
Dies ist ein Lied, das uns gleicht
Du liebtest mich und ich liebte dich
Und wir lebten beide zusammen
Du, die mich liebte, und ich, der dich liebte
Mit einfachen Worten vermittelt Jacques Prévert das unerklärliche Gefühl, inmitten einer Vielzahl von Gleichgesinnten einzigartig zu sein.
Mais la vie sépare ceux qui s’aiment
Tout doucement, sans faire de bruit
Et la mer efface sur le sable
Les pas des amants désunis
Aber das Leben trennt die sich lieben
Ganz sacht, ohne Lärm zu machen
Und das Meer löscht im Sand die Spuren
Der entzweiten Liebenden
Die Zeit vergeht, ohne dass man es merkt, und plötzlich gehören die schönen Momente der Vergangenheit an.
Im gleichen Jahr, in dem Yves Montands Version veröffentlicht wird, überträgt Johnny Mercer den Text des Liedes ins Amerikanische, allerdings mit einem abgeänderten Inhalt und Titel: Aus «Les feuilles mortes» wird «Autumn leaves».
Es schildert die Sehnsucht eines soeben Verlassenen, der sich angesichts des Herbstlaubes an das Liebesglück des Sommers erinnert.
Es ist eine Hymne an die Vergänglichkeit und die Schönheit der Erinnerungen, die trotz des Schmerzes bestehen bleiben.
Das Lied wird zum absoluten Klassiker. Sei es in der Chanson-Interpretation (Juliette Gréco, Edith Piaf), der englisch gesungenen Fassung (Frank Sinatra, Tony Bennett, Nat King Cole) oder als meistgespielter Jazzstandard (Cannonball Adderley, Bill Evans, Chet Baker).
- Mögen Sie die Musik von und die Filme mit Yves Montand und haben Sie Lust, uns davon zu erzählen? Wir würden uns sehr freuen.
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Urs Musfeld alias Musi
Urs Musfeld alias MUSI, Jahrgang 1952, war während 39 Jahren Musikredaktor bei Schweizer Radio SRF (DRS 2, DRS 3, DRS Virus und SRF 3) und dabei hauptsächlich für die Sendung «Sounds!» verantwortlich. Seine Neugier für Musik ausserhalb des Mainstreams ist auch nach Beendigung der Radio-Laufbahn nicht nur Beruf, sondern Berufung.
Auf seiner Website «MUSI-C» gibt’s wöchentlich Musik entdecken ohne Scheuklappen zu entdecken: https://www.musi-c.ch/