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Wahre Liebe 16. August 2021

Zeitlupe-Redaktorin Usch Vollenwyder (69) erzählt seit Beginn der Corona-Krise jede Woche aus ihrem Alltag im bernischen Gürbetal. Heute: von einem alten Geburtstagsgeschenk und einem Besuch im Schwimmbad. 

Usch Vollenwyder
Zeitlupe-Redaktorin
Usch Vollenwyder

Es war das beste Geschenk, das ich mir zu meinem vierzigsten Geburtstag machen konnte: Ich würde mich nie mehr ins Wasser quälen, wenn ich nicht Lust dazu hätte. Seither luden weder ein lächelnder See, noch ein Hitzesommer oder ein blaues Meer zum Bade. Wasser ist einfach nicht mein Element. Um mit dem ungeliebten Nass in Berührung zu kommen, genügen mir die Dusche und Hundespaziergänge im Regenwetter. Und jetzt schaue ich in die grossen braunen Augen und höre mich sagen: «Also gut, ich komme mit.»

Unermüdlich dreht die Kleine ihre Runde in dem kleinen Pool, der auf dem Rasen steht. Sie war noch nie in einem Schwimmbad. Dabei möchte sie so gerne ausprobieren, ob sie auch in einem Becken ohne festen Boden unter den Füssen schwimmen könnte. Doch ihre Eltern lassen sich nicht zu einem Schwimmbadbesuch überreden, die vielen Leute und überfüllten Nichtschwimmerbassins sind ihnen ein Gräuel. Grosi springt ein. «Das ist wahre Liebe», brummle ich. «Hä?» fragt sie zurück und schaut mich verständnislos an.  

Irgendwo muss ich doch noch ein Badekleid haben. Ich grüble es zuunterst aus dem Schrank hervor und schlüpfe hinein. Der Stoff ist über dem Bauch gerafft, und das Oberteil so dick ausgepolstert, dass ich einen mächtigen Spitzbusen vor mir hertrage. Im Schwimmbad wird sich wenigstens kein Sand in diesem unangenehmen Material verfangen können. Am Sonntagmorgen fahren wir beizeiten los. Es wird ein heisser Tag werden. Die Kleine ist ganz aufgeregt. 

Es ist alles noch genauso schrecklich, wie ich es in Erinnerung habe: Der aufgeraute Boden unter den empfindlichen Fusssohlen. Die kalte Dusche und die Überwindung, die es braucht, bis der ganze Körper erst unter Wasser ist. Das Gekreische und die Spritzerei im Nichtschwimmerbecken. Die Mütter und Väter, die sich um ihre Sprösslinge mit ihren Schwimmhilfen bemühen. Ich falle mit meinem völlig aus der Mode gekommenen Badekleid überhaupt nicht auf. Die vielen gepiercten, tätowierten, übergewichtigen und gertenschlanken Körper stecken in so unterschiedlichen Badeklamotten, dass kaum ein Trend auszumachen ist.

Die Kleine ist glücklich. Sie lässt die Wasserrutschbahn und sämtliche Spielgeräte links liegen und schwimmt hin und her – von der Treppe aus ins abfallende tiefe Wasser und zurück. Sie springt seitlich ins Wasser und wird dabei immer mutiger. Wir machen ein Wettschwimmen. Ich bin der Hai und sie ein kleiner Fisch. Mama sei eben nicht so «badig», erklärt sie, «jedenfalls nicht so wie du.» Ganze zwei Stunden bleibe ich mit ihr im Wasser. Das muss wirklich wahre Liebe sein. 

Erst auf dem Heimweg realisiere ich, dass wir uns den ganzen Sonntagvormittag – vom Anstehen an der Kasse bis zur Schlange für ein Smarties-Cornet – in einer Corona-Massnahmenfreien Zone bewegt haben. 


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Beitrag vom 16.08.2021

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