So fällt die Fitness nicht ins Wasser
Schwimmen gehört hierzulande zu den beliebtesten Sportarten. Das ist gut so, weil die Fortbewegung im Wasser nicht nur Freude macht, sondern auch bis ins Alter die Gesundheit fördert.
Text: Martina Novak
Freibad offen! Seit Kurzem sieht man sie wieder im kühlen Nass an der frischen Luft ihre Bahnen ziehen: eingefleischte und abgehärtete Schwimmerinnen und Schwimmer. Die Freude darüber, dass sie seit Beginn der Freibadsaison ihrem Sport unter freiem Himmel frönen können, tröstet viele über die noch ungemütlichen Temperaturen von Luft und Wasser hinweg und animiert sie, geheizte Hallenbäder links liegen zu lassen.
Die Schweizerinnen und Schweizer schwimmen gern. Die Fortbewegung im Wasser gehört zu den vier beliebtesten Sportarten der Eidgenossen – zusammen mit Wandern, Velofahren und Skifahren bildet es den sogenannten «helvetischen Mehrkampf». 3,7 Prozent betreiben den Schwimmsport als Hauptsportart, fast 36 Prozent der Bevölkerung schwimmen nach eigenen Angaben an bis zu zwanzig Tagen pro Jahr, und gar achtzig Prozent nutzen in der Freizeit oder in den Ferien Hallen-, Frei-, See- und Flussbäder. Das ergab die Befragung Sport Schweiz 2014 des Bundesamtes für Sport BASPO.
Im Gegensatz zu anderen Trendsportarten wird die Bewegung im Wasser quer durch alle Alterskategorien hindurch praktiziert: In der Gruppe der 74-Jährigen steigen immerhin noch 35 Prozent der Frauen und 24 Prozent der Männer ab und zu ins Wasser und bewegen sich darin.
Abgesehen vom Naturerlebnis, das bei Open-Air- und Open-Water-Schwimmenden Geist erfreut, gilt Schwimmen als eine gesunde und weitgehend ungefährliche «Lifetime-Sportart», die bis ins hohe Alter betrieben werden kann. «Die Bewegungen im Wasser sind gleichmässig. Da der Körper im Wasser getragen wird, werden die Gelenke nicht überbelastet. Kraft, Anstrengung und Leistung lassen sich der aktuellen persönlichen Situation anpassen», erklärt Urs Kohlhaas, Sportmediziner aus Liestal und Verbandsarzt des Schweizerischen Schwimmverbandes SSCHV.
Zudem stellt Schwimmen ein ideales Ganzkörpertraining dar. «Beim Schwimmen werden praktisch alle Muskelgruppen benutzt. Der gesamte Kreislauf wird aktiviert und trainiert», erläutert der Fachmann. «Und da die Wassertemperatur meist kühler ist als die Körpertemperatur, bleibt die Gefahr einer Überhitzung und damit ungesunden Überlastung gering.»
Ideal für das Training sei laut Urs Kohlhaas eine Wassertemperatur von 23 bis 25 Grad. Sportliches Schwimmen in wärmerem Wasser könne für den Kreislauf eine Belastung darstellen. Umgekehrt sollte der Körper bei einer tieferen Wassertemperatur langsam angewöhnt werden. Habitués, die nicht aufs Outdoor-Schwimmen verzichten möchten, aber sich auch nicht unterkühlen wollen, tragen bei Wassertemperaturen unter 20 Grad mit Vorteil Schwimmshirts oder leichte Neoprenanzüge sowie Badekappen. Über den Kopf geht viel Wärme verloren, das gilt auch im Wasser. Helle oder leuchtfarbene Badekappen dienen in offenen Gewässern überdies als Sicherheitselement.
Gut für die schlanke Linie
Die Differenz von Wasser- und Körpertemperatur führt ausserdem dazu, dass beim Schwimmen mehr Kalorien verbrannt werden als bei einer vergleichbaren körperlichen Anstrengung auf dem Trockenen: bis zu 500 Kalorien pro Stunde, je nach Körpergewicht und Intensität. Aus diesem Grund darf man den Schwimmsport durchaus als Schlankmacher bezeichnen. Die Schwimmschule beider Basel wirbt auf ihrer Website gar mit einem als «Schlankheitsschwimmen» betitelten Kurs
Reichen nun aber zehn Minuten und ein paar Schwimmzüge im kleinen Pool, oder muss man mindestens einen Kilometer kräftig abspulen, damit die Gesundheit profitiert? Der ehemalige Nationalschwimmer Urs Kohlhaas meint: «Die Dauer im Wasser beziehungsweise die Schwimmstrecke ist abhängig vom individuellen Trainingszustand und kann kontinuierlich gesteigert werden. Bereits zwanzig Minuten Schwimmen, idealerweise täglich, sind für Körper und Kreislauf gut und gesund.» Besonders für Seniorinnen und Senioren mit Gelenkproblemen, die bei normalen Turnübungen Mühe bekunden, stelle Schwimmen ein ideales Training dar
Allerdings reicht es nicht, sich irgend wie über Wasser zu halten, um dem Körper Gutes zu tun. Damit die Schwimmbewegung dem Bewegungsapparat nützt und die Gelenke nicht belastet, sind gewisse Technik-Kenntnisse und -Fertigkeiten gefragt. Gerade der sehr verbreitete Bruststil sei technisch korrekt schwierig zu schwimmen und der Brustbeinschlag bei intensivem Training für die Knie eher ungesund, sagt Urs Kohlhaas. Wenn die Schwimmenden den Kopf stark aus dem Wasser recken, statt mit dem Gesicht einzutauchen und unter Wasser Luft abzulassen, dann belasten sie ihre Halswirbelsäule und eventuell auch das Kreuz. Das führt meistens zu Verspannungen und zu Schmerzen.
Crawl hingegen sei hinsichtlich der korrekten Atmungsweise schwieriger. Es lohne sich, diese spezielle Technik auch im späteren Leben zu erlernen oder zu verbessern, meint Urs Kohlhaas. Bestehende Schulterprobleme können allerdings die Ausübung des Crawlschlags erschweren oder verunmöglichen, weshalb viele ältere Menschen die Schwimmbewegung in der Rückenlage bevorzugen
Manche halten sich aber lieber mit Aquafit, Aquarunning oder Aquacyclingfit – oder wie die verschiedenen Trainingsformen im Wasser alle heissen –, die mittlerweile in vielen Schwimmbädern angeboten werden. Dabei wird nicht geschwommen, sondern an Ort im brusttiefen oder tiefen Wasser mit oder ohne Hilfsmittel wie zum Beispiel Gürteln geturnt. Der gelenkschonende Effekt dank dem Wasserauftrieb ist natürlich gleichermassen gegeben, und je nach Person macht einem das Training in der Gruppe mehr Spass als das einsame Durchpflügen einer Wasserfläche
Gute Wasserqualität
Ob man geradeaus schwimmt oder Aquafitness betreibt, unter einem Hallenbaddach oder im offenen Gewässer unterwegs ist, ein paar nützliche Tipps hat Urs Kohlhaas auch fürs Trainingsende parat: «Nach dem Aufenthalt im Wasser soll man sich gut abtrocknen und vor allem auch die Ohren von Wasser befreien beziehungsweise das Wasser aus den Ohren laufen lassen.» Das genüge als Schutz vor möglichen Infektionen, ein vorgängiges Abdichten des Gehörgangs mit Stöpseln hält der Mediziner in der Regel für nicht nötig. «Die Schwimmbäder in der Schweiz sind von guter Qualität und werden auch laufend kontrolliert. Wir haben auch das Privileg, dass unsere Seen und Flüsse sauber sind und das Schwimmen in diesen eine herrliche Sache ist!» Guten Schwumm!
Auf diesen Seiten im Internet gibt es Informationen über Schwimmkurse, -trainings und Open-WaterEvents wie Seeüberquerungen oder Volksschwimmen: www.swiss-swimming.ch und www.swim.ch.
Auch die kantonalen Pro-Senectute-Organisationen bieten regelmässig Schwimmkurse an. Mehr Infos unter www.prosenectute.ch