Osterpredigt 29. März 2021
Zeitlupe-Redaktorin Usch Vollenwyder (69) erzählt seit Beginn der Corona-Krise jede Woche aus ihrem Alltag im bernischen Gürbetal. Heute: von Gott, dem Osterhasen und dem leeren Grab.
Missmutig kommt die Kleine von der Schule nach Hause. Jetzt hätten sie von diesem Gott gehört. An den glaube sie sowieso nicht, der sei ja sowas von langweilig und interessiere sie nicht. Die Dinosaurier seien viel spannender. Meine Schwiegertochter fragt lachend nach: «Du glaubst an den Osterhasen, aber nicht an Gott?» Das kann ich gut verstehen: Gerade heute kam der Osterhase auf seiner vorösterlichen Erkundungstour vorbei und verlor im Garten einige Zuckereili …
Bei der anschliessenden Hunderunde ist die Welt wieder in Ordnung. Fröhlich hüpft die Kleine über abgeholzte Baumstämme. Ich kann es nicht lassen und frage, was die Lehrerin denn von Gott erzählt habe. Ja eben, von zwei Fischern mit ihren Netzen und einem Esel und Palmen, und alle hätten gejubelt, als sie in die Stadt kamen. Offensichtlich erzählt die Lehrerin die Passionsgeschichte. Ich hake ein: Ja, das war am Palmsonntag, als Jesus auf einem Esel nach Jerusalem geritten kam, ein paar Tage, bevor er gestorben ist. Jetzt ist die Kleine ganz Ohr: «Was ist dann passiert? Grosi, bitte erzähl!»
Puh! Jetzt bin ich unsicher. Wie weit und was soll ich erzählen? Ich versuche den Bogen zu schlagen von dem besonderen Kind in der Weihnachtskrippe zu diesem erwachsenen Mann, der am Karfreitag wegen seiner Überzeugung sterben musste. «Ach so, darum feiern wir Weihnachten und Ostern?» fragt die Kleine. Jetzt komme ich noch mehr ins Trudeln: Wie erkläre ich, dass an Ostern das Grab leer war und das Christentum nicht den Tod, sondern die Auferstehung feiert? Aber auch das scheint kein Problem zu sein: «Das ist etwas Heiliges, Grosi», sagt die Kleine ernsthaft.
Ich wünsche mir, dass sie noch lange an den Osterhasen glaubt. Und Geheimnisse als etwas Heiliges betrachtet. Sie rennt mit dem Hund um die Wette, klettert den Hang hoch, steigt auf die geschichteten Baumstämme und breitet die Arme aus. «Ich fliege», ruft sie und landet in einem weiten Sprung auf dem Boden. Sie versprüht Lebenskraft und Urvertrauen. Der «langweilige Gott» ist vergessen, während ich immer noch über unser Gespräch nachdenke.
Mir kommen die vielen Theologen in den Sinn, die jetzt über der Osterpredigt brüten: dass der Tod nicht das letzte Wort hat, dass Auferstehung auf eine grössere Dimension hinweist. Ich mag Diskussionen und Spekulationen über ein Leben nach dem Tod. Auch wenn ich weiss, dass mein Körper und Geist sterblich sind und ich überzeugt bin, dass mein Ich verlöschen wird. Und doch rührt mich das Bild vom leeren Grab: Es lässt mich darauf vertrauen, dass am Ende alles gut wird.
- Memento mori – sei dir deiner Sterblichkeit bewusst: In unserem Themenschwerpunkt widmen wir uns einen Monat lang Themen rund um den Tod und das Sterben. Zur Artikelsammlung.
- Hier lesen Sie weitere «Uschs Notizen»