Neujahrswünsche 3. Januar 2024
Die langjährige Zeitlupe-Redaktorin Usch Vollenwyder erzählt alle zwei Wochen aus ihrem Alltag im bernischen Gürbetal. Heute: von den vergangenen Festtagen und einem Ausblick ins neue Jahr.
Weihnachten feierten wir im kleinen Kreis. Im ganz kleinen. Nur mein Mann und ich. Es war Weihnachten nach meinem Geschmack: Ein ruhiger Abend, eine gute Flasche Rotwein, und dann der Gang zur Dorfkirche, wo ich in der Christnachtfeier im Chor mitsang. Seit Jahren hatte ich nicht mehr daran teilgenommen, weil immer die Familie im Vordergrund stand. Doch unsere Tochter weilt im Ausland, und der Sohn mit seiner Frau und der Kleinen war bei den Schwiegereltern. Also singe ich all die alten Weihnachtslieder mit, welche die Weihnachtsgeschichte umrahmen: «Es ist für uns eine Zeit angekommen», Maria durch ein Dornwald ging» oder «Es ist ein Ros entsprungen».
Ich mag die Weihnachtsgeschichte – sie ist so voller Symbolik: Das Kind im Stall, das schliesslich die Welt verändert. Hirte und Könige, die dem gleichen Stern folgen. Der Engel vom Himmel, der die junge Familie rechtzeitig zum Aufbruch mahnt. Die Weihnachtsgeschichte ist für mich eine Hoffnungsgeschichte. Allerdings gerät meine Hoffnung zurzeit arg ins Wanken. Ich denke an das Foto am Tag zuvor in der Zeitung – mit der Krippe in der Evangelisch-Lutherischen Weihnachtskirche in Bethlehem: Das Kind liegt nicht auf Stroh gebettet. Es liegt mitten in einem Trümmerhaufen aus Gesteinsbrocken, klein, hilflos, ausgeliefert. Der palästinensische Pastor der Kirche, Munther Isaac, hat die Krippe als verstörendes Mahnmal in Zeiten des Krieges aufgebaut.
Mit dem Lied «Mache dich auf und werde Licht» geht die Christnachtfeier zu Ende. Singend und mit einer brennenden Kerze in der Hand ziehen wir Sängerinnen und Sänger aus der Kirche und stellen uns in zwei Reihen vor dem Eingang auf. Die Besucherinnen strömen heraus, zünden an unseren Kerzen die ihre an, singen den Kanon mit und setzen – ohne dass es abgesprochen worden wäre – die Lichterkolonne bis weit auf den Parkplatz hinaus fort. Alle bleiben sie stehen, singen und halten das Licht in den Händen, bis auch der letzte Besucher die Kirche verlassen hat. Ich bin ergriffen von der Szene, die sich unbeabsichtigt ergeben hat: So viele unterschiedliche Menschen erhellen gemeinsam die Nacht.
Ja, meine Zuversicht steht zurzeit auf wackligem Boden. Zu schief ist die Weltlage, zu gross sind die Probleme. Die Kriege dauern an und der Planet erhitzt sich weiter. Irgendwie will sich keine Vorfreude auf das neue Jahr einstellen. Und so gehe ich an Silvester wie immer vor Mitternacht ins Bett.
Der Hund weckt mich, als Raketen und Feuerwerk knallen. Ich stehe ans Fenster. Die farbigen Leuchtspuren am nächtlichen Himmel stimmen mich versöhnlich. Lichtfontänen begrüssen das neue Jahr, Glückwünsche werden ausgetauscht. Ich fasse meine Vorsätze für 2024: Hoffnung statt Resignation, Vertrauen statt Angst. Und Zugewandtheit gegenüber den Menschen und der Welt – allen Herausforderungen zum Trotz.
- Was sind Ihre Vorsätze für das Jahr 2024? Wir würden uns freuen, wenn Sie uns davon erzählen oder die Kolumne mit anderen teilen würden. Herzlichen Dank im Voraus.
- Hier lesen Sie weitere «Uschs Notizen»
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